Entscheidung trifft auf Zustimmung:Ein Dorf in der Stadt

Pellheim gehört seit 45 Jahren zu Dachau. Die Eingemeindung wurde mit hundert Litern Freibier gefeiert, die Gemeinschaft der Bewohner ist noch heute intakt. Nur die Windräder gefallen nicht jedem

Von Ludwig Kramer, Dachau

Tiere sterben häufig aus, wenn sich ihre Umwelt stark verändert und ihnen die Lebensgrundlage entzogen wird. Die Gebietsreform hatte für Mandatsträger zwar nicht so drastische Folgen, aber die Zahl der Bürgermeister und Gemeinderäte wurde durch die Zusammenlegung von Kommunen deutlich dezimiert. Josef Nauderer war der letzte Pellheimer Bürgermeister. Heute, 45 Jahre nach der Eingemeindung des Orts in die Stadt Dachau, sieht er das nicht als großes Unglück. "Es war eigentlich ziemlich bald klar, dass wir die Selbstständigkeit nicht erhalten können", blickt der Altbürgermeister heute zurück. Pellheim hatte um 1970 etwas mehr als 500 Einwohner. Damit lag die Gemeinde klar unter der Grenze von 2000 Bürgern, die als Richtwert für das Fortbestehen eigenständiger Gemeinden galt. Die Pellheimer Gemeinderäte bereiteten sich also auf die Eingemeindung vor und nutzten die Freiwilligkeitsphase. Statt mit dem nahe gelegenen Hebertshausen Verhandlungen aufzunehmen, liebäugelten die Pellheimer mit der Stadt. Dachau, nicht ganz uninteressiert an einer Gebietszunahme im Norden, ließ sich auf Gespräche ein. Mit 100 Litern Freibier, gestiftet von der Stadt, wurde im November 1972 der Einstand gefeiert.

Im Gegensatz zu anderen kleinen Kommunen hatte Pellheim keine hohen Schulden. Dank der vielen Einnahmen durch die Gewerbesteuer - wie viel die zwei Wirtshäuser damals dazu beisteuerten, sei dahingestellt - und geringer Ausgaben lag die Pro-Kopf-Verschuldung mit 185 D-Mark weit unter dem Landesdurchschnitt. Nimmt man dann noch die gut funktionierende Dorfgemeinschaft dazu, stand Pellheim eigentlich hervorragend da. Die Angst der Dorfbewohner, dass die Zugehörigkeit zur Stadt Dachau den Ort innerhalb weniger Jahre komplett umkrempeln könnte, erwies sich als völlig unbegründet. Das Vereinsleben ist auch nach der Eingemeindung intakt geblieben. Burschen-, Gartenbau-, Veteranen- und Schützenverein sowie die Freiwillige Feuerwehr, die mit ihrer Wache in Pellheim eine wichtige Stütze für die Dachauer Feuerwehr darstellt, bewahren den Geist der Dorfgemeinschaft.

Pellheim mit Windrädern

Ein Ort im Wandel: Windräder prägen heute die Silhouette von Pellheim.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Josef Nauderer und der ehemalige Gemeinderat Thomas Liegsalz erinnern sich gerne an die Zeit vor der Eingemeindung, als das alte Schulgebäude nicht nur für Schüler, sondern auch zwei Mal in der Woche für den Parteiverkehr der Gemeindeverwaltung geöffnet war. Damals regelten die Bürger aber auch vieles mit einem Gespräch am Gartenzaun oder auf der Straße. Im Oktober 1974 fand dann der Kindergarten seinen Platz in der alten Schule. Seither verweist ein Straßenschild auf den städtischen Kindergarten in dem 500-Seelen- Dorf.

Die früheren Pellheimer Gemeinderäte redeten nicht nur, sondern erledigten auch viele Arbeiten selbst. Damals war es völlig normal, dass sie die Straßen eigenhändig instand hielten. Nauderer erinnert sich an die starken Schneeverwehungen im Winter. Innerhalb eines Tages wurden Schneewände aufgestellt und mit Traktoren die Straßen freigehalten. Würden heute Wände gegen Schneeverwehungen aufgestellt, seien die Angestellten des städtischen Bauhofs etwa eine Woche damit beschäftigt.

Pellheimer

Altbürgermeister Josef Nauderer (Mitte) erinnert sich an die alten Zeiten.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Die Zahl der kleinen Bauernhöfe, von den Einheimischen "Sacherl" genannt, ist in Pellheim deutlich gesunken. Im Gegenzug entstehen immer mehr Einfamilien- und Reihenhäuser, die den Charakter des Dorfes verändern. Nauderer hätte sich da eine restriktivere Baupolitik gewünscht. Doch er weiß natürlich auch um den Siedlungsdruck, der im Umfeld von München herrscht. Was vielen Pellheimern jedoch ein Dorn im Auge ist, sind die beiden Windräder, die den Ort überragen. Das aktuell von den Dachauer Stadtwerken geplante Windrad im Sigmertshauser Holz "wird sicher nicht das letzte sein", glaubt Josef Nauderer. Die Abstimmung über die Eingemeindung zur Stadt Dachau fiel Anfang der Siebzigerjahre sehr deutlich aus. Genauso eindeutig lehnen die Pellheimer jetzt den Bau eines drittes Windrads ab. Vermutlich kann ihn nur noch der Artenschutz bedrohter Raubvögel verhindern.

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