Englisch lernen:Ohne Hemmungen

Englisch lernen: Muttersprachlerin Anevrin Townsend aus Melbourne zeigt Schülern der Mittelschule Dachau Süd, wie Australier ihr Rührei zubereiten.

Muttersprachlerin Anevrin Townsend aus Melbourne zeigt Schülern der Mittelschule Dachau Süd, wie Australier ihr Rührei zubereiten.

(Foto: Toni Heigl)

Sehenswürdigkeiten erklären, Sketche präsentieren, Zeitung machen: Acht- und Neuntklässler der Mittelschule Dachau Süd vertiefen ihre Englischkenntnisse auf lockere Art - mit Hilfe von Muttersprachlern aus vier Ländern

Von Emily Holmes, Dachau

Die englische Sprachwelt ist vielfältiger als gedacht. Für etwa 330 Millionen Menschen weltweit ist Englisch die Muttersprache, in mehr als 50 Ländern. Vier von ihnen durften Acht- und Neuntklässler der Mittelschule Dachau Süd in der vergangenen Woche kennenlernen. Im Rahmen der "Native Speaker Week" haben sie sprachliche, kulturelle, kulinarische und sportliche Besonderheiten aus Großbritannien, Südafrika, Australien und den USA erklärt bekommen. Und zwar von Muttersprachlern, Experten also. Englischlehrerin Saskia Stöhr hat zum ersten Mal vier junge Muttersprachler - native speaker - in die Schule geholt, die den Schülern die Englische Sprache näher bringen sollen. "Mein Schulprojekt" heißt die Organisation, die das möglich macht. In verschiedenen Projektwochen können Schüler aller Schulformen von der siebten Klasse an die spanische, französische oder eben englische Sprache kennenlernen. "Die Schüler lernen im Unterricht, dass Englisch in vielen Ländern gesprochen wird, aber die verschiedenen Akzente kann man nicht aus dem Schulbuch ablesen", sagt Saskia Stöhr. Zwei neunte und eine achte Klasse durften nun an der Native Speaker Week teilnehmen. Alle drei sind M-Zug-Klassen, also Klassen, in denen die Schüler auf den Mittleren Schulabschluss vorbereitet werden. "Da ist die Woche vor allem für die Neuntklässler auch eine tolle Vorbereitung auf die Abschlussklasse im nächsten Jahr", findet Stöhr. Vier Gruppen mit je 16 Schülern wurden aus den Klassen gebildet. Bis auf die Stunden, in denen es um Landeskunde und Geografie ging, hatte jede Gruppe einen festen Dozenten. Spielerisch wurde die englische Grammatik geübt oder debattiert. Die Schüler durften in der Schulküche Landestypisches kochen und backen, wie etwa australisches Rührei oder britische Scones. Und in der Turnhalle des ASV konnten sie sich im Baseball, American Football und Basketball ausprobieren. Für eine "Town Tour" in München bereiteten die Schüler Informationen zu jeweils einer Sehenswürdigkeit vor, die sie dann an Ort und Stelle vorstellten, alles auf Englisch natürlich.

Monique Malan aus Johannisburg in Südafrika ist eine der vier native speakers. Sie ist Englischlehrerin und erfuhr auf einer Jobmesse von den Projektwochen. "Ich sehe das aber nicht als Unterricht, sondern eher als Einführung in die Sprache", sagt sie. Die Musikerin Gem Andrews aus Newcastle in England ist bereits seit zwei Jahren Teil des Projekts. Mit ihrer Gruppe erstellte sie am Dienstag eine Zeitung. "Ich passe die Stunden an die Schüler an, schaue, was sie machen können und wollen", sagt sie. Auch Bert Smith aus den USA ist bereits seit zwei Jahren dabei. Er ist Football-Spieler bei den Bielefeld Bulldogs und der Koordinator der Projektwoche in Dachau. Von dem guten Englisch der Schüler seien alle überrascht, erzählt Saskia Stöhr. Und tatsächlich hört man sogar, wie Schüler einander ermahnen, wenn doch mal einer Deutsch spricht: "In English please", heißt es dann mit einem Grinsen. Lehrer sind während der Stunden nicht dabei. "Der Druck etwas falsch oder richtig zu machen würde die Schüler nur hemmen", sagt Stöhr. So aber sind sie voller Elan dabei. In der Küche zeigt der Australier Anevrin Townsend, wie man ein Rührei zubereitet. "Du musst das Ei richtig schön aus dem Handgelenk schlagen", erklärt er seinen Lehrlingen. Zum Aufräumen und Saubermachen muss er niemanden ermahnen, das geht ganz von alleine. Die Projektwoche sollte dieses Jahr als Pilotprojekt laufen. "Wenn es gut läuft, dann soll das ein fester Bestandteil des Unterrichts werden", sagt Stöhr. Und es läuft gut. "Das ist mehr alltägliches Englisch, nicht so gestochen und trocken wie im Schulbuch" meint die 16-jährige Katharina Nocker. "Auch die Schüler aus der siebten Klasse kommen schon und fragen, ob sie das nächstes Jahr auch machen dürfen", sagt Stöhr. Testlauf bestanden.

Da am Freitag jede Gruppe ihre Wochenergebnisse präsentieren musste, wurde auch an Sketchen und Präsentationen gebastelt. Was sie am Ende zeigen wollen, durfte sich jede Gruppe selbst überlegen. So gab es Freitagmittag Interviews mit Cristiano Ronaldo, Gruselgeschichten, Zombie vs. Alians-Dance-Battles und vieles mehr. Im ASV-Theatersaal hatten sich Eltern, Schüler und Lehrer versammelt. Sie waren gespannt auf die Ergebnisse.

Eine Stilpolizei analysierte etwa Outfits von Stars. Für ihre eigenen MTV-Awards interviewten Schülerinnen zwei Sängerinnen - Mitschülerinnen -, die anschließend tatsächlich ein gelungenes "Mama Do" von Pixie Lott vorsangen. Die Gruppe des Australiers Townsend erklärte verschiedene Wörter des "Ozzie Slang", eine Eigenart im australischen Englisch. Und bei einem inszenierten Interview mit der Basketballspielerin Josephine wurden auch noch Lebensweisheiten präsentiert. Auf die Frage, wie sie sich fühle, wenn sie ein Spiel verliert, antwortete sie: "Alle Menschen erleiden mal einen Rückschlag. Ich weiß, dass ich mein Bestes gegeben habe".

Gem Andrews ist begeistert von der Leistung ihrer Schüler: "Es ist schwer, so viel auf Englisch denken und sprechen zu müssen", sagt sie, "aber ihr habt das großartig gemacht, ich bin stolz auf euch." Und auch Saskia Stöhr meint: "Ich finde das toll, wie sich die Schüler trauen, da oben vor allen anderen Englisch zu sprechen." Das sei ganz anders als im Unterricht. "Aber jetzt hat es klick gemacht, glaube ich, jetzt sind die Hemmungen gefallen."

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