Energiewende im Landkreis:Der Wille zur Wende

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Thomas König leitet seit elf Jahren die Müllverbrennungsanlage in Geiselbullach. Bei der geplanten Energiewende stellt er sich eine Frage: Wie steht es um den gemeinsamen politischen Willen bis hinauf zur bayerischen Staatsregierung?

Wolfgang Eitler

Thomas König wird auf der Podiumsdiskussion der Süddeutschen Zeitung in einer Woche in Dachau zur Energiewende fragen: "Machen Sie mit?" Er wird sich aus gutem Grund gezielt an den Vertreter der Dachauer Stadtwerke wenden: "Beteiligen Sie sich an der Idee eines gemeinsamen Energiekonzepts für die Landkreise Fürstenfeldbruck und Dachau, mit dem Ziel, den Anteil der autarken Versorgung auf ein Maximum zu steigern?" König leitet seit knapp elf Jahren das gemeinsame Unternehmen für Abfallwirtschaft (GfA) an der Grenze der beiden Landkreise Dachau und Fürstenfeldbruck. Beide halten sämtliche Anteile an dem kommunalen Unternehmen, das ein Abfallheizkraftwerk als zentrale Aufgabe betreibt. Es erzeugt bereits Strom und liefert Fernwärme an die Nachbargemeinden Olching und Bergkirchen, bald schon bis zum Ortsteil Günding, der ganz nah an Dachau liegt. König hätte die Leitungen auch gerne dorthin gelegt. Die Stadtwerke lehnten ab. Das war eine empfindliche Niederlage. Schon seit Jahren verfolgt König den Umbau seines Unternehmens zu einem regionalen Energieversorger, der nicht nur Wohnhäuser wärmt, sondern auch großen Industrieanlagen Prozesswärme für die Produktion anbietet. Deshalb hat der Vorstand ein originäres Interesse an den Chancen, welche die Energiepolitik des Bundes und der Ausstieg aus der Atomkraft ihm eröffnet. Seine Vision sieht so aus: Alle 15 Anlagen für Müllverbrennung im Freistaat Bayern werden zu Zentren regionaler Energieversorgung. "Denn die Standorte sind schon politisch und gesellschaftlich akzeptiert." Ganz im Gegensatz zum Aufbau neuer Infrastruktur mit Solaranlagen oder auch der Windkraft. Außerdem könnten Verbrennungsanlagen ideal ausgebaut werden. Am Beispiel Geiselbullach: Mittels moderner Gasturbinen-Technologien ließe sich die Stromproduktion massiv erhöhen. Außerdem böte sich der Aufbau einer Biogasproduktion aus Bioabfall an. Genau diese Chancen lässt König im Auftrag der beiden Landkreise Dachau und Fürstenfeldbruck auf ihre Machbarkeit prüfen. Er betont zwar, dass dies "ergebnisoffen" geschehen soll. Diese Einschränkung unterlegt er mit einem kleinen Lächeln. Denn König ist sicher, dass Anlagen wie die seine gebraucht werden, um die Grundlastversorgung mit Energie zu gewährleisten; also die Verfügbarkeit gerade für die Wirtschaft. Als Ziel dieser Kooperation peilt König ein gemeinsames Energiekonzept für beide Landkreise an. Er weiß bereits den Dachauer Kreistag sowie das Landratsamt Dachau hinter sich. Pressesprecher Gerhard Weber weist auf die einstimmig gefassten Beschlüsse des Kreistags hin, die GfA zum Energieversorger ausbauen zu wollen. Die stehen allerdings unter dem Vorbehalt eben dieser erfolgreichen Machbarkeitsstudie. Weber sagt auch, dass sich die Dachauer mit dem Kreistag in Fürstenfeldbruck darin einig sind. Für die Dachauer SPD-Sprecherin Marianne Klaffki ist diese Kooperation "der einzig mögliche Weg". Sie teilt Königs Ansicht, dass sich beide Landkreise in einer "geradezu idealen Position befinden", weil sämtliche Unternehmen der Energieversorgung in beiden Landkreisen in kommunalem Besitz sind. "So muss es auch bleiben", sagt sie. Sie fordert zusätzlich Möglichkeiten, Bürger an solchen Kooperationen zu beteiligen. Martin Runge ist Kreisrat der Grünen in Fürstenfeldbruck, war viele Jahre Mitglied im Verwaltungsrat der GfA und ist Fraktionsvorsitzender seiner Partei im bayerischen Landtag. Auch er stellt die Frage nach der künftigen Organisationsform eines solchen Energieprogramms. Die Landkreise können seiner Ansicht nach nicht zuständig sein, weil die Energieversorgung Aufgabe der Gemeinden und Städte ist. Er will wie Klaffki die Bürger einbeziehen. Außerdem kennt Runge die Geschichte der GfA und deren teils waghalsige Strategien, Abnehmer für die Fernwärme zu finden. Er erinnert an die Sasag-Affäre, als die Politik vor etwa 25 Jahren beinahe erlaubt hätte, dass ein Aluminiumhersteller sich direkt neben der Müllverbrennungsanlage niederlässt, um dessen Abwärme für die Produktion zu verwenden. Bürgerinitiativen verhinderten dieses finanziell lukrative Vorhaben. Runge will auch keinen weiteren Verkehr durch den Ort Geiselbullach führen, bloß um eventuell eine Biogasanlage mit Material zu versorgen. Deshalb sagt der Grünen-Politiker: Die Nutzung muss einen Sinn machen. "Sie muss aus ökologischer Sicht wünschenswert sein." Darauf pocht Lothar Rausch vom Ökoinstitut Freiburg-Darmstadt-Berlin, einer der prominentesten Beratungsorganisationen der Umweltpolitik in Deutschland. Rausch hält Fernwärme für eine der besten ökologischen Formen der Energieversorgung, vorausgesetzt, sie wird durch erneuerbare Quellen erzeugt. Also: Biogas oder Holzschnitzel, aber nicht Öl oder Kohle. Rausch befürwortet die Abwärme aus Müllverbrennung. Er bezeichnet es als unsinnig, diese Energie verpuffen zu lassen, zumal da die technischen Standards solcher Anlagen in Deutschland sehr hoch seien. Die politische Entscheidung in den maßgeblichen Gremien hängt letztlich davon ab, ob sich die beiden größten Energieunternehmen der Region beteiligen: die Stadtwerke in Fürstenfeldbruck und in Dachau. Und mit ihnen die übrigen lokalen Energieunternehmen der Landkreise. Ohne Dachau wäre somit ein regionales Energiekonzept, wie es König vorschwebt, nicht zu realisieren. Denn dazu muss unter Umständen in Geiselbullach investiert werden. Bei Fürstenfeldbruck ist er sich sicher. Die Stadtwerke dort nehmen schon 100 Prozent seines Stroms ab, und sie haben sich an einem gemeinsamen Unternehmen zum Ausbau des Fernwärmenetzes beteiligt. Und Dachau? "Nichts." Die Stadtwerke investieren bundesweit in Windkraft bis hin zu Kohlekraftwerken in Nordrhein-Westfalen. Im Mai 2010 erklärten sie auf ein formelles Angebot von Thomas König zur Abnahme von Fernwärme offiziell, dass die Preise nicht marktfähig seien. Ein weiteres Problem ist ihrer Sicht nach die Entfernung nach Geiselbullach. Die Trasse wäre gut acht Kilometer lang - auf dieser Strecke entstünden erhebliche Wärmeverluste von etwa einem Viertel bis einem Drittel der zu erwartenden Wärmeabgabe. Interessanterweise lässt sich der gesamte Flughafen München seine Energie vom 13 Kilometer entfernten Biomassekraftwerk in Zolling anliefern. . Vor allem aber hat sich die Energiepolitik komplett geändert. Die Abkehr von der Atomkraft ist nach Einschätzung von Experten nur möglich, wenn viele dezentrale Versorgungseinheiten entstehen. Für König und die Politik in Dachau wie auch Fürstenfeldbruck geht es schon längst nicht mehr darum, ob ein Unternehmen für sich allein einen lukrativen Einzelweg findet, sondern um die gemeinsame Zukunft hin zur Energiewende. Deshalb haben die Naturschützer beider Landkreise kürzlich eine Allianz für eine gemeinsame Energiepolitik der Kommunen gebildet. Ihre Kernforderung lautet: Die Stadt Dachau muss sich an das Fernwärmenetz der GfA anschließen. Deshalb beraten die Grünen im Kreistag darüber, ob sie nicht einen Antrag einbringen sollen, der die Debatte um die Dachauer Stadtwerke neu aufrollt. Fraktionsvorsitzende Marese Hoffmann sagt: "Ich will erreichen, dass die Stadtwerke vom Landkreis offiziell aufgefordert werden, sich an der GfA und an einem gemeinsamen Energiekonzept zu beteiligen." Aus der Sicht eines maßgeblichen Dachauer Politikers würde diese Diskussion im Dachauer Kreistag sicher sehr spannend. Oberbürgermeister Peter Bürgel (CSU) ist für die Stadtwerke verantwortlich und vertritt gleichzeitig den Landkreis im Verwaltungsrat des kommunalen Unternehmens in Geiselbullach. Vergangenes Jahr hatte er seine Stadtwerke in der Ablehnung der GfA- Offerte gestützt. Sein Fraktionsvorsitzender im Kreistag, Wolfgang Offenbeck, ist ein Experte in Sachen Fernwärme. Denn seine Gemeinde Karlsfeld darf als Vorreiter gelten. Offenbeck sagt: "Es ist extrem unbefriedigend, wenn die Wärme in Geiselbullach zum großen Teil ungenutzt verpufft." Aber er weist auf einen grundlegenden Fehler in der Energiepolitik Bayerns in. Die fördert alles, nur nicht den Ausbau der Leitungen für Fernwärmenetze. Deshalb sagt Offenbeck auch: "Die politische Forderung der Zeit ist die staatliche Unterstützung der Fern- und Nahwärme." Am Freitag, 22. Juli, auf der SZ-Podiumsdiskussion in Dachau fragt Thomas König: "Machen Sie mit?" Anders gefragt: Wie steht es um den gemeinsamen politischen Willen bis hinauf zur bayerischen Staatsregierung?

Die Müllverbrennungsanlage in Geiselbullach gehört den Landkreisen Dachau und Fürstenfeldbruck. (Foto: www.joergensen.com)
© SZ vom 15.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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