Einzelhandel:Ein Pyrrhussieg

Die Gemeinde Odelzhausen darf nach einem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Einzelhandel aus ihrem Gewerbegebiet aussperren, um die Ortsmitte zu stärken. Doch die Leerstände dort nehmen zu

Von Benjamin Emonts, Odelzhausen

"Den Geschäften hier geht es nicht besonders gut", sagt Bürgermeister Markus Trinkl beim Rundgang durch die Ortsmitte. Es ist Mittwochnachmittag, 14 Uhr, die Sonne scheint, das Café ist leer, der Marktplatz liegt verwaist da und an dem Gebäude der ehemaligen Marien-Apotheke sind die Jalousien heruntergelassen. Die einsame Bronzeskulptur, die vor der Gaststätte Wasser in einen Springbrunnen spuckt, kann einem da fast schon leid tun. Nun gut: Die Tatsache, dass die Gaststätte mittwochs geschlossen hat, trägt selbstverständlich zu der Menschenleere in Odelzhausens Zentrum bei. Trotzdem beklagt Bürgermeister Trinkl, dass die Kaufkraft innerhalb des Ortszentrums ständig ab- und der Leerstand gewerblich genutzter Gebäude zunimmt. Eigentlich wollte die Gemeinde Odelzhausen genau diesem fatalen Trend entgegenwirken. Sie beschloss 2010 eine Sperre für den Einzelhandel in dem Bebauungsplan ihres Gewerbegebiets. Durch das Verbot sollten Unternehmer und Einzelhändler dazu bewegt werden, sich verstärkt in der Ortsmitte Odelzhausens anzusiedeln. Doch bislang schlug der Versuch fehl. Während vor vier Jahren lediglich ein bis zwei gewerblich genutzte Gebäude in der Ortsmitte leer standen, sind es heute bereits sechs. Deshalb denkt Bürgermeister Trinkl inzwischen laut darüber nach, ob ein Umdenken in der Gemeindepolitik stattfinden muss. Seine Fragen: Ist eine angemessene Nahversorgung am Ort noch zu gewährleisten, wenn Einkaufsmärkte im Gewerbegebiet untersagt werden? Und noch wichtiger: Was muss im Zentrum geschehen, um es nachhaltig zu beleben?

Den Anstoß zu diesem Denkprozess hat ein Gerichtsverfahren gegeben, das am vergangenen Dienstag vor dem Verwaltungsgerichtshof in München verhandelt wurde. Unternehmer und Autohausbetreiber Hans Rapp, der in der Rudolf-Diesel-Straße im Odelzhausener Gewerbegebiet ein brach liegendes, 9000 Quadratmeter großes Grundstück besitzt, hatte im Jahr 2011 gegen die Einzelhandelssperre für das Gewerbegebiet geklagt. Der 79-Jährige plante nämlich, auf dem Grundstück ein Autohaus samt Kfz-Werkstatt, einen Getränkemarkt sowie einen Einkaufsmarkt zu bauen. Der Edeka, der schon vor der Einzelhandelssperre existierte und auf einem Nachbargrundstück im Gewerbegebiet ansässig ist, will auf das Grundstück von Hans Rapp umziehen. Falls das Vorhaben scheitert, das hat der Geschäftsführer jüngst angekündigt, werde der Supermarkt Odelzhausen nach dem Jahr 2015 sogar verlassen.

Einzelhandel: Markus Trinkl führte am Mittwochnachmittag durch das menschenleere Ortszentrum Odelzhausens.

Markus Trinkl führte am Mittwochnachmittag durch das menschenleere Ortszentrum Odelzhausens.

(Foto: Toni Heigl)

Danach sieht es nach dem Urteilsspruch des Münchner Verwaltungsgerichtshofs nun auch aus. Denn die Richter wiesen Rapps Antrag auf Aufhebung der Einzelhandelssperre für das Gewerbegebiet ab. Die Begründung: "Die Gemeinde hat nachvollziehbar ein in sich stimmiges Konzept verfolgt." Eine Stärkung der Ortsmitte sei schließlich nur realisierbar gewesen durch einen Ausschluss des Einzelhandels im Gewerbegebiet. Dass dieses Vorgehen bis heute nicht erfolgreich gewesen ist, sei für die Gemeinde zum damaligen Zeitpunkt nicht absehbar gewesen.

Wegen des Gerichtsprozesses sieht sich Bürgermeister Trinkl jetzt mit einer Grundsatzfrage konfrontiert: Entweder die Gemeinde hält an ihrer Einzelhandelssperre für ihr Gewerbegebiet fest und hofft weiter darauf, dass sich dadurch Geschäfte in ihrer Ortsmitte ansiedeln. Dadurch liefe man jedoch Gefahr, dass weitere Geschäfte abwandern und die Nahversorgung am Ort noch schlechter wird. Oder die Gemeinde hebt die Sperre auf und stellt so sicher, dass in Odelzhausen eine standesgemäße und bürgerfreundliche Nahversorgung gewährleistet ist. Was jedoch zur Folge hätte, dass die Ortsmitte weiter stagniert und weiter an Attraktivität einbüßt. Die Antwort des Unternehmers Hans Rapp, der viel Geld in den Prozess gesteckt hat, lautet: "Ich bin ein bisschen enttäuscht, aber den größeren Schaden nimmt die Gemeinde. Die verlorene Kaufkraft ist nicht mehr reparabel." Auch Bürgermeister Trinkl brach angesichts des vermeintlichen juristischen Erfolgs nicht in Jubel aus. Er sagte: "Wenn Edeka abwandern würde, hätte das katastrophale Auswirkungen und würde eine weitere Verschärfung der Einzelhandelssituation in Odelzhausen bedeuten: Das Produktangebot hier im Ort würde noch kleiner werden und noch mehr Kaufkraft aus der Gemeinde abwandern."

Einzelhandel: Auf der Seitz-Wiese würde der Bürgermeister gerne Wohnraum schaffen.

Auf der Seitz-Wiese würde der Bürgermeister gerne Wohnraum schaffen.

(Foto: Toni Heigl)

Trinkl will nun im Gemeinderat zur Diskussion stellen, ob über Rapps Grundstück ein neuer Bauplan gelegt werden soll, der Einzelhandel zulässt, beziehungsweise die Einzelhandelssperre gänzlich aufgehoben werden soll. Denn seine Erfahrung zeige, dass die Geschäftsflächen in der Ortsmitte für einen Supermarkt oder den nach der insolvenzbedingten Schließung von Schlecker dringend benötigten Drogeriemarkt schlicht zu klein seien. Zumal die Unternehmen einen Standort im Gewerbegebiet als wirtschaftlich günstiger erachteten, "weil die Gebäude dort moderner sind und das Gewerbegebiet an stark befahrenen Straßen und der Autobahn liegt". Eine Bebauung der großen, im Ortskern liegenden Seitz-Wiese scheitere bislang an der Grundstückseigentümerin. Sofern im Gewerbegebiet neue Flächen für den Einzelhandel geschaffen würden, könnte sich Trinkl auf dieser Wiese auch Wohnbebauung vorstellen. "Wenn ich mehr Einwohner in der Ortsmitte habe, kann ich auch mehr Leben rein bringen", sagt Trinkl. Allerdings fehle es dem Ortszentrum, obwohl es im Jahr 2009 bereits neu gestaltet wurde, an Attraktivität: "Wir brauchen mehr Freizeitmöglichkeiten." In seinen Fokus ist seit geraumer Zeit eine Wiese gerückt, die nur etwa 70 Meter von der Ortsmitte entfernt liegt und vorbei am Ärztehaus über die neue Glonnbrücke erreichbar ist. Hier, auf der großen Freifläche, die der Gemeinde gehört, möchte Trinkl ein Naherholungsgebiet mit einem kleinen Naturbad schaffen. "Das würde der Ortsmitte wahnsinnig gut tun", sagt der Bürgermeister.

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