Ein Traum geht in Erfüllung:Mit der selbst gebauten Yacht in die Freiheit

Hans und Barbara Hillreiner wollen die Welt umsegeln. In diesem Monat soll es losgehen. Wann sie wiederkehren ist ungewiss

Von Walter Gierlich, Markt Indersdorf

Markt Indersdorf - "Fahre in die Welt hinaus. Sie ist fantastischer als jeder Traum." Diese beiden Sätze des Schriftstellers Ray Bradbury, Autor des Romans "Fahrenheit 451", sind auf ihrem Laptop zu lesen, wenn Barbara Hillreiner ihn einschaltet. Und sie drücken genau das aus, was sie und ihr Mann Hans in wenigen Wochen tun werden. Die beiden, die vor mehr als 30 Jahren erst ein Unternehmen in dem zwischen Indersdorf und Erdweg gelegenen Dorf Hirtlbach gegründet haben, später ein zweites (siehe Kasten), gehen auf große Fahrt. Nicht für die übliche Dauer eines Urlaubs, sondern ohne festgelegtes Ende, möglicherweise für immer. So wird ein Traum wahr. Die Betriebe haben sie bereits an ihre beiden Töchter übergeben und so werden sie sich mit ihrem selbst gebauten Segelboot aufmachen, die Weltmeere zu erobern.

Schiffsbauer

Noch glänzt das Aluminium - nach großem Seeabenteuer sieht die selbst gebaute Yacht noch nicht aus. Mehrere Schichten Farbe fehlen. Doch Hans Hillreiner testet schon mal den Ausblick von der Reling.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Der Traum, einmal wirklich rauszukommen aus der Alltagsmühle, ist schon lange da bei Barbara, 53, und Hans Hillreiner, 55. Seit sie sich selbständig gemacht haben, bleibt ihnen kaum Zeit für Urlaub. Zunächst ist allerdings von Wasser und Segeln noch keine Rede gewesen, eher sollte es in die Luft gehen. Die beiden nahmen Flugstunden auf einer Cessna, merkten aber rasch, dass das nicht das Richtige ist. "Sehr zeitraubend und bringt nicht viel", urteilt Hans Hillreiner im Rückblick. Erfolgversprechender erscheint ihnen später ein Angebot der Volkshochschule Dachau für einen "Sportbootführerschein Binnengewässer". Allerdings darf man damit auf Bayerns Gewässern kaum irgendwo herumfahren. Daher folgen bald der "Sportbootführerschein See" und schließlich vor etwa 15 Jahren der SKS (Sportküstenschifferschein), für den zwei Wochen Praxis auf dem Meer erforderlich sind. "Leinen los, dann waren wir frei, das erste Mal seit der Selbständigkeit: endlich Urlaub", sagt Hans Hillreiner.

Schiffsbauer

Auch im Motorraum ist noch nicht alles bereit für die Reise.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Auch in den folgenden Jahren schaffen sie es, sich ab und zu für zwei Wochen loszueisen und mit gecharterten Booten Familiensegeltörns in der Ägäis oder bei den Liparischen Inseln zu machen. Der Wunsch nach einem eigenen Boot entsteht. Doch auf den Bootsmessen, die die Hillreiners daraufhin eifrig besuchen, stellt sich Ernüchterung ein: Was dort angeboten wird, ist für sie unbezahlbar. Doch der wagemutige Metallhandwerksmeister fasst umgehend einen Entschluss: "Wenn wir's uns nicht leisten können, dann bauen wir's selber."

Schiffsbauer

Im Innern, wie hier im WC, ist es eng, doch Hans und Barbara Hillreiner fühlen sich in ihrem Schiff jetzt schon wohler als im Haus.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Er besorgt sich also vor acht Jahren Pläne für einen Bootstyp aus den Siebzigerjahren, die der Bremer Kurt Reinke für Eigenbauer anbietet, und bastelt zunächst ein Modell im Maßstab 1:10. "An Aussteigen war damals noch nicht gedacht, nur an ein Boot für einen schönen Urlaub", erklärt Barbara Hillreiner. Ein besonders sicherer Typ soll es sein, dank zweier Kiele unter dem Rumpf. 4500 Arbeitsstunden sind den Plänen zufolge für die Fertigung des Bootes veranschlagt. Wie lange er in den vergangenen sieben Jahren tatsächlich daran gearbeitet hat, hat Hans Hillreiner nicht gezählt. "Andere gehen samstags auf den Fußballplatz, ich bin halt hinter in den Garten zum Bootsbauen gegangen."

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Das Schiffsmodell war der erste Schritt - jetzt haben Hans und Barbara Hillreiner die Yacht fast fertig.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Durchhänger habe es zwischendurch schon mal gegeben. Kein Wunder, denn wie Barbara Hillreiner meint: "Neun Teile sind normale Arbeit in den beiden Betrieben, ein Teil Bootbauen." Von Anfang an ist für ihn klar, dass die Yacht aus Aluminium bestehen soll: "Anders als Stahl rostet Alu nicht, und für ein Holzboot wäre der zehnfache Aufwand notwendig." Die acht Meter langen und acht Millimeter dicken Aluplatten für den Schiffsrumpf muss er sich aus Bremen kommen lassen, nachdem er das "Gerippe" der Spanten im Alleingang zusammengeschweißt hat. "Ich habe immer alles allein gemacht, damit ich keinem anderen den Finger abzwicke, wenn was schiefgeht", sagt Hillreiner. Damit später auch unterwegs möglichst nichts passiert, hat er alles doppelt ausgelegt: Für das Manövrieren in den Häfen hat er zwei je 75-PS-Motoren für alte 190er Mercedesmodelle eingebaut, davon einen neuen aus einer Berufsschule und einen gebrauchten. Auch die Steuerungsanlage gibt es doppelt. Und dank der beiden insgesamt acht Tonnen schweren Kiele wird der Rumpf auch bei starkem Wellengang stabil bleiben. Das Blei, das nötig ist, um ein so enormes Gewicht zusammenzubringen, hat Hillreiner bei Schrotthändlern gesammelt, anschließend geschmolzen und in massive Dreiecke gegossen.

Die Firmen

1987 haben sich der Metallbearbeitungsfachmann Hans Hillreiner und seine Frau Barbara selbständig gemacht und auf einem ehemaligen Bauernhof in Hirtlbach die Firma HGH (Hans G. Hillreiner) gegründet. Das Familienunternehmen mit 16 Mitarbeitern fertigt hochpräzise Komponenten aus Metall für den Maschinen- und Anlagenbau. Der wichtigste Kunde ist die Firma MAN. "In jedem Fahrzeug von MAN ist ein Teil von uns drin", sagt Hillreiner.

Anfang der Neunzigerjahre entwickelte die Airwings Hillreiner GmbH, das zweite Unternehmen des Ehepaares, die ersten gefederten Sattelstützen für Fahrräder. 1997 ließen sie ihre luftgefederten und kugellagergestützten Federungen patentieren, weiteten in den Folgejahren die Produktpalette aus und optimierten den Komfort. Im technologisch hochwertigen Sattelstützensegment ist die Firma inzwischen Marktführer. Nach dem Ausstieg ihrer Eltern haben die beiden Töchter Barbara, 24, und Katharina Hillreiner, 23, die zwei Betriebe übernommen. W.G.

Als der Rumpf fertig ist, geht es an den Innenausbau, an dem seit einem Jahr Barbara Hillreiner neben der Vollzeit im Betrieb mitarbeitet. Ein Wassertank mit einem Fassungsvermögen von 2000 Litern kommt rein, dazu ein Dieseltank mit 1500 Litern Volumen. Die Toilettenspülung ebenso wie die Motorkühlung funktioniert mit Meerwasser. Der Strom für Kühl- und Gefrierschrank, Herd und Backofen wird komplett von Solaranlagen erzeugt. Gas an Bord will Hans Hillreiner nicht, das ist ihm zu gefährlich. Unter Deck gibt es neben der Küche einen Schlafraum mit Dusche und WC für die Schiffseigner im Heck und am Bug eine Gästekoje ebenfalls mit Nasszelle ausgestattet, dazu jede Menge Stauraum in dem insgesamt rund 45 Quadratmeter großen Wohnbereich. Auf eine Waschmaschine verzichtet das Paar bewusst. Von anderen Weltenbummlern haben sie nämlich gehört, dass Waschsalons an den Anlegeplätzen der Welt wunderbare Orte der Kommunikation seien, um Erfahrungen auszutauschen. Am Heck muss noch eine Aufhängung für das Beiboot angebracht werden, das nötig ist, um an Land zu kommen, wenn man vor der Küste ankert. Dazu dient die etwa 400 Kilogramm schwere, 100 Meter lange Ankerkette.

Alles an der Yacht ist also noch nicht fertig, so fehlen beispielsweise die Glasscheiben für die Fenster, deren Rahmen ebenfalls im Eigenbau erstellt wurden. Und doch ist Barbara Hillreiner in der Zukunft angekommen: "Ich fühle mich jetzt schon da wohler als im Haus." Die Ausstattung, die an Bord sein wird, ist komplett neu. Ein klarer Schnitt: "Da kommt kein alter Kochtopf mit und auch sonst nichts aus dem Haushalt", versichert Hans Hillreiner. Auch der Rumpf bleibt noch zu streichen, nicht nur einmal allerdings: Gleich zehn Lagen sind notwendig, sechsmal muss grundiert, viermal Lack drüber gestrichen werden. Dann kann das Boot mit dem bezeichnenden Namen "Dream", unter dem es beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Hamburg registriert ist, endlich in See stechen, nachdem es das Meer auf verschlungenen Wegen erreicht haben wird.

Für das Aussteigen aus der Normalwelt bedurfte es neben der Geschäftsübergabe an die Töchter und dem aufwendigen Bau des Schiffes einer Vielzahl weiterer intensiver Vorbereitungen. Die Hamburger Behörde hat den Schiffseignern inzwischen einen Schein ausgestellt, der ähnlich wie ein Kraftfahrzeugschein an Land mitzuführen und bei Kontrollen vorzuzeigen ist. Damit es losgehen kann, sind zusätzlich zu den Schiffsführerscheinen beispielsweise Funksprechzeugnisse, Bescheinigungen über medizinische Kurse und ein Waffenschein für die Signalpistolen erforderlich. Sollte unterwegs auf hoher See ein medizinischer Notfall eintreten, müsste die Hamburger Schifffahrtsbehörde benachrichtigt werden, die das nächste größere Schiff mit einem Arzt an Bord alarmieren würde. Auch muss man über Zoll- und Visabestimmungen Bescheid wissen, und um mit den jeweiligen Behörden in den Häfen gut kommunizieren zu können, hat Barbara Hillreiner nicht nur ihr Schulenglisch aufgefrischt, sondern auch Spanisch und danach Französisch gelernt. Dies alles jahrelang neben der normalen Berufstätigkeit als Unternehmerin.

Zur Vorbereitung sind die beiden sogar einmal auf die Azoren gereist, eine Zwischenstation für alle Weltumsegler, die den Atlantik von Amerika nach Europa überqueren. Da gebe es eine richtige Gemeinschaft, die sich auf den dortigen Hafenmolen mit ihren Schiffsnamen und Daten ihrer Segeltörns verewigt. Es seien welche dabei, die 17 Jahre auf den Meeren unterwegs waren, erzählt Barbara Hillreiner.

Und wie geht es ihnen nun so kurz vor dem Start? "Im Moment ist es ein wenig stressig, weil der Termindruck da ist", sagt Hans Hillreiner, denn am 13. Juni müsse das Boot in Nürnberg sein. "Aber grundsätzlich ist es schon ein tolles Gefühl." Er hat auch kein Problem damit, alles hinter sich zu lassen und den Betrieb aufzugeben. Seiner Frau ist es momentan ein wenig mulmig: "Jetzt wird es halt endgültig."

Wenn Anfang kommenden Jahres in Südfrankreich Mast und Segel gesetzt sind, dann werden die beiden Aussteiger zunächst ein bis zwei Jahre durchs Mittelmeer schippern, um Erfahrung mit dem Boot zu sammeln, "bis die Kinderkrankheiten raus sind". Die Überfahrt über den Atlantik ist für einen Dezember geplant: "Dann sind die Passatwinde günstig und die Hurrikanzeit ist vorbei." Einige Jahre wollen sie dann kreuz und quer durch die Karibik segeln, auch mal irgendwo länger bleiben und per Bus oder Motorrad ins Landesinnere fahren, um die Inseln und deren Bewohner näher kennenzulernen. Entlang der südamerikanischen Atlantikküste soll es bis Brasilien hinab gehen, ehe die Reise durch den Panamakanal in den Pazifik und weiter zur Südsee führt. Kein Problem ist in ihren Augen die Bestimmung der EU, dass sie maximal sieben Jahre außerhalb der Grenzen der Union bleiben dürfen, weil sie sonst Einfuhrsteuern für ihr Boot zahlen müssten. Denn viele Inseln in der Karibik und der Südsee gehören zu Frankreich oder Holland und somit trotz Tausender Kilometer Entfernung zur EU. Wann sie wo ankommen? Völlig egal. Die Zeit wird für sie keine Rolle mehr spielen, wenn sie erst mal auf dem Meer sind. Hans Hillreiner betont denn auch: "Termine haben wir das ganze Leben gehabt."

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