Ehrenamtliche über  Kontrollen verärgert:Razzien in Flüchtlingsheimen

Mitarbeiter des Landratsamts haben in den vergangenen Monaten mehrmals Unterkünfte durchsucht - zum Schutz der Bewohner, wie die Behörde sagt.

Von Viktoria Großmann, Dachau

In den Flüchtlingsunterkünften im gesamten Landkreis hat es in den vergangenen Monaten mehrmals nächtliche Durchsuchungen gegeben. Das bestätigt das Landratsamt, welches das Hausrecht in den Unterkünften hat. Bei den ehrenamtlichen Helfern wie auch der Caritas ist das Vorgehen auf heftige Kritik gestoßen. Sie beklagen, dass sie auch nach den Razzien nicht informiert wurden, warum und dass diese überhaupt stattgefunden hatten. Viele Bewohner würden sehr verunsichert bis verstört auf die nächtlichen Besuche reagieren. Bei einem Treffen zwischen Helfern und Landratsamt war das Thema Gegenstand einer längeren Diskussion.

"Wir müssen auf die Einhaltung der Hausordnung achten", erklärt Wolfgang Reichelt, Pressesprecher des Landratsamtes. Zum Beispiel gelte ein striktes Rauchverbot in den Unterkünften, das nicht immer eingehalten werde. "Da besteht Gefahr für Leib und Leben", sagt Reichelt, der auch Feuerwehrmann ist. Die Kontrollen fanden grundsätzlich nachts nach 22 Uhr statt, laut einigen Helfern nach Mitternacht. Dabei wurden von allen Menschen in den Unterkünften die Personalien aufgenommen. Das Landratsamt möchte nämlich sicher gehen, dass niemand in den Unterkünften übernachtet, der dort nicht gemeldet ist.

"Es muss verhältnismäßig sein", mahnt Christine Torghele-Rüf von der Caritas-Beratungsstelle für Asylbewerber und Flüchtlinge. Die Privatsphäre müsse so weit wie möglich gewahrt werden. "Wir möchten wissen, wann und warum es solche Durchsuchungen gab. Dazu brauchen wir sicher kein Polizeiprotokoll, aber wir möchten es erklären können." Dann gebe es auch bei den Bewohnern durchaus Verständnis, sagt Torghele-Rüf. Wie bei vielen Themen erscheint den Helfern das Vorgehen zu hart und die Sünden lässlich. So sei es doch normal, dass ein Besuch, gerade wenn man an langen Sommerabenden einmal länger zusammen sitze, auch übernachte. "Das biete ich meinen Freunden ja auch an", sagt zum Beispiel Detlef Wiese, Ehrenamtlicher in Haimhausen. Die Kontrollen, so sagt er, "mischen ein ganzes Heim auf". Die Helfer sehen sich einmal mehr in der Rolle, etwas erklären zu müssen, worüber sie selbst nicht informiert wurden.

"Keine normalen Wohnungen"

Joachim Jacob vom Helferkreis Petershausen erklärt, dass Freunde, Familien, teils Ehefrauen und sogar Kinder in anderen Unterkünften und Landkreisen leben. Er hat Verständnis, dass jemand auch mal auswärts übernachten möchte. "Wir bemühen uns ja um Genehmigungen, dass Familien zusammen untergebracht werden."

Vorschrift und Verständnis passen wie so oft nicht zusammen. Flüchtlingsunterkünfte sind, wie Reichelt erklärt "definitiv keine normalen Wohnungen". Wohnungen sind laut Artikel 13 des Grundgesetzes unverletzlich. Niemand, auch nicht die Polizei, darf ohne begründeten Verdacht oder ohne dass eine konkrete Gefahr bestünde, eindringen. Ein Rauchverbot in privat genutzten Räumen dürfen Vermieter in Deutschland nicht aussprechen, jedwedes Risiko von Raucherlunge bis Matratzenbrand trägt der Mieter selbst. Und natürlich darf er Gäste beherbergen. Ein Flüchtling, der in einer staatlichen Unterkunft lebt, hat diese Rechte nicht. "Wir von der Caritas orientieren uns trotzdem daran und möchten, dass sie, so weit es eben geht, auch für die Bewohner in den Flüchtlingsunterkünften gelten", sagt Torghele-Rüf.

Es sei nicht sinnvoll, die Kontrollen anzukündigen, erklärt Reichelt. Die Ehrenamtlichen sollen auch weiterhin nicht vorab informiert werden. Die Kontrollen seien zum Teil auf Beschwerden von Nachbarn hin wie auch der Bewohner selbst erfolgt, sagt der Pressesprecher. In einigen Unterkünften gibt es ein Drogenproblem, das wissen auch die Helfer. Es ist ein weiterer Grund für die Razzien. Die Caritas bietet zum Thema legale und illegale Drogen Workshops an und klärt über Risiken und Vorschriften auf. In die Unterkünfte hinein zu kommen, ist für Polizei und Mitarbeiter des Landratsamtes kein Problem. Gerade im Sommer würde es in den Containerunterkünften recht heiß, dann bleiben die Türen offen stehen, erklären die Helfer.

Der Rest ist einmal mehr ein Kommunikationsproblem zwischen Landratsamt und Ehrenamtlichen. "Die Kommunikation ist sehr gestört und schlecht", sagt einer. "Eigentlich sind alle Sprecher der Helferkreise frustriert." Wie Reichelt erklärt, habe man sich mit den Helfern und der Caritas darauf verständigt, sie nach den Kontrollen zu informieren. "Das wurde uns zugesichert", sagt Torghele-Rüf. Sozialarbeiter, so erklärt sie, setzen nicht einfach Vorschriften durch. Sie reden, erklären und erfragen Gründe für Verhaltensweisen. "Das sind ganz verschiedene Ansätze." Über allem steht für die Caritas-Mitarbeiterin die Würde des einzelnen. In diesem Fall, so sagt sie, "bedeutet das, dass man anklopft."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: