Ehrenamtliche Helfer:Die Rentnerband aus Vierkirchen

30 pensionierte Männer, fast alle älter als 70, bringen jedes Jahr das Naturbad in Schuss.

Von Benjamin Emonts, Vierkirchen

Harald Dirlenbach hebt sich am sonnigen Donnerstagvormittag deutlich von der Gruppe ab. Der Vierkirchner Bürgermeister (SPD) trägt braunes, kurzes Haar, einen Trachtenjanker und eine Sonnenbrille. Die anderen hingegen sind bereits grau oder zumindest grau meliert. Anstatt Sakko tragen sie Blaumänner und Schaufeln in der Hand. Sie schuften. Bürgermeister Dirlenbach wird ihnen später als Dank eine Brotzeit spendieren. Vorher aber sagt er: "Die Rentnergang hat eine immense Bedeutung für unsere Gemeinde. Ihren Einsatz in Geld aufzuwiegen, das wäre Wahnsinn."

Tatsächlich kann sich die wohlhabende Gemeinde Vierkirchen überaus glücklich schätzen, so eine Rentnergang oder - wie andere sagen - Rentnerband zu haben. An diesem Vormittag bringen die Senioren wie jedes Jahr das Vierkirchner Naturbad in Schuss, damit die Badesaison pünktlich Mitte Mai beginnen kann. Aus dem großen Becken, in dem sich normalerweise mehr als 8000 Kubikmeter Wasser befinden, entfernen die Rentner mit Wasserschläuchen, Dampfreinigern und Besen die grünen Anhaftungen, die sich über den Winter gebildet haben. Bürgermeister Dirlenbach schätzt, dass die Arbeiten einen mittleren fünfstelligen Betrag kosten würden, wenn die Gemeinde eine Firma engagieren müsste. Die 20 Rentner aber erledigen die mühsame Arbeit an zwei Vormittagen. Ihr Lohn: ein paar Scheiben Leberkäse, Kartoffelsalat und kühles Weißbier.

Die Vierkirchner Rentnerband besteht aus etwa 30 Rentnern, die fast alle älter als 70 sind. Die Gruppe ist locker und unhierarchisch organisiert. Gebildet hat sie sich zu Beginn des Jahrtausends, als die Gemeinde Vierkirchen ein eigenes Naturfreibad plante. Altbürgermeister Heinz Eichinger (SPD), der damals noch regierte, bat um ehrenamtliche Unterstützung, um das Projekt möglichst flott und kostengünstig realisieren zu können. Seinem Aufruf folgten allen voran Rentner aus der Gemeinde, die sich meist schon aus den Vereinen des Dorfes kannten. Fortan war auf die Senioren immer Verlass. Altbürgermeister Heinz Eichinger taufte den zuverlässigen Helferkreis liebevoll auf den Namen: "Rentnerband".

Alle drei Wochen fischen die Rentner die Algen aus dem Becken

Ihre Hauptaufgabe ist seit jeher die Instandhaltung des Naturbades, das im Juni 2004 dank unzähliger Arbeitsstunden der Rentner eröffnet wurde. Valentin Großmann betreibt heute den Kiosk an dem kleinen Badesee. Andere, übrigens auch Frauen, setzen sich an die Kasse. Aus dem Regenerationsbecken, in dem das Badewasser voll biologisch gereinigt wird, fischen die Rentner alle drei Wochen die Algen, was die Gemeinde nach Dirlenbachs Schätzung jedes Mal rund 1000 Euro kosten würde. Im Gegenzug erhalten die Rentner freien Eintritt zu dem Naturbad. Die meisten von ihnen sind in den Morgenstunden oder am Abend dort anzutreffen, wenn der große Trubel mit den Schulkindern und Eltern vorüber ist.

Im Dorf sind sich alle darüber einig, dass die Rentnerband einen entscheidenden Anteil an der hohen Lebensqualität in der Gemeinde hat. Die Senioren stammen aus sämtlichen Handwerksberufen und packen immer wieder dort an, wo sie angefragt oder um Rat gebeten werden. Im Naturbad halfen sie beispielsweise, ein Kinderbecken, einen Beach-Volleyballplatz oder ein Piratenschiff zu bauen. In der Ortschaft unterstützten sie den Bau eines Fledermausturmes oder wirkten an der Erneuerung des Schulpausenhofes mit. "Was unsere Rentnerband in die Hand nimmt, wird zum Selbstläufer", sagt Bürgermeister Dirlenbach. Ein solches Engagement, so ergänzt sein Vorgänger Heinz Eichinger, "ist in dieser Form und Beständigkeit einmalig im Landkreis Dachau". Doch woher kommt diese Bereitschaft und dieser besondere Zusammenhalt, über den in Vierkirchen immer alle sprechen und der tatsächlich auch spürbar ist? Altbürgermeister Eichinger, noch ein junges Pflänzchen in der Rentnerband, sagt: "Wir würden das nicht machen, wenn die Gemeinde nicht so super arbeiten würde." Die konstruktive Zusammenarbeit, die positive Streitkultur, das Hinwegsehen über Parteigrenzen im Gemeinderat sieht Eichinger als "Erfolgsschlüssel" für ein gutes Miteinander. "Wenn man das jahrzehntelang so macht, dann engagieren sich die Leute auch", glaubt er.

Vorzeigeprojekt Naturbad

Das Vierkirchner Naturbad wurde am 25. Juni 2004 eröffnet. Da die Gemeinde keine Stellplätze für Fahrzeuge an dem Schwimmbad einrichten wollte, zogen sich die Verhandlungen mit dem Dachauer Landratsamt über Monate hin. Das Areal rund um das Schwimmbad ist eine autofreie Zone und kann nur mit dem Rad oder zu Fuß erreicht werden. Geplant wurde das Naturbad von dem Bergkirchener Architekten Rainer Grafinger, der Naturbäder auf der ganzen Welt verwirklicht hat; es war auch Vorzeigeprojekt für die Bundesgartenschau im Jahr 2005 in der Region München, an der sich Vierkirchen als Partnergemeinde beteiligt hat. Errichtet wurde das Naturbad anstelle der ehemaligen Kläranlage neben dem heutigen Bauhof. Verwendet wurden naturverträgliche Baumaterialien wie Holz, einheimische Steine und Kies.

Das Badewasser wird biologisch gereinigt in dem separat angelegten Regenerationsteich mit etwa 1500 Quadratmetern Größe. Hier werden die Verunreinigungen auf rein biologischem Weg in mineralische Salze umgewandelt. Zahlreiche Wasserpflanzen im Regenerationsteich, wie Schilf und Seerosen, nutzen diese Nährstoffe. Das 2500 Quadratmeter große Schwimmbecken und das Kinderbecken werden mit Grundwasser aus einem neu errichteten Brunnen befüllt; auf Chemikalien wird gänzlich verzichtet. Um das Becken herum wurden mehrere Stege und ein Sprungfelsen angelegt. Eine Minigolf-Anlage, ein Skaterpark und ein Basketballplatz grenzen an das Naturbad an. Eröffnet wird das Bad wieder am Samstag, 13. Mai. Der Tagespreis für Erwachsene beträgt drei Euro, für Kinder zwei. emo

Hört man in die Rentnerband hinein, bestätigt sich diese Sichtweise. Der Vierkirchner Kurt Denk sagt: "Die Gemeinde hat für uns auch viel getan. Als Rentner habe ich jetzt die Gelegenheit, etwas Retour zu geben." Günter Novszki, der einzige Auswärtige aus Weichs, sagt: "Es ist einfach eine tolle Gesellschaft hier. Für mich ist das eine Herzensangelegenheit." Unklarheiten gibt es einzig noch über den Namen der Rentnerband. Bürgermeister Dirlenbach bezeichnet sie seit seinem Amtsantritt öffentlich als Rentnergang. Doch das kommt offensichtlich nicht gut an. "Rentnergang klingt viel zu kriminell", sagt Schützenvorstand Hans Nefzger und lacht.

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