Diskussion über neue Flüchtlingsunterkunft:Der Ton wird rauer

Diskussion über neue Flüchtlingsunterkunft: Die Faschingsdekoration schmückt den Stockmann-Saal, fröhlich ist die Stimmung unter den Zuhörern aber nicht.

Die Faschingsdekoration schmückt den Stockmann-Saal, fröhlich ist die Stimmung unter den Zuhörern aber nicht.

(Foto: Toni Heigl)

Etwa 600 Bürger besuchen die Informationsveranstaltung zur neu geplanten Flüchtlingsunterkunft in Dachau. Die Stimmung ist aufgeladen. Viele sind für Fakten und sachliche Argumente gar nicht mehr zugänglich.

Von Viktoria Großmann und Anna-Sophia Lang, Dachau

Die Zeiten, in denen sich zu einer Informationsveranstaltung über eine Flüchtlingsunterkunft ein paar Leute gesittet an langen Tischen im Gasthaus Drei Rosen einfinden und ästhetische Bedenken gegen Container äußern, sind vorbei. Vor der Veranstaltung zur geplanten Unterkunft für 120 Flüchtlinge am Himmelreichweg wurden anonyme Flugblätter an die Nachbarn verteilt, die Flüchtlinge pauschal kriminalisieren, und eine Petition gegen die Unterkunft gestartet. Fast 600 Menschen drängen sich am Donnerstagabend im für den Fasching geschmückten Stockmann-Saal, stehen an den Seiten und in den Eingängen. Von Anfang an gibt es Zwischenrufe, es wird gebuht, es wird geraunt, mal applaudiert die eine, mal eine andere Gruppe.

Egal wo, es wird immer Nachbarn geben, denen es nicht gefällt

Landrat Stefan Löwl (CSU) und Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD), die zu der Veranstaltung eingeladen haben, referieren Fakten und Statistiken. Sie erklären, erläutern, suchen Verständnis. Unterstützt werden sie von Polizist Björn Scheid, von Marion Benzait von der Caritas und Waltraud Wolfsmüller vom Arbeitskreis Asyl. Wer in die Container einziehen wird? Menschen aus Syrien wahrscheinlich, aus Pakistan, Afghanistan, Senegal und Eritrea. Für Menschen aus Nordafrika ist Bayern nicht zuständig, sagt Löwl. Wie die Container aussehen werden? So, wie die Schulcontainer am Effner-Gymnasium. Kann man seine Kinder noch draußen spielen lassen? Ja, sagt Löwl. Aber wenn es dunkel wird, holt er seine Kinder ins Haus, egal, wer in der Nachbarschaft wohnt. Es sei schwierig, sagt Oberbürgermeister Hartmann, von Privatleuten Grundstücke zu bekommen. Das Grundstück am Himmelreichweg gehört der Stadt. Warum ausgerechnet hier? Hartmann und Löwl lassen sich von der oft wiederholten Frage nicht aus der Ruhe bringen. Egal wo, sagt Hartmann, es wird immer Nachbarn geben, denen das nicht gefällt. An jedem Stadtrand gibt es in der Nähe ein Erholungsgebiet, sagt Löwl. Trotzdem fällt auf, dass es in Augustenfeld bisher keine lauten Proteste gibt. Auch das Zusammenleben mit den Flüchtlingen auf dem MD-Parkplatz geht leise und unauffällig vonstatten.

Diskussion über neue Flüchtlingsunterkunft: Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD, links) versucht gemeinsam mit Landrat Stefan Löwl (CSU), Sorgen der Bürger zu entkräften.

Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD, links) versucht gemeinsam mit Landrat Stefan Löwl (CSU), Sorgen der Bürger zu entkräften.

(Foto: Toni Heigl)

Mit Sachlichkeit und Fakten ist nicht mehr jeder zu erreichen

Doch mit Sachlichkeit und Fakten ist nicht mehr jeder zu erreichen. Mehrere Bürger äußern mit deutlichen Worten ihre Ablehnung gegenüber der am Himmelreichweg geplanten Containeranlage, die im März bezogen werden soll, gegenüber Flüchtlingen im Allgemeinen und der Informationspolitik von Stadt und Landkreis. Andere Stimmen fordern zu Gelassenheit, Menschlichkeit und konstruktiver Mitarbeit im Umgang mit Flüchtlingen auf. So fragen mehrere Redner nach einem Sicherheitskonzept für die Unterkunft. Eine Frau äußert Bedenken wegen ihrer Tochter, die täglich mit dem Fahrrad im Bereich Himmelreichweg unterwegs ist. Auch andere Bürger geben sich besorgt um die Sicherheit ihrer Kinder, vor allem ihrer Töchter. Verschiedene Anwohner kritisieren die Wahl des Standorts wegen des nahe gelegenen Stadtweihers und des Naherholungsgebiets. Frauen würden sich nicht mehr trauen, alleine joggen zu gehen. Auch die Nähe zum landkreiseigenen Heim für alleinerziehende Mütter empfinden einige als ungünstig.

Einige der Zuhörer zweifeln die Statistik der Polizei an

"Von derzeit 1944 Asylsuchenden im Landkreis machen 20 Probleme", sagt Löwl. Die meisten davon innerhalb ihrer Unterkunft, sodass im Wesentlichen andere Flüchtlinge davon betroffen sind. Polizist Björn Scheid sagt: "Wir haben einen Diebstahl und einen Schwarzfahrer." Sexuelle Übergriffe auf Frauen durch Flüchtlinge seien der Polizei bisher keine bekannt. Doch einige der Zuhörer, zweifeln die Statistik der Polizei an, fühlen sich schlecht oder zu spät informiert und fordern mehr Mitspracherecht. "Wir kennen keine Toleranz bei Vergehen", sagt Löwl. "Wir verschweigen Ihnen nichts."

Hartmann teilt seine Gedanken und Ansätze zur Integration der Flüchtlinge mit. Er versuche, ein Zehn-Punkte-Programm zu entwickeln, dass die wichtigsten Grundsätze für das Zusammenleben vermittle. Die Stadt strebe an, anerkannte Asylbewerber anzuwerben, damit sie helfen, neuen Flüchtlingen, das hiesige Leben zu erklären. Ein starker Partner sei die Dachauer VHS, zudem wolle die Stadt stärker mit den Sportvereinen zusammen arbeiten. "Es gibt keine Alternative zur Integration", sagt Waltraud Wolfsmüller und appelliert, Kontakt mit Flüchtlingen aufzunehmen. "Kommen Sie zu uns, wir können Ihnen Ihre Ängste nehmen." Eine Bürgerin fordert, Flüchtlinge nicht zu kriminalisieren und distanziert sich von den Flugblättern. Ein älterer Mann bittet seine Mitbürger, auf die Flüchtlinge zuzugehen: "Sie machen den Feind, wenn Sie ihnen als Feind begegnen."

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