Dachau/Sátoraljaújhely:Aus dem ungarischen Knast ins deutsche KZ

Dachau/Sátoraljaújhely: Gefängnisdirektor Tamás Rózsahegyi (li.) und György Frisch enthüllen eine Tafel zur Erinnerung an den Gefängnisaufstand in Sátoraljaújhely von 1944.

Gefängnisdirektor Tamás Rózsahegyi (li.) und György Frisch enthüllen eine Tafel zur Erinnerung an den Gefängnisaufstand in Sátoraljaújhely von 1944.

(Foto: Toni Heigl)

Eine Tafel in der KZ-Gedenkstätte erinnert an 423 politische Häftlinge, die nach Dachau deportiert worden sind

Auch Gefängnisse können Gedenkorte sein. Im Gefängnis der ungarischen Kleinstadt Sátoraljaújhely, gelegen im Osten des Landes nahe der slowakischen Grenze, wird seit Jahrzehnten die Erinnerung an 423 politische Gefangene gepflegt, die im Jahr 1944 einen gemeinsamen Aufstand wagten. Das Ziel der 371 Männer und 52 Frauen war die nahe Slowakei. Dort wollten sie sich den Partisanen anschließen und gemeinsam mit der sowjetischen Roten Armee gegen die deutschen Nationalsozialisten kämpfen. Im August 1944 erhoben sich Teile der slowakischen Armee gegen die deutsche Wehrmacht und das slowakische Kollaborationsregime unter dem katholischen Priester Jozef Tiso.

Doch die politischen Häftlinge aus Sátoraljaújhely konnten sich dem Slowakischen Nationalaufstand nicht anschließen. Trotz ihrer Überzahl wurde der Aufstand blutig beendet. Wächter und Gendarmen erschossen 48 Menschen auf der Flucht, elf Gefangene wurden erhängt. Die anderen wurden zunächst in Ungarn festgehalten und später ins Konzentrationslager Dachau deportiert.

Seit dieser Woche erinnert in der KZ-Gedenkstätte Dachau eine Erinnerungstafel an die Häftlinge aus Sátoraljaújhely. Zu der Veranstaltung war der Direktor des Gefängnisses, Tamás Rózsahegyi, nach Dachau gekommen. Er ist zugleich verantwortlich für ein Museum, das in dem Gefängnisgebäude von 1906 untergebracht ist. Es erinnert nicht nur an die mutigen Widerstandskämpfer, sondern ist auch Ort für Wechselausstellungen - zur Zeit zeigt die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) eine Ausstellung über den Widerstand im Zweiten Weltkrieg. Die ganze Stadt gedenkt in jedem Jahr am 22. März der 423 Aufständischen. Am 22. März 1944 hatten sie nachmittags gegen 16 Uhr die Wachmänner überwältigt. Mit ihren Schlüsseln sperrten sie die Türen auf und flohen in die Berge der Karpaten, um auf die slowakische Seite zu gelangen.

Die Flucht geschah übereilt. Eigentlich hatten die Häftlinge erst im Sommer fliehen wollen, wenn die Wälder einen besseren Schutz bieten. Doch am 21. März 1944 besetzte die deutsche Wehrmacht das Land - die Flucht musste nun sofort geschehen. Nach dem Ausbruch kamen die Häftlinge nicht weit, sie wurden verfolgt, viele entdeckt - bis zum 5. April hatte man alle Geflohenen festgenommen oder getötet. Die Überlebenden wurden unter erschwerten Haftbedingungen im nordungarischen Komárom in Festungshaft genommen. Im November brachte man sie nach Budapest, von wo aus die Nationalsozialisten sie ins Konzentrationslager Dachau deportierten, wo sie am 14. November 1944 ankamen.

Zur Enthüllung der Gedenktafel in der KZ-Gedenkstätte Dachau kam auch György Frisch, Direktor des Ungarischen Verbandes der Opfer des Nationalsozialismus (NÜB), und Pavel Katic Subnor, einer der wenigen Teilnehmer des Aufstands, die überlebt haben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: