Dachau/München:"Er ist eigentlich ein feiner Kerl"

Erst fühlte er sich von den Amerikanern verfolgt, dann von seinen Nachbarn. Das Gericht weist einen 51-jährigen Dachauer, der monatelang seine Nachbarn bedrohte und schikanierte, in die Psychiatrie ein.

Von Christian Rost, Dachau/München

Ein 51-jähriger Dachauer, der über Monate hinweg seine Nachbarn terrorisiert hat, ist vom Landgericht München II zwangsweise in die Psychiatrie eingewiesen worden. Der an einer paranoiden Schizophrenie leidende Helmut W. hatte einem Nachbarn Urin in eine Mineralwasserflasche geschüttet und einer anderen Mitbewohnerin des Mehrfamilienhauses ein pornografisches Foto an die Tür geheftet. Darüber hinaus beleidigte er seine Nachbarn, bedrohte sie mit dem Tod und griff sie auch tätlich an. Und er ließ Luft aus deren Autoreifen.

Berna Behmoaram, die Anwältin des Beschuldigten, bezeichnete die Taten als "pumuckelhafte Sachen", was die als Nebenkläger auftretenden Nachbarn allerdings nicht komisch fanden. Er hatte sie ins Visier genommen, als Osama bin Laden getötet wurde. In seinem Verfolgungswahn glaubte der Mann zunächst, "die Amerikaner" hätten es nach den Anschlägen vom 11. September 2001 auf ihn abgesehen. Er bildete sich ein, dass sie ihn für die Anschläge verantwortlich machten und brachte an seiner Tür ein Schild mit der Aufschrift "Osama im Laden" an. Nach dem Tod bin Ladens musste der Dachauer erkennen, dass er doch nicht interessant war für die USA. Und dann manifestierte sich bei ihm die Vorstellung, dass seine Nachbarn seine eigentlichen Feinde seien und alles dafür täten, ihn in einer geschlossenen Einrichtung unterzubringen, wozu es nun auch gekommen ist. Seine Attacken auf die Nachbarn waren ein Rachefeldzug.

Mit seinen Taten - für die der schuldunfähige Mann strafrechtlich nicht verantwortlich gemacht werden konnte und deshalb freigesprochen wurde - hatte er sich nicht nur Feinde gemacht. Einer seiner Nachbarn ist Polizist, und der wusste, wie man den kranken Mitbewohner nehmen musste. "Er ist eigentlich ein feiner Kerl", sagte der Beamte, konnte mit dieser Aussage aber nicht verhindern, dass der Beschuldigte in dem Verfahren letztlich doch als gefährlich für die Allgemeinheit angesehen wurde und nun dauerhaft im Isar-Amper-Klinikum bleiben muss.

W. führte einmal ein völlig normales Leben. Ihm gehörten drei Sportwagen, schon mit Mitte 20 verdiente er viel Geld: 4000 Mark netto im Monat. Dann brach bei ihm die Erkrankung aus, und er musste seinen Beruf aufgeben. Seither saß er meist allein in seiner Wohnung, die er im Jahr 2000 gekauft hatte, und trank ein Weißbier nach dem anderen. "Was hätte ich denn sonst tun sollen?", fragte W. in Richtung der Vorsitzenden Richterin Michaela Welnhofer-Zeitler. Ob er im Isar-Amper-Klinikum nicht besser aufgehoben sei?, fragte die Richterin zurück. "Das ist doch ein Gefängnis", sagte W.

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