Dachau/München:Brutale Bekanntschaft

Mann drischt im Bett auf Rentner ein - jetzt steht er wegen Mordversuchs vor Gericht.

Von Christian Rost

Der Mann mit den schlohweißen Haaren sitzt im Zeugenstuhl des Schwurgerichts und meint: "Das war das erste und das letzte Mal." Nie wieder werde er über eine Internetplattform Kontakt zu anderen Männern suchen, sagt der Rentner. Nach den Erfahrungen, die er am 11. Juli vorigen Jahres bei einem Treffen mit einer Internetbekanntschaft gemacht hat, ist sein Verhalten nur allzu verständlich. Gabor S. schlug damals mit einer vollen Sektflasche und einem Fleischklopfer auf den Kopf des schlafenden 65-Jährigen ein. Wegen versuchten Mordes muss sich der 43-jährige S. seit Dienstag am Landgericht München II verantworten.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem bisexuellen Mann, der mit zwei Frauen zwei Kinder hat, vor, den Kontakt zu dem Dachauer nur gesucht zu haben, um ihn auszurauben. Gabor S. war in einer finanziell desolaten Situation. Nach der Hauptschule hatte er eine Schlosserlehre abgebrochen, er arbeitete in 17 verschiedenen Jobs, ehe er zuletzt "gar nichts mehr" machte und in Germering von Hartz IV lebte. Nebenher ließ er sich von homosexuellen Männern, die er traf, mal 20, mal 30 Euro zustecken.

Den Kontakt zu den Männern suchte er im Internet. Dem Dachauer Rentner hatte er sich als "Markus Fischer" vorgestellt und sich mit ihm zum Kaffee verabredet. Man traf sich am Tattag um die Mittagszeit zunächst vor einer Bäckerei in Dachau und ging dann in die Wohnung des 65-Jährigen. Eine Viertelstunde plauderten die Männer, um sich dann für den Abend zu verabreden. Um 20 Uhr tauchte S. wieder auf. Er trank Bier, der Gastgeber Wein, gegen 22 Uhr zogen sie sich aus und gingen ins Schlafzimmer. Entgegen der Erwartungen passierte dort aber nicht viel. "Ich war müde und bin eingeschlafen", sagt der Angeklagte. Neben ihm schlief das Opfer.

Gegen 1 Uhr bewegte sich der Rentner im Schlaf und traf dabei mit seiner Hand das Gesicht von Gabor S. Der wachte auf, ging in die Küche der Wohnung, nahm aus dem Kühlschrank eine volle Sektflasche in die eine Hand und einen Fleischklopfer aus Holz in die andere. Derart bewaffnet kehrte er ins Schlafzimmer zurück und drosch auf den Kopf des schlafenden Mannes ein. Mindestens fünf Schläge waren es laut rechtsmedizinischem Gutachten. Das Opfer erwachte blutüberströmt, zog sich rasch die Decke zum Schutz über den Kopf und begann sich zu wehren.

Der Fleischklopfer war abgebrochen, die Sektflasche zersplittert, als sich der Kampf der Männer in die Küche verlagerte. Der Angeklagte griff sich dort ein Plastikregal als Waffe, der Rentner schlug mit einem Barhocker zurück. Schließlich rutschten beide in einer Blutlache aus - und beendeten erschöpft den Kampf. Nacheinander suchten sie das Bad auf, um sich das Blut abzuwaschen. Im Spiegelschrank fand S. eine Goldkette des Opfers und steckte sie ein, um sie später in München für 930 Euro zu verkaufen. Auch ein Handy des Rentners nahm er mit. Der Verletzte bemerkte die Diebstähle zunächst nicht und beförderte S. mit den Worten "Hau ab, du Arschloch" aus der Wohnung.

Das Opfer rief selbst einen Notarzt, die Polizei wollte er nicht einschalten. Erst als im Krankenhaus ein Bruch der Stirnhöhlenvorderwand, der Augenhöhle, des Nasenbeins sowie weitere Verletzungen diagnostiziert wurden, ließ er sich von einem Arzt zu einer Anzeige überreden. Gezögert hatte er wohl aus Scham über seinen Leichtsinn, einen Unbekannten bedenkenlos in seine Wohnung einzuladen. An den Folgen der Schläge wird er dauerhaft leiden. Das Sehvermögen eines Auges ist schwer geschädigt, demnächst muss er erneut am Kopf operiert werden.

Der Angeklagte beteuert, er habe nicht vorgehabt, den Mann auszurauben. Er habe sich über den versehentlichen Schlag nachts im Bett aufgeregt. Der Vorsitzende Richter Martin Rieder wundert sich: "Und deshalb schlägt man mit einer Flasche und einem Fleischklopfer zu? S.: "Ich weiß nicht, was da mit mir passiert ist. Ich wollte den Herrn aber nicht töten." Der Prozess wird fortgesetzt.

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