Dachau:Das heitere Antlitz der Kultur

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Heinrich Rauffer hat die Grundlagen für den Ruf Dachaus als Kunststadt nach dem Weltkrieg geschaffen und eine Ära gestartet, die auch mit seinem Tod nicht endet.

Wolfgang Eitler

Der eilige Schritt, der kurze Gruß, das heitere Lächeln auf seinen täglichen Spaziergängen durch die Dachauer Altstadt werden vielen Bürgern fehlen. Gästeführerin Anni Härtl sagte am Montag: "Wir waren mit unseren Gesprächen über Dachau doch noch gar nicht fertig." Heinrich Rauffer, einer der maßgeblichen Kulturpolitiker und Förderer der Kultur, ist am Sonntag, 15. April, überraschend gestorben. Seine Freunde wussten zwar, dass er im Alter von 77 Jahren nicht mehr der gesündeste war, aber eine lebensbedrohliche Krankheit hatte keiner von ihnen vermutet. Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler, der bei Prittlbach lebt, sagte: "Ich habe ihn doch vergangene Woche noch in der Altstadt gesehen." Karin-Renate Oschmann vom Förderverein Wasserturm ringt um Fassung: "Ich habe das Gefühl, ich bin ihm doch erst gestern noch in der Altstadt begegnet." Eiligen Schritts, mit wehenden weißen Haaren.

Heinrich Rauffer an seinem 75. Geburtstag. Der überraschende Tod des Kulturpolitikers löste unter Künstlern und Kommunalpolitikern in Dachau große Bestürzung aus. (Foto: DAH)

Durch den frühzeitigen Tod von Heinrich Rauffer hat Dachau einen wesentlichen Teil seines Gedächtnisses verloren. Wenn jemand etwas wissen wollte über die Altstadt, über die Gebäude oder die Menschen, dann hieß es: "Ich geh' schnell in meinen kalten Dachstuhl hinauf." Von dort kam Heinrich Rauffer mit aufschlussreichen Informationen zurück. Die trug er in seinem weichen altbairischen Ton vor, der zu seiner Klassik-Leidenschaft passte. Er hatte die Reihe der Schloss- und Meisterkonzerte aufgebaut. Wegen seiner Kontakte zu namhaften Musikern seiner Zeit gelangen ihm herausragende Konzerte im Schloss.

Um Rauffers Engagement für Dachau zu würdigen, muss man weit ausholen. Als er 1934 in eine alteingesessene Dachauer Familie geboren wurde, zeigte die so genannte Machtergreifung Hitlers erste Folgen. Aber der Vater, in der Bayerischen Volkspartei engagiert, schwärmte noch so sehr für den abgelösten Reichskanzler Heinrich Brüning, dass er seinen Sohn nach dessen Vornamen taufte. Vielleicht war es das unrühmliche Ende seiner Partei, das den Vater veranlasste, seinen Sohn zu mahnen: "Geh' nie in die Politik!" Heinrich Rauffer schlug aber die Mahnung seines Vaters in den Wind und wurde 1966 Mitglied der CSU.

Zunächst aber wurde bei den Benediktinern in Schäftlarn der Grundstein für eine humanistische Bildung gelegt. Ein entsprechendes Studium war ihm versagt, da er das elterliche Textilgeschäft "Herrenmoden Rauffer" weiterführen sollte. Privat arbeitete er aber an seiner Bildung weiter und entwickelte dabei eine starke Indien-Begeisterung. Bis zuletzt pflegte er enge Kontakte in diesen Erdteil. Rauffer verfügt über jesuitisches und altindisches Gedankengut, über Wissen aus Literatur, Musik, Theologie, Architektur und Kunstgeschichte. Von 1966 bis zu seinem Ausscheiden aus dem Stadtrat kümmerte er sich als Kulturreferat auch um den Denkmalschutz und baute die repräsentative Reihe der Schlosskonzerte auf. Man darf von einer "Ära Rauffer" reden, in welche die wesentlichen Umbrüche Dachaus auch im Verhältnis zur Zeitgeschichte fielen.

Heinrich Rauffer personifizierte sie geradezu. Er gehörte zum Kreis des in Dachau umstrittenen Dominikanerpaters und ehemaligen KZ-Häftlings Leonhard Roth, der sich nach dem Krieg vergeblich und vorbehaltlos leidenschaftlich für den Aufbau einer Gedenkstätte eingesetzt hatte. Auf seine Initiative geht die "Pater-Roth-Straße" in Dachau zurück. Auf der anderen Seite war Rauffer dem damaligen Bürgertum eng verpflichtet, was sich wiederum in seiner Verteidigung des unter Nazi-Verdacht stehenden Pfarrers Pfanzelt niederschlug; sogar auf einer Podiumsdiskussion gegen den damals amtierenden Oberbürgermeister Lorenz Reitmeier. Gemeinsam mit Bruno Schachtner, einem seiner Nachfolger als Dachauer Kulturreferent, setzte er wiederum den Erwerb einer Plastik des israelischen Künstlers Abraham Borenstein durch. Mit Heiterkeit und Selbstironie setzte er sich über Fragen hinweg, die ihn unter den Verdacht einer inneren Zerrissenheit stellten. Sehr wichtig war ihm die Kirche Sankt Jakob in der Altstadt als ein wirkliches geistiges Zentrum, für die er sich als Mitglied der Kirchenverwaltung und als Kirchenpfleger energisch einsetzte.

In einem ersten kurzen Nachruf würdigt Oberbürgermeister Peter Bürgel Heinrich Rauffer, der 1998 den Goldenen Ehrenring verliehen bekam, als Politiker, "der sich um das öffentliche Wohl der Stadt Dachau in großem Maße verdient gemacht" habe. Heinrich Rauffer war nicht 30 Jahre lang bis 1996 Kommunalpolitiker geblieben, weil er an Renommee und Posten hing. Er war in die Politik gegangen, weil er sich für die Kultur engagieren wollte.

Seine Distanz zur Politik zeigte er ironisch lächelnd Ende vergangenen Jahres beim Weihnachtsempfang der CSU, der jedes Jahr stattfindet, um verdiente und langjährige Mitglieder zu ehren. Im kurzen Gespräch am Rande des Ehrenabends sagte er, dass er selbst erstaunt sei, bereits 55 Jahre dieser Partei anzugehören. Mit einem Augenzwinkern fügte er hinzu: "Heute morgen habe ich mich beim Lesen der Einladung dann doch entschieden hinzugehen."

Als Heinrich Rauffer 1997 seine Konzertreihe offiziell abgab, begann die Zeit der Experimente. Sie mündete in einem Rückzug der Zuhörer und des Stammpublikums. Der städtische Kulturamtsleiter Tobias Schneider besann sich auf den Erfolg des früheren kammermusikalischen Konzepts. Insofern darf man sagen, dass die "Ära Rauffer" in Dachau noch lange nicht zu Ende ist.

© SZ vom 17.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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