Mit schwerem Gepäck:Dachauer Künstlerinnen stellen in Indien aus

Karin Schuff und Monika Siebmanns reisen für zehn Tage nach Kalkutta. Sie werden dort unterrichten und ihre Werke zeigen.

Von Christiane Bracht, Dachau

Die Vorfreude ist groß. Karin Schuff und Monika Siebmanns strahlen über das ganze Gesicht. Sie dürfen nach Kalkutta. Zehn Tage lang werden die beiden Dachauer Künstlerinnen dort an Workshops und Vorträgen teilnehmen, in den hellen Ateliers des neuen Kunstzentrums nahe Kalkutta arbeiten, sich mit Kollegen aus Indien und anderen Ländern austauschen und selbst einen Workshop für Studenten und Interessierte geben. Schuff hält auch einen Vortrag über den "Formalismus in der abstrakten Kunst". "Es ist eine große Chance, etwas anderes kennen zu lernen", schwärmt Schuff. Und Siebmanns ergänzt: "Es ist ein großes Überraschungspaket." Neugier und vor allem Offenheit ist wohl gefragt bei dem Projekt, denn so ganz genau wissen die beiden noch nicht, was auf sie wartet. Die Antwort auf all ihre Fragen ist "no problem".

"Wir haben das Thema 'Body and space' für unseren Workshop vorgeschlagen, also der menschliche Körper im Raum", erzählt die ehemalige Vorsitzende der Dachauer Künstlervereinigung KVD, Monika Siebmanns. Als Malerin wollte sich Schuff um den zweidimensionalen Part kümmern, während Siebmanns als Bildhauerin die Teilnehmer bei der dreidimensionalen Darstellungsweise beraten kann. "Eigentlich sollte ein Aktmodell bearbeitet werden." Einziges Problem: In Kalkutta darf man nicht mit nackten Modellen arbeiten. "Das wird spannend." Eine Lösung gibt's noch nicht - nur Schulterzucken und vielsagendes Grinsen. Aber die beiden nehmen's leicht, sie waren vor vier Jahren schon einmal gemeinsam in Indien, um dort zu arbeiten. Sie kennen die "No-Problem-Mentalität" der Inder und sind zuversichtlich.

Damals waren sie hellauf begeistert von dem Land, in dem so viele Gegensätze vereint sind. "Es ist ein faszinierendes Land", sagt Siebmanns. "Diese Armut, wo Kuh, Kinder und die ganze Familie auf einer Verkehrsinsel wohnen und daneben diese Prachtbauten." Schuff hat vor allem beeindruckt, wie froh die Kinder sind, dass sie etwas lernen dürfen. "Wenn sie auf einen zukommen, sagen sie als erstes: Ich heiße so und so und gehe auf die und die Schule - ganz stolz." Und dann hat sie ein junges Mädchen beobachtet, eine Studentin, die in ihren Ferien freiwillig die Nachbarskinder unterrichtet hat. Sie saßen auf einem Lehmboden und hatteneinen Computer mit Internetanschluss vor sich, sowie einige Bücher. "Dieser Kontrast", staunt Schuff noch immer. "Und dieser Gemeinsinn, dass das junge Mädchen den kleineren Kindern auch Bildung ermöglicht und ein Fortkommen in ein besseres Leben."

Inspirierende Farbenpracht

Der Aufenthalt im indischen Kerala, wo die beiden Dachauerinnen damals auf Einladung des ungarischen Kulturattachés arbeiteten, ist nicht spurlos an ihrer Kunst vorüber gegangen. Die reiche Farbenpracht hat die beiden inspiriert und Farben auf ihre Paletten und an ihre Skulpturen gezaubert, die sie vorher nicht in ihrem Spektrum hatten. Schuff, die immer in dunklen Tönen, vornehmlich in schwarz, blau und weiß malte, griff plötzlich zu rot, orange und gelb. Und Siebmanns, die hauptsächlich mit Ton, Metall, Eisen und Rost arbeitete, entdeckte unter der heißen indischen Sonne die Pigmente verschiedener Currys für sich, sowie die dortigen Tropenhölzer, Erbsen, Linsen und auch kleine Messingplättchen, welche die Hindus wohl eher zu religiösen Zwecken nutzen. "Man kann sich dort einfach nicht gegen die Farbenpracht wehren", gesteht Schuff. Siebmanns stellt aber auch gleich klar: "Das was dort faszinierend war, funktioniert für mich hier nicht." Wie die Inspiration in Kalkutta aussehen wird, bleibt abzuwarten. Aber man darf gespannt sein. Anfang November gehen ihre Flüge.

Anders als damals in Kerala werden die beiden diesmal nicht zwischen Reisfeldern und Kühen unter einem Bananenblätterdach, aus dem ab und zu Raupen herunterpurzeln, arbeiten müssen, sondern in einem hoch modernen, neu sanierten Kunstzentrum nahe Kalkutta. "Es gibt dort Tonwerkstätten, riesige helle Ateliers, alles ist hochprofessionell ausgestattet, sogar ein Werkstattleiter ist dort, der alles bringt, was man braucht." Schuff kommt gar nicht mehr aus dem Schwärmen heraus. "Stellen Sie sich vor, daneben ist auch ein Museum und ein Laden für Künstlerbedarf, sogar ein Restaurant fehlt nicht." Für die beiden Dachauerinnen sind das Verhältnisse wie im Schlaraffenland. "Träume werden wahr" - zumindest für zehn Tage. Vor 20 Jahren war auch Günter Grass dort, um zu zeichnen, erzählt die Malerin.

Das bayerische Kultusministerium, das auswärtige Amt und die Stadt Dachau unterstützen die beiden finanziell. Die indisch-deutsche Zusammenarbeit auf kultureller Ebene soll gefördert werden. Die Stadt protegiert indes zeitgenössische Künstler, die im Ausland ausstellen. Und das werden Schuff und Siebmanns. Sie überlegen bereits fieberhaft, welche Werke sie mitnehmen. Vor allem die Bildhauerin tut sich schwer bei der Auswahl, denn Eisen und Ton wiegt viel, mehr als die Fluggesellschaften im Gepäck erlauben. "Es ist schon enorm, was die Stadt für uns Künstler tut", sagen sie anerkennend. In den vergangenen 20 Jahren habe sich das sehr zum Positiven entwickelt, andere Städte seien da weniger großzügig.

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