Dachau:Zurück in ein selbstbestimmtes Leben

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Eine Mutter erlebt mit ihrem alkoholkranken Mann die Hölle. Nach der Trennung versucht sie, wieder Fuß zu fassen

In der Familie von Hedwig Spät (alle Namen geändert) war immer alles in schönster Ordnung. Zwei gesunde Kinder, nette Wohnung, auch finanziell kam man über die Runden. Nur wer hinter die Fassade schaute, bekam ein anderes Bild: "Es war wirklich schlimm, die Hölle", sagt die 48-jährige Mutter. Der schwer alkoholkranke Ehemann drangsalierte Hedwig Spät, Beleidigungen, Wutanfälle und Erniedrigungen waren an der Tagesordnung. Auch sein Kontrollzwang setzen der Frau zu. "Wenn ich kurz für eine Viertelstunde beim Einkaufen im Supermarkt war, hatte ich mindestens vier Anrufe." Lange hat sie diesen Terror erduldet.

"Immer habe ich mir eine perfekte Familie gewünscht - aber doch nicht so." Nach vielen vergeblichen Anläufen schaffte Hedwig Spät endlich die Trennung. Das war vor vier Jahren. Aber noch immer kämpft sie damit, endlich wieder richtig auf die Beine zu kommen.

Die Alkoholsucht bestimmt das Leben von Hedwig Spät, obwohl sie selbst kaum je ein Tropfen anrührt: Schon der Vater war alkoholkrank. "Furchtbar, wenn er wieder mit einer Fahne nach Hause kam." Das Bild des betrunkenen Elternteils prägt ihre Kindheitserinnerungen. Später griff auch der Bruder zur Flasche. Kaum hatte sie sich ein eigenes Leben, eine kleine Familie aufgebaut, musste sie den nächsten Schlag verarbeiten: Ihr Lebenspartner nahm sich das Leben, als Sohn Robert im Grundschulalter war. Umso glücklicher war die alleinerziehende Mutter, als sie ihren zweiten Mann kennenlernte. Ein zweiter Sohn wurde geboren, endlich eine richtige Familie. "Ich wünschte mir, dass es wirklich klappt." Dass ihr Mann alkoholkrank war, wollte sie zunächst lange nicht wahrhaben. Doch die Situation eskalierte zusehends. "Ich habe geschaut, dass alles funktioniert, dass nach außen die Fassade aufrechterhalten wird." Trennungsversuche scheiterten. Erst als sie beim Jugendamt ganz konkrete praktische Unterstützung erhielt, gelang ihr der Schnitt. Doch statt einer Befreiung erlebte die alleinerziehende Mutter eine schwere Krise. Sie verspürte keine Erleichterung, sondern Düsternis. "Ich fiel in ein depressives Loch, alles war grau, ich konnte mich zu nichts aufraffen."

Langsam schaffte sie den Weg zurück in ein selbstbestimmtes Leben. Nun möchte sie anpacken, den Neustart auch sichtbar machen. Vor allem aus ihrer Wohnung, in der sie nach der Trennung mit den beiden Söhnen weiter lebt, möchte sie die alten Erinnerungen tilgen. "Denn eigentlich war dies nie mein Zuhause. Hier habe ich mich nie wirklich wohlgefühlt." Um einen Abschluss zu finden, will Hedwig Spät die Wände streichen, ein paar marode Möbel rauswerfen. Auch der Herd funktioniert nicht, die Küchenschränke fallen auseinander. Weil die alleinerziehende Mutter gerade ihren Job verloren hat, sind ihre finanziellen Möglichkeiten begrenzt. Der SZ-Adventskalender möchte der Frau beim Neustart helfen.

© SZ vom 02.12.2016 / pes - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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