Dachau:Winterklänge

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Scott DuBois, Thomas Morgan, Gebhard Ullmann (von links) sowie Kresten Osgood am Schlagzeug gehören zum Ensemble. (Foto: Toni Heigl)

Das "Scott DuBois Quartet" erforscht in der Kulturschranne musikalisch Eindrücke der kalten Jahreszeit

Von Andreas Pernpeintner, Dachau

Das Konzert des "Scott DuBois Quartet" beim Jazz e.V. in der Kulturschranne ist der maximale Kontrast zum vorigen Konzert der Reihe. Vorvergangene Woche gab es von "Biboul Darouiche's Soleil Bantu" einen süffigen Afrobeat-Retro-Funk aus regionaler Herstellung (Bandleader Biboul Darouiche lebt in Gröbenzell). Das war gut, lustig und absolut untypisch für ein Konzert des Dachauer Jazz e.V.

Diesmal kehrt mit dem "Scott DuBois Quartet" die Kunstmusik nach Dachau zurück. Erst kürzlich wurde die aktuelle CD des Ensembles, "Winter Light", auf BR-Klassik vorgestellt. Diese CD stellen die Musiker (Scott DuBois an der Gitarre, Gebhard Ullmann am Tenorsaxophon und an der Bassklarinette, Thomas Morgan am Kontrabass und Kresten Osgood am Schlagzeug) auch in der Kulturschranne ins Zentrum ihrer Darbietung. Es ist eine Platte, die man als Konzeptalbum bezeichnen könnte - wobei man Musikern solcher Klasse ohnehin immer ein Konzept für ihr Tun unterstellen darf. Verschiedene Eindrücke, die ein Wintertag in seinem Verlauf vermitteln kann, werden auf dieser Platte in weitgespannten Kompositionen atmosphärisch erforscht und in Musik übersetzt. "First Light Tundra", "Early Morning Forest", "Late Morning Snow", "Noon White Mountain", "Afternoon Ice Fog", "Evening Blizzard" und "Night Tundra" heißen die Titel.

Das hört sich etwas verkopft an. Und das ist auch verkopft, wenn verkopft schlicht und einfach bedeutet, dass die Musik von Scott DuBois herrlich feinsinnig ersonnen, exakt auskomponiert und auf geradezu impressionistische Weise punktgenau daraufhin optimiert ist, mit farbigen Harmonien, Melodien und (meist sanften) rhythmischen Impulsen konkrete Winterstimmungen zu schildern und nicht zuletzt die Emotion des Komponisten gegenüber diesen Stimmungen einzufangen.

Scott DuBois scheint eine recht positive Einstellung zum Winter zu haben. Natürlich hat ein nachmittäglicher Eisnebel auch für ihn ganz offensichtlich seine klammen, geheimnisvoll düsteren Momente, natürlich ist ein abendlicher Schneesturm keine sanfte Brise. Dennoch fällt auf, wie häufig DuBois' Musik friedliche, innig versonnene, freundliche Töne anschlägt - ja, die klangliche Eleganz sucht.

Das gilt natürlich für die schummrigen, tonal eingängigen Harmonien der Jazzgitarre, das gilt für die hypnotischen Linien des Saxophons, das gilt sogar für die exaltierter inszenierten Klangeruptionen. Winter als ästhetisches Naturschauspiel - in Schuberts "Winterreise" geht es noch um existenzielle Gefahr. Scott DuBois' Musik mag in ihrem Klangimpressionismus konzeptionell vielleicht weder sonderlich neu noch sonderlich frei improvisiert sein. Trotzdem passt sie ganz wunderbar ins "Forum für neue freie Jazzmusik", wie sich der Dachauer Jazz e.V. nennt. Das liegt an ihrer hohen kompositorischen Qualität, das liegt (ungeachtet ihrer tonalen Eingängigkeit) an ihrer modernen Stilistik, das liegt an der Qualität der Live-Darbietung, in der dann eben doch das Moment der spontanen Interaktion vierer hervorragender Musiker zum Tragen kommt. Das reicht von den intim zurückgenommenen Soli der Musiker (ein rockmusikverdorbener Schelm, wer bei den Klangkollagen von DuBois' E-Gitarre an den Beginn so manchen Pink-Floyd-Titels denkt) über das feingliedrige, teilweise sogar in Ansätzen kontrapunktisch ineinandergreifende Zusammenspiel von Gitarre und Ullmanns Bläserstimme bis zu einem erstaunlich subtilen Klangfundament: Eigentlich spielt Bassist Morgan durchaus prägnant, eigentlich ist die Ereignisdichte, die Schlagzeuger Osgood erzeugt, enorm. Und doch entsteht nur selten ein vorantreibender Puls. Eher eine in sich bewegte, atmosphärische Grundierung. Diese Musik schreitet nicht, sie fließt. Und das klingt schön.

© SZ vom 07.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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