Dachau:Wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Ein 37-Jähriger malträtiert stundenlang seine Lebensgefährtin und erhält eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung.

Von Robert Stocker

Es gibt Menschen, die sich im Prinzip völlig normal verhalten. Doch wenn sie zu viel Alkohol konsumieren, verändert sich ihre Persönlichkeit. Dann werden sie aggressiv und neigen zur Gewalt. Der 37-jährige Angeklagte, der sich unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Dachauer Amtsgericht verantworten muss, ist wohl insofern ein typischer Fall: Er kann, so schildert es seine Lebensgefährtin, höchst umgänglich, ja sogar liebevoll zu Kindern sein. Wenn der Mann aber zu viel Alkohol, besonders Schnaps intus hat, dann kann es brandgefährlich werden. In erster Linie für seine Freundin. Dann wird der Mann von "Dr. Jekyll zu Mr. Hyde", wie es sein Verteidiger Alexander Korres formuliert.

Experte: Viele Vergewaltigungen werden nicht angezeigt

Häusliche Gewalt: Eine Frau erlebt ein Martyrium. Ihr Mann droht, sie umzubringen.

(Foto: dpa)

Wie am Abend des 14. Dezember vergangenen Jahres. Der 37-jährige Maler und Lackierer tauchte in der Dachauer Wohnung seiner 36-jährigen Lebensgefährtin auf, mit der er eine 14 Monate alte Tochter hat. Beide hatten sich zuvor in einem Germeringer Supermarkt getroffen, in dem sich der Angeklagte mit Alkohol eindeckte. Seine Lebensgefährtin, der das gar nicht gefiel, fuhr deshalb allein nach Dachau zurück. Als der Mann in ihre Wohnung kommt, ist er betrunken und aggressiv. Die Frau fordert ihn auf, wieder zu gehen, es entspinnt sich ein Streit wegen eines Telefonats, für das sie das Smartphone des Mannes benutzt. Die 36-Jährige wirft das Handy aus dem Fenster. Die Situation gerät außer Kontrolle. Beim Gerangel zwischen den beiden fällt ein Glas auf den Boden. Der Mann schleift seine Freundin an den Haaren durch die Scherben, von denen sich einige in ihre Füße bohren. Er herrscht sie an, sich auf einen Stuhl zu setzen und bespuckt sie. Als er zum Kinderzimmer geht, wo ihre beiden Kinder aus erster Ehe und die gemeinsame Tochter schlafen, will sie ihn zurückhalten. Er versetzt seiner Freundin einen Stoß, sie fliegt über ein Kinderauto und schlägt mit dem Kopf so heftig gegen eine Wand, dass sie das Bewusstsein verliert. Dann rammt ihr der Mann ein Knie ins Gesicht. Das Martyrium der Frau dauert stundenlang. Der Mann droht, sie umzubringen. Schließlich verlassen beide die Wohnung, um das hinausgeworfene Handy zu suchen. Der 36-Jährigen gelingt es, in die Wohnung zurückzulaufen und ihren Peiniger auszusperren. Sie wählt die Notrufnummer 110. Der 37-Jährige wird später in Germering bei seiner Mutter festgenommen.

Auf Drängen ihres ehemaligen Mannes erstattet die Frau drei Tage später Anzeige bei der Polizei, die sie jedoch wieder zurücknimmt. Es kommt zu einem Versöhnungsgespräch mit dem Täter. Eine gute Woche später verbringt sie Weihnachten gemeinsam mit ihm, anschließend fährt sie mit ihm nach Kroatien in den Urlaub. Nach der Tat war ihr Gesicht dick angeschwollen, ihr Körper mit Hämatomen übersät, die Nase offenbar angebrochen. Wegen des Schlages gegen den Kopf musste sie sich zweimal übergeben. "Wenn er nicht trinkt, ist er ein ganz toller Papa. Unsere Tochter vergöttert ihn", sagt die 36-Jährige vor Gericht. "Wenn er aber getrunken hat, steht ein anderer Mensch vor mir." Der Angeklagte hat mittlerweile eine Sucht- und Gewalttherapie begonnen und trinkt seit einiger Zeit keinen Alkohol mehr. "Ich glaube, dass er versucht, sich zu ändern", sagt die Frau. Sonst hätte ihre Beziehung keine Chance mehr.

In einem sichtlich emotionalen Plädoyer fordert die Staatsanwältin eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden kann. "Die Frau hatte Todesangst, die Tat war eine absolute Demütigung für sie", während der Täter "abgebrüht und kalt" gehandelt habe. Verteidiger Korres hält eine Strafe von neun Monaten zur Bewährung für ausreichend. Amtsrichter Lukas Neubeck verhängt eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann.

Das Opfer ist schwanger. Die Frau erwartet im August das zweite Kind von ihrem Peiniger.

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