Dachau:Was läuft schief am Kreiskrankenhaus?

Amper Klinikum

Helios-Geschäftsführer Christoph Engelbrecht plant die Zukunft des Dachauer Klinikums. Jetzt aber macht ihm erst noch die Gegenwart zu schaffen.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Klinikgeschäftsführer Christoph Engelbrecht soll dem Kreisrat erklären, wie es zur massiven Kritik aus der Bevölkerung kommen konnte.

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Kann eine Anhörung im Kreistag zu den Klagen über einen Pflegenotstand am Dachauer Helios-Klinikum Lösungen aufzeigen und die Versorgung der Patienten erheblich verbessern helfen? Die Antwort wird der Freitag, 21. Oktober, bringen, wenn sich Geschäftsführer Christoph Engelbrecht den Fragen der Kreisräte stellt. Allerdings ist der Betriebsratsvorsitzende Claus-Dieter Möbs von Landrat Stefan Löwl (CSU) nicht eingeladen worden.

Möbs ist wegen der öffentlichen Klagen und drastischen Schilderungen vermeintlicher oder tatsächlicher Fehler in der Pflege unwohl zumute. Seit vielen Jahren kritisiert er eine Personalpolitik der knappen Ressourcen. Wie die Gewerkschaft Verdi fordert er verbindliche Vorgaben, wie gute Pflege an Kliniken auszusehen hat. Dazu braucht es seiner Ansicht nach einen gesetzlichen Pflegeschlüssel. Er sollte einen Mindeststandard über das Verhältnis von Pflegekräfte und Patienten vorgeben. Möbs weiß, dass der Stellenmarkt für Pflegekräfte in Deutschland leer gefegt ist. Als Gründe führt er die schlechte Bezahlung an und eine Geschäftspolitik, die darauf achtet, dass Kliniken möglichst wenig Personal vorhalten. Diese Politik wendet sich nun gegen die Urheber.

Unabhängig davon ist Möbs darüber entsetzt, wie sich die öffentliche Debatte über das Klinikum zu einer Grundsatzkritik gewandelt hat. Die SZ erreichen telefonisch drastische Schilderungen eines Fehlverhaltens, die sich bis zum Vorwurf steigern, dass Patienten über Tage hinweg vernachlässigt würden. Es fehlten in den Nachtdiensten examinierte Pflegekräfte. Dazu sagt Möbs erstaunt: "Ich kann die Aussage mit zwei Pflegekräften pauschal nicht bestätigen. In der Regel halten wir drei vor."

Verteidigung mit Zahlenmaterial

Die Geschäftsführung zieht sich seit Wochen darauf zurück, die Leistungen des Klinikums anhand von Zahlen hervorzuheben. Demnach sind die offiziell vorgetragenen Beschwerden im Vergleich zu den Vorjahren rückläufig. Geschäftsführer Christoph Engelbrecht präsentiert einen Stoß von Briefen, in denen sich Patienten für die hervorragende Versorgung bedankten. Einem diplomatischen Communiqué vergleichbar heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme: "Wir nehmen die aktuellen Vorwürfe sehr ernst und prüfen diese im Detail. Dies besonders vor dem Hintergrund, dass die Anzahl der Patientenbeschwerden in den letzten Jahren insgesamt eher stabil bzw. sogar leicht rückläufig war." Pflegedirektor René Marx ergänzt: "In den vergangenen drei Jahren haben wir jährlich rund 24 000 Patienten stationär versorgt. Gleichzeitig gab es in der Pflege keinen Stellenabbau, sondern sogar einen leichten Personalaufbau." Er weist die Behauptung zurück, dass in der Nacht die Stationen komplett unterbesetzt seien.

Das Ping Pong von Vorwürfen und Rechtfertigungen entwickelt sich zu einem Endlosspiel ohne Aufklärungsquote. Die Klinikleitung teilt mit: "Dem von Ihnen genannten Fall gehen wir gern konkret nach, benötigen dafür jedoch vom Patienten eine schriftliche Entbindung von der Schweigepflicht." Aber der Augenzeuge des jeweiligen Missstands will anonym bleiben und sich nicht an Helios wenden. Womöglich sind die Beschwerden tatsächlich überzogen. Der Sprecher der niedergelassenen Ärzte im Landkreis, Hans-Ulrich Braun, sagt der SZ, dass ihm und seinen Kollegen nur ganz wenige Klagen bekannt seien. Aber die Einschätzung, dass die Pflegekräfte überlastet seien, teilt er.

Wer aber soll und kann in dieser Situation die Moderation übernehmen? Der Sprecher der 17 Bürgermeister, Stefan Kolbe (CSU) aus Karlsfeld, schlägt den Kreistag als Diagnoseforum vor. Denn der Landkreis ist mit 5,1 Prozent an der Helios Amper Klinikum AG beteiligt. Landrat Stefan Löwl (CSU) ist stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats.

Es fehlt qualifiziertes Personal

Der Landrat will von "Herausforderungen" statt von Problemen reden. Er hat Geschäftsführer Christoph Engelbrecht am Freitag, 21. Oktober, 8.30 Uhr, in den Kreistag gebeten. Engelbrecht soll darlegen, wie er den Herausforderungen begegnen will. Aus Löwls Sicht sind es drei: der leer gefegte Stellenmarkt, die innere, erheblich verbesserungsbedürftige Organisation der Pflege und Versorgung, sowie das Problem mit einem externen Dienstleister, dem bereits gekündigt wurde.

Löwl weiß, dass das Klinikum, wie alle anderen in Deutschland, damit zu kämpfen hat, qualifiziertes Personal anzuwerben. Für den zweiten Aspekt ist ein Exkurs in die Geschichte der Amper Klinikum AG erforderlich. Als sie Ende der Neunzigerjahre privatisiert und von der Rhön-Klinikum AG übernommen wurde, begann das Outsourcing in Gesellschaften und Untergesellschaften. Die neue Geschäftsführung sei gerade dabei, diese Strukturen aufzulösen, mit dem Ziel, für die Kernaufgaben wieder eine "homogene Stammbelegschaft" zu schaffen, sagt Löwl. Der Landrat vermutet, dass die laufende Umstrukturierung dazu führt, dass die Abläufe nicht optimal funktionieren. Damit erklärt er sich die aktuellen Klagen aus der Bevölkerung. Auch hierzu soll der Klinikgeschäftsführer Stellung nehmen. In dem Betriebsratsvorsitzenden Claus-Dieter Möbs hat Löwl einen Fürsprecher für eine in sich geschlossene Stammbelegschaft, die nicht in Untergesellschaften auseinander dividiert wird: "Das ist auch meine Idee." Er zweifelt an der Umsetzung. Möbs ist nicht zum Kreistag eingeladen.

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