Dachau: Von Planetenküssen und dem Fremdsein:Lyrik verwandelt das Leben

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Beeindruckende Lyrik aus der Feder von Schülern wie Korbinian am Josef-Effner-Gymnasium. (Foto: Toni Heigl)

30 Effner-Schüler tragen in einem Wettbewerb ihre Gedichte vor

Von Ludwig Kramer, Dachau

"Ein Gedicht rettet einen Tag" - geht man nach dieser Maxime, die über dem Abend der Preisverleihung zum Lyrikwettbewerb am Josef-Effner-Gymnasiums in Dachau steht, so könnte man sich mit der jüngst veröffentlichten Anthologie gut einen Monat von einen Tag zum nächsten retten. 30 ausgewählte Gedichte der Jung-Poeten aus den Jahrgangsstufen fünf bis zwölf sind in dem von Lehrer Tom Spiegelhauer herausgegebenen kleinen Band enthalten. Der Lyrikwettbewerb motivierte 220 Schülerinnen und Schüler, sich reimend und Metrum klopfend an den Schreibtisch zu setzen und mit den Resultaten vor die Jury zu treten. Begeisterung für Lyrik - das stand laut Deutschlehrerin Rita Klumpp im Vordergrund auch beim zweiten Wettbewerb. Und es ist beachtlich, was die Schüler schrieben.

Die Sechstklässlerin Linda beeindruckte mit dem nüchtern und ernsten Vortrag ihres Poems "Du bist anders, na und?": "Leute sagen, du bist anders/und je öfter sie das sagen/desto mehr denkst du es/Dann fühlst du es/Dann bist du es", so die ersten Verse. Dass Linda Max Frischs Andorra bekannt ist: unwahrscheinlich. Begegnungen mit Diskriminierung und Mobbing, vielleicht auch an der Schule, eher plausibel. Bei ihrem Vortrag bleibt sie stets konzentriert und betont nie zu viel. Sie endet mit einem fokussierten Blick ins Publikum und mit den Worten "Du lachst/Und in meiner Seele geht die Sonne auf". Dabei hat das Mädchen selbst ein strahlendes Lächeln im Gesicht.

Zufrieden darf auch die Lehrkraft von Amelie sein. Die Schülerin, ebenfalls aus der 6. Klasse beeindruckt die Zuhörer. Wunderschön bildlich und Spannung aufbauend schildert sie in ihrem Gedicht "Im Land der Lotophagen" die Landung und Flucht von Odysseus und seinen Gefährten vor den Einwohnern, mit dem seltsamen Namen Lotophagen, an deren Küste der Kriegsheld mit Gefolge ankam.

Als Highlight des Abends kann die Präsentation von Preisträgerin Sarah Lux gewertet werden. Sie rezitierte ihren "Planetenkuss" nicht wie üblich stehend am Pult, sondern trat selbstbewusst ans Klavier und sang den Text ihres mit Neologismen und Versen wie "Erst wenn Planeten sich küssen/und die Milchstraße deinen Kaffee färbt" überbordenden Song. Den Lehrern war es wichtig, keine formalen Regeln festzusetzen. Umrahmt wurde die Veranstaltung von musikalischen Beiträgen der Gymnasiasten. Neben einem Menuett für Klarinetten, einem Allegro für Violine und Klavier war auch ein Ed Sheeran-Song zu hören. Ohne mit der Wimper zu zucken stand der Sechstklässler auf der Bühne und sang "Give me Love", wobei er sich selbst auf der Gitarre begleitete.

Die Abiturienten, die im Lyrik-Wettbewerb nicht vertreten waren, zeigten zwar nicht, wie gekonnt sie Verse schmieden können, aber trugen dennoch künstlerisch zu dem kleinen Gedichtband bei. Dem Kunst-Kurs von Karin Kottmeir war die Aufgabe gestellt worden, ein WhatsApp Profilbild, mal ganz ungewohnt, analog als Tuschelavierungen in Schwarzweiß zu produzieren. Die kreisrunden Bilder, die wie ein Gedicht den Charakter des Urhebers oder auch eine Aussage auf kleinsten Raum komprimieren, schmücken die Anthologie ganz wunderbar.

Unterstützt wurde das Josef-Effner-Gymnasium mit Preisen, die von Dachauer Unternehmen gegeben wurden. Unter den Gewinnen fanden sich von der Grundausstattung für werdende Poeten bis zu Eintrittskarten ins Theater, Kino oder zum Poetryslam. "Lyrik am Effner " mit den besten 30 Gedichten ist von sofort an im Buchhandel erhältlich, ebenso die erste Anthologie aus dem Jahr 2016. Jeder Band kostet 4.95 Euro.

© SZ vom 03.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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