Dachauer Volksfest:Auftakt mit Stil

Trotz der tropischen Temperaturen drängen Tausende Besucher zum Umzug der Schützen- und Trachtenvereine in die Altstadt.

Von Benjamin Emonts, Dachau

Dachauer Volksfest: Sonniger Volksfeststart: Den Einzug der Brauereien, Schützen- und Trachtenvereine auf die Thoma-Wiese verfolgen etwa 2000 Zuschauer.

Sonniger Volksfeststart: Den Einzug der Brauereien, Schützen- und Trachtenvereine auf die Thoma-Wiese verfolgen etwa 2000 Zuschauer.

(Foto: Toni Heigl)

Zuweilen, wenn am Münchner Oktoberfest von einer italienischen Invasion die Rede ist, schwingt ein merkwürdig negativer Unterton mit. Die Italiener, so äußert sich der Münchner, habe in Bierlaune ein überschäumendes Temperament und erdreiste sich, Lederhosen aus dem Discount-Markt zu tragen. Doch sind dies alles nur Vorurteile, wie sich am ersten Tag des Dachauer Volksfests herausstellt: Die italienischen Gäste aus der Dachauer Partnerstadt Fondi sind der Blickfang beim traditionellen Einzug auf die Ludwig-Thoma-Wiese. Der historische Verein der Stadt zieht mit edlen Gewändern aus dem Zeitalter der Renaissance den Altstadtberg hinab. In den Hauptrollen: der Papst und die sagenumwobene Giulia Gonzaga, italienische Edelfrau aus dem 16. Jahrhundert.

Selbstredend handelt es sich nicht um die Originale, sondern um schauspielerisch talentierte Nachahmer. Salavatore di Meo hingegen, seines Zeichens Bürgermeister des 117 Kilometer südöstlich von Rom gelegenen Fondi, ist ein Original. Er sitzt, das Trachtenhemd locker aufgeknöpft, mit Sonnenbrille, Frau Assunta (im Dirndl) und seinen Bambini Giselle und Aurora auf der Kutsche des Dachauer Oberbürgermeisters - so, wie man sich einen italienischen Bürgermeister vorstellt.

Begleitet vom Bayerischen Defiliermarsch der Ludwig-Thoma-Musikanten, zieht di Meo wenig später mit seiner Familie ins große Bierzelt ein, jenen Ort, wo nun die Stunde seines Dachauer Amtskollegen Florian Hartmann schlägt. Hartmann, abermals gut beraten von seiner Lebensgefährtin Julia Märkl, trägt eine kurze, dunkelbraune Lederhose und eine dunkelgrüne Trachtenweste (Vorjahr: hellgrün). Stilsicher und händeschüttelnd betritt der Dachauer OB die Bühne. Er wirkt fokussiert. Dann endlich der erste Schlag - abgerutscht, es spritzt. Der zweite und der dritte - sitzen. Schließlich verkündet der OB: "O'zapft is." Der Fehlschlag? "War wohl ein Hitzschlag."

Volksfestreferent Robert Gasteiger bekommt fünf Minuten später seine erste (alkoholfreie!) Maß Bier, die er in Windeseile leer trinkt. Die Hitze fordert ihren Tribut. Umso glücklicher ist Gasteiger, dass trotz Temperaturen jenseits der 35 Grad 2000 Zuschauer die Straßen während des Festumzugs säumen. Sie sehen Blaskapellen und Schützenvereine an sich vorbeiziehen. Die Dachauer Malweiber, die im Jahr 2005 als Reminiszenz an die Künstlerinnen der Jahrhundertwende einen Verein gegründet haben, tragen selbstbewusst ihre kunstvoll drapierten Hüte und farbenfrohen Kleider zur Schau. D'Schloßbergler vom gleichnamigen Trachtenverein warten mit grünen Hüten und grün bestickten Lederhosen auf. "Eine Miesbacher Gebirgstracht", klärt Volksfestreferent Gasteiger auf. Der wiederum trägt die Tracht der Ampertaler, die an diesem Samstag mit 150 Mitgliedern am Umzug teilnehmen. Charakteristisch für die historische Tracht: ein schwarzer, runder Hut, ein kurzer Janker, ein weißes Bauernhemd, eine lederne Stiefelhose, eine Samtweste und schwarze Faltenstiefel.

Die Landtagsabgeordneten Martin Güll (SPD), Bernhard Seidenath und Anton Kreitmair (beide CSU) haben sich die Dachauer Tracht freilich auch zugelegt. Gemeinsam mit Bezirkstagspräsident Josef Mederer werden sie den Altstadtberg hinunter kutschiert und werfen Blumensträuße ins Volk. Während Kreitmair parteikonform eine schwarze Trachtenweste trägt, haben sich Güll und Seidenath beide für rot entschieden. Kreitmair, direkt wie eh und je, ist diese Randnotiz einen Ausflug in die Gerüchteküche wert - er mutmaßt: "Vielleicht wechselt der Seidenath zu den Roten." Der CSU-Bundestagsabgeordneten Gerda Hasselfeldt, die sich eine Kutsche mit Landrat Stefan Löwl und dessen Amtskollegen Zbigniew Starzec aus Oświęcim bei Auschwitz teilt, dürfte es angesichts derartiger Spekulationen ganz anders geworden sein. Ihr Dirndl: rot-grün. Verliert die hiesige CSU etwa ihr stärkstes Zugpferd?

Tanja und Thomas Wagner ist dies einerlei - zumindest an diesem Tag. Tanja trägt - ganz unpolitisch - ein weißes Kleid mit langer Schleppe. "Wir werden gleich kirchlich heiraten", verrät sie. Als die Ampertaler im großen Festzelt ein Spalier bilden und mit ihren Stöcken taktsicher auf den Holzboden klopfen, stolziert das Brautpaar noch vor der Lokalprominenz hindurch. Die Dachauer klatschen. Hilde Giegel, die seit 30 Jahren auf dem Dachauer Volksfest bedient, sagt ganz zutreffend: "Die Leute hier sind einfach immer lustig drauf."

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