Dachau:Vielfalt leben

Dachau: Das Leitbild des Kindergartens Sankt Hildegard in Dachau lautet: "Immer stand und steht das Kind im Mittelpunkt."

Das Leitbild des Kindergartens Sankt Hildegard in Dachau lautet: "Immer stand und steht das Kind im Mittelpunkt."

(Foto: Toni Heigl)

Die Kindertagesstätte Sankt Hildegard feiert am Wochenende das 50. Jubiläum. In der ganzen Zeit hat sich die älteste Einrichtung ihrer Art der Stadt Dachau stets neu erfunden. Jetzt setzt sie auf Inklusion

Von Petra Schafflik, Dachau

Familienstrukturen, gesellschaftliche Werte und pädagogische Ansätze haben sich über die Zeit verändert. Wo ein Kindergarten früher gute Betreuung für wenige Stunden bieten sollte, leisten Erzieher heute ganztags einen wichtigen Beitrag zur frühkindlichen Bildung ihrer Schützlinge. Auch die katholische Kindertagesstätte Sankt Hildegard in Dachau-Ost, die als eine der ältesten Einrichtungen der Stadt jetzt ihren 50. Geburtstag feiert, hat sich deshalb seit der Eröffnung 1965 immer wieder gewandelt und neuen Anforderungen gestellt. Eines aber ist gleich geblieben über all die Jahre, betont Leiterin Dagmar Böhme: "Immer stand und steht nach wie vor das Kind mit seinen individuellen Bedürfnissen im Mittelpunkt."

Aus dem Standort des Kindergartens ergibt sich schließlich Vielfalt als das andere Hauptthema, das sich von Anfang an wie ein roter Faden durch die pädagogische Arbeit von Kindergarten und Hort zieht. Denn die Lage mitten in dem von Zuzug und Migration geprägten Stadtteil Dachau-Ost beeinflusst die Arbeit der Kita. Egal woher Familien ins Stadtviertel kamen oder noch immer kommen, stets wurden ihre Kinder in Sankt Hildegard herzlich aufgenommen.

Als kirchliche Kita, die von der Pfarrgemeinde Heilig Kreuz getragen wird, "leben wir natürlich unseren christlichen Hintergrund, etwa mit den Festen im Jahreskreis, sind aber immer offen für alle Familien, egal welcher Religion oder aus welchem Kulturkreis", betont Leiterin Böhme. Seit 1998 hat das Pädagogenteam das Leitthema Vielfalt noch breiter ausgelegt und eine Inklusionsgruppe gestartet, um auch behinderte Mädchen und Jungen zu betreuen. "Es geht darum, dass möglichst viele Kinder teilhaben können." Inklusion - das bedeutet für das Team nicht nur Rampen oder gezielte Förderung. "Inklusion fängt in den Köpfen an. Entscheidend ist, dass alle Beteiligten dahinter stehen."

In Sankt Hildegard engagieren sich nicht nur die Pädagogen für das Miteinander von Kindern mit und ohne Handicap. Auch Pfarrgemeinderat, Kirchenvorstand, Förderverein und die Eltern aller Kinder unterstützen engagiert die integrative Arbeit. Wurden zunächst in eine von damals drei Kindergartengruppen auch behinderte Kinder aufgenommen, arbeitet der inzwischen viergruppige Kindergarten seit 2013 vollständig integrativ. Der angegliederte Hort, der bereits einzelne Inklusionskinder betreut, will ab September auch formal und offiziell zum ersten Integrations-Hort der Stadt werden. "Noch sind verschiedene bürokratische Hürden zu überwinden", wie Hort-Leiterin Waltraud Schmitzberger erklärt.

Unabhängig von der integrativen Arbeit unterliegen Kindergarten und Hort Sankt Hildegard gesellschaftlichen Veränderungen, die einen Wandel der pädagogischen Arbeit mit sich bringen. So benötigen Familien immer längere Betreuungszeiten. Die eine von vier Kindergarten-Gruppen, die noch um 14 Uhr schließt, ist daher ein Auslaufmodell.

Die Bestrebungen von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig, 24-Stunden-Kitas als Option für Eltern im Schichtdienst einzurichten, sehen die Pädagogen von Sankt Hildegard dagegen sehr kritisch. "Das ist dann wieder Betreuung, keine Entwicklungsbegleitung" sagt die stellvertretende Leiterin Michaela Preis. Gewandelt hat sich in Kindergarten und Hort auch die Elternarbeit, die eine deutlich größere Bedeutung gewonnen hat. Kinder verbringen mehr Zeit in der Kita, Familien sind verunsichert durch die vielen Ansprüche, die von der Gesellschaft an sie gestellt würden. "Die Intuition geht oft verloren, die Unsicherheit der Eltern wird dann auch am Kind sichtbar", erklärt Schmitzberger. In der Folge benötigen Väter und Mütter mehr Unterstützung, mehr Elterngespräche, einfach "Rückenstärkung".

Gerade weil die Gesellschaft Familien unter Druck setzt, Kinderbetreuung vielfach nur mehr unter dem Aspekt der Vereinbarkeit von Familie und Beruf definiert wird, sehen sich die Pädagogen von Sankt Hildegard dezidiert als Vertreter der Kinderinteressen. "Das Wichtigste sind gestärkte Kinder mit Rückgrat, die eine eigene Meinung haben."

Am Samstag, 11. Juli, treffen sich Team, Eltern und Kinder um 14 Uhr zum Sommerfest unter dem Motto "Wir feiern Geburtstag mit Freunden". Eine Bilderreise durch 50 Jahre plus szenische Geschichten mit dem Playback-Theater gibt es am Donnerstag, 17. September, im Pfarrheim Heilig Kreuz (ab 19 Uhr, Sudetenlandstraße 69). Offiziell gefeiert wird am Sonntag, 8. November, mit Festgottesdienst (Kirche Heilig Kreuz, 10 Uhr), anschließend Tag der offenen Tür in der Kindertagesstätte Sankt Hildegard (Leipziger Straße 5).

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