Dachau:Vergebliche Herbergssuche

Flüchtlingsfamilien dürfen künftig aus dem Lager an der Kufsteiner Straße ausziehen - aber in Dachau haben sie schlechte Karten: Wohnraum ist knapp und teuer. Aber es gibt noch mehr Gründe.

Gregor Schiegl

Im Niemandsland zwischen Feldern und Gewerbegebiet steht die Dachauer Asylbewerberunterkunft. Mehr als 20 Jahre hat eine Flüchtlingsfamilie aus dem Libanon in dem Lager verbracht. Einer der Söhne kam in Deutschland zur Welt. Er hat nie ein anderes Zuhause kennengelernt als die alten Baracken an der Kufsteiner Straße, 19 Jahre lang. Flüchtlinge kommen in Bayern in Gemeinschaftsunterkünften unter, so will es das Gesetz. Ein Auszug war nur "im begründeten Ausnahmefall" möglich, eine zeitliche Begrenzung des Lageraufenthalts nicht vorgesehen. Das soll sich jetzt ändern, aber noch türmen sich viele Probleme auf.

Dachau: 139 Menschen leben zurzeit in der Asylbewerberunterkunft an der Kufsteiner Straße in Dachau - viele darunter schon seit Jahren. Der Flüchtlingsrat fordert ein Ende dieser menschenunwürdigen Unterbringung.

139 Menschen leben zurzeit in der Asylbewerberunterkunft an der Kufsteiner Straße in Dachau - viele darunter schon seit Jahren. Der Flüchtlingsrat fordert ein Ende dieser menschenunwürdigen Unterbringung.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Vor wenigen Wochen hat der Landtag das "Bayerische Aufnahmegesetz " geändert, das seit 2002 die Unterbringung von Asylbewerbern regelt: Familien und alleinerziehende Eltern sollen künftig die Möglichkeit haben, sich nach Abschluss des Erstverfahrens eine Wohnung zu suchen. 20 Jahre in der Baracke wären damit unmöglich. Die Neuregelung kam erst nach langem Ringen in der schwarz-gelben Koalition zustande. Der Dachauer CSU-Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath gehörte in der Union von Anfang an zu den Befürwortern. Für ihn war das Schicksal des 19-jährigen Libanesen "auf alle Fälle mitentscheidend", das Gesetz zu ändern. Im Plenum des Landtags lobte er die schwarz-gelbe Koalition denn auch für "einen Quantensprung im Asylsozialrecht". Das neue Gesetz könne man "tatsächlich als Meilenstein betrachten".

Allerdings wohl als Meilenstein auf einem noch langen Weg: "Mit der Neuregelung werden wenigstens zeitliche Obergrenzen für die Lagerunterbringung eingeführt", sagt Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. "Dennoch wird kaum eine nennenswerte Zahl von Flüchtlingen aus den Lagern ausziehen dürfen. Die engen Ausschlusskriterien und das bürokratische Antragsverfahren werden das verhindern."

Die Unterbringung in Privatwohnungen ist natürlich auf jeden Fall zu begrüßen", sagt auch Monika Haimerl vom Dachauer Arbeitskreis (AK) Asyl. Doch der Umzug in Privatwohnungen bleibe "in den meisten Fällen Theorie". Laut Regierung von Oberbayern sind derzeit zehn der 139 Bewohner der Unterkunft an der Kufsteiner Straße sogenannte Fehlbeleger. Das heißt: Sie haben einen Status, mit dem sie nicht nur ausziehen dürften - von Gesetzes wegen müssten sie es sogar.

Ich helfe beim Suchen", sagt Monika Haimerl. Doch Wohnraum, der erschwinglich und dabei ohne Gesundheitsgefährdung bewohnbar sei, sei "extrem knapp in Dachau". Von den Bewohnern der Dachauer Gemeinschaftsunterkunft, die von dem neuen Gesetz profitieren könnten, haben es Haimerl zufolge bisher nur drei Familien geschafft eine Wohnung zu finden; vier Familien und vier Einzelpersonen suchten immer noch.

Das hat auch mit Ressentiments zu tun, die Mieter den Flüchtlingen entgegenbringen, wie der Integrationsreferent der Stadt Dachau, Horst Ullmann (SPD), meint. "Ich kenne diese Menschen persönlich, das sind alles anständige Leute. Aber durch die Unterkunft an der Kufsteiner Straße sind sie stigmatisiert."

Oft scheitert der Bezug einer Privatwohnung auch schlicht am Geld. Das Wohnbudget, das der Stadt zur Verfügung steht, reicht in einer Hochpreisregion wie Dachau kaum aus: Wer sich als Flüchtling eine Wohnung sucht, die vom Sozialamt finanziert wird, muss sich nämlich an dieselben Vorgaben halten, wie ein Arbeitslosengeld-II-Bezieher. Bleiben also nur noch Sozialwohnungen, doch hier tun sich bürokratische Hürden auf. "Mit einer Duldung von sechs Monaten bekommen Sie keinen Wohnberechtigungsschein", sagt Ullmann. Er wolle in den kommenden Wochen mit Stadtverwaltung und Stadtbau einen Weg aus diesem Dilemma finden. Für Monika Haimerl liegt das Grundproblem tiefer: So viel auch gebaut werde in Dachau, "Wohnraum für nicht vermögende Personen wird nicht mehr, sondern weniger."

Seidenath räumt ein, dass "nicht alle Probleme gelöst sind", etwa, wie sich das Klima in den Unterkünften verändere, wenn dort künftig nur noch alleinstehende Männer lebten. Der Flüchtlingsrat erneuerte indes seine Forderung, die Gemeinschaftsunterkünfte ganz aufzulösen: "Flüchtlingslager sind menschenunwürdig." Seidenath wies das zurück: Wenn infolge einer Krise viele Flüchtlinge kämen, müsse Bayern schnell darauf reagieren können. Das gehe nur mit Gemeinschaftsunterkünften. (Kommentar)

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