Dachau und Fondi:Unter Freunden

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Tanja Jørgensen-Leuthner ist auf Dachauer Seite für die Partnerschaft mit Fondi zuständig. Sie hat viele Ideen für intensive Begegnungen. (Foto: npj)

Kulturamtsmitarbeiterin Tanja Jørgensen-Leuthner knüpft deutsch-italienische Kontakte. Ein Gespräch über Missverständnisse und Freundschaftspflege.

Von Viktoria Großmann, Dachau

Tanja Jørgensen-Leuthner ist in Sizilien aufgewachsen und hat dort studiert. In den Sommerferien, wenn Freunde am Mittelmeer spielten, fuhr sie zur deutschen Großmutter nach Hebertshausen. Die 50-Jährige hat gelernt, zwischen deutscher Genauigkeit und italienischer Lebensart zu unterscheiden und zu vermitteln. Heute profitiert davon die Stadt Dachau - als Mitarbeiterin im Kulturamt knüpft Jørgensen-Leuthner deutsch-italienische Kontakte. Sie spricht über Missverständnisse und Freundschaftspflege.

SZ: Sie waren gerade eine Woche lang mit 50 Dachauern in Fondi und waren ständig als Übersetzerin gefragt. Da schwirrt einem doch der Kopf?

Tanja Jørgensen- Leuthner: Das ist schon sehr anstrengend, denn es geht ja nicht nur ums Übersetzen. Ich muss auch die Gefühle vermitteln, die Intention, mit der etwas gesagt wird - und manchmal auch Schlichterin sein.

Gab es denn Missverständnisse?

Ein paar Irritationen gibt es immer. Italiener und Deutsche sind nun einmal sehr verschieden. Die Italiener zelebrieren das Essen, für viele Deutsche ist es immer noch etwas Zweckmäßiges, etwas, das man tut, um zu funktionieren. Andererseits sind die Italiener, was Behörden und Politik angeht, viel skeptischer. Da muss ich schon mal Überzeugungsarbeit leisten.

Wie macht sich das bemerkbar?

Als ich Kontakte zu Künstlern in Fondi aufnahm, merkte ich, dass diese zunächst vorsichtig waren. Ich muss die Leute davon überzeugen, dass ich nicht nur daher rede, sondern dass die Stadt Dachau wirklich seriös mit ihnen zusammenarbeiten will, dass unsere Vorschläge Hand und Fuß haben. Da muss man viel, viel reden.

Gibt es denn in Fondi einen festen Koordinator für die Partnerschaft?

Seit einigen Jahren habe ich in Silviano Adessi einen festen Ansprechpartner gefunden, den ich mir mittlerweile ein bisschen deutsch erzogen habe (lacht). Er antwortet jetzt immer innerhalb von 24 Stunden auf E-Mails.

Im Bus nach Fondi saßen Menschen im Alter zwischen 13 und 81 Jahren. Wie ist die Mischung zustande gekommen?

Angefangen haben wir mit der Jugend, dann kam der Seniorenaustausch. Auch zwischen den Naturschützern hatte es schon einen Austausch gegeben. Dann ergab sich noch ein Austausch mit der Caritas, doch uns fehlte der kulturelle Touch, also suchten wir nach einer Künstlergruppe in Fondi. Die Künstler dort sind aber gar nicht organisiert, sie arbeiten kaum zusammen. Ich musste sie mir also einzeln heraussuchen. So konnte ich die Kontakte zur Künstlervereinigung Dachau herstellen, und sie haben sich dann vernetzt.

Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann ist Sozialdemokrat, Bürgermeister Salvatore De Meo gehört der konservativen Forza Italia an, deren Vorstand Silvio Berlusconi ist. Welche Rolle spielt die Politik im Austausch?

Italiener wählen den Menschen, nicht die Partei. De Meo ist bürgernah und sichtbar im Einsatz für die Stadtbewohner. Immerhin hat er 70 Prozent der Stimmen bekommen bei 72 Prozent Wahlbeteiligung. Man hat in Fondi auch großen Anteil an der Kommunalwahl in Dachau genommen. Dass ein Oberbürgermeister so jung sein kann, finden die Italiener sehr ungewöhnlich. Sie sehen das als ein gutes Zeichen für demokratische und transparente Politik.

Sie betreuen die Städtepartnerschaft seit ihrer Entstehung. Gab es nie Vorurteile?

Doch, ich erinnere mich, welche Gratwanderung es war, den Gästen aus Fondi damals die Gedenkstätte zu zeigen - und sie nicht zu verschrecken, aber auch nicht zu belügen. Ich wollte ihnen vermitteln, dass wir in Dachau offen mit der Geschichte umgehen, die Erinnerung bewahren und in die Zukunft denken - und dass das mit einem Partner leichter geht. Das haben sie geschätzt und verstanden. Auch von deutscher Seite gibt es Fragen zu Berlusconi oder der Mafia. Aber ich sage dann: Lasst die Vorurteile beiseite, vergesst jetzt einmal alles, was ihr glaubt, zu wissen und lasst euch auf die Menschen ein, redet mit den Leuten. Wir sehen, dass das klappt.

So werden aus Partnern Freunde?

Wir sind zusammengewachsen. Man denkt aneinander. Das Angebot aus Fondi, das Tor für die KZ-Gedenkstätte zu ersetzen, zeigt das ganz deutlich. Weil das Angebot nicht angenommen werden konnte, macht sich wiederum unser Oberbürgermeister Gedanken, wie er dafür einen Ausgleich finden kann - wie man es unter Freunden tun würde. Ich möchte vor allem erreichen, dass die Jugend sich stärker austauscht, etwa über Praktika.

© SZ vom 15.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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