Dachau:Unfassbar hilfreich

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Sylvia Gruber, Leiterin des Dachauer Tierheims, ist begeistert von Nadine Endrejat und der Facebook-Gruppe. Ihnen ist es gelungen, die Insolvenz der Einrichtung abzuwenden und die Existenz bis Jahresende zu sichern

Von Benjamin Emonts, Dachau

Elyas M'Barek und Günther Jauch vermachen dem Tierheim Autogrammkarten. Die Profifußballer des TSV 1860 München stiften Fan-Artikel. In Hochstatt bei Weßling findet am Sonntag eine Zumba-Charity-Party statt. Und im Dachauer Ludwig-Thoma-Haus spielt die 8-Ball-Band an diesem Freitag ein großes Benefizkonzert. Die Welle der Solidarität mit dem von der Insolvenz bedrohten Dachauer Tierheim gewinnt von Tag zu Tag an Wucht - weit über die Grenzen des Landkreises hinweg. Die leidgeprüfte Leiterin des Tierheims, Sylvia Gruber, staunt: "Ich komme mir manchmal vor wie im falschen Film. Die Hilfsbereitschaft ist phänomenal." Sie verkündet schließlich erleichtert: "Bis Ende des Jahres kann der Betrieb des Tierheims auf jeden Fall aufrecht erhalten werden."

Noch Ende August sah es düster bis schwarz aus. Die Einrichtung finanziert sich über Mitgliedsbeiträge, Spenden und die sogenannte Fundtierpauschale, welche die Kommunen abgeben. Monatlichen Ausgaben von etwa 40 000 Euro stehen jährliche Mitgliedsbeiträge von 29 000 Euro entgegen. Das finanzielle Loch wuchs und wuchs über die vergangenen zehn Jahre. Ende August musste Silvia Gruber schließlich vermelden: "Spätestens im September sind wir pleite."

Dass die Insolvenz nun vorerst abgewendet werden konnte, dafür ist nicht die Politik, sondern eine Facebook-Gruppe verantwortlich: "Ein Herz für's Dachauer Tierheim". Nadine Endrejat aus Dachau hat die Gruppe am 28. August gegründet. "Es kommt mir manchmal noch vor wie im Traum", sagte sie der SZ bereits Anfang September. Ihre Initiative trat eine Woge der Hilfsbereitschaft los, die bis heute nicht abebbt - im Gegenteil. In nur einem Monat sind mehr als 10 000 Euro an Spenden beim Tierheim eingegangen - von Einzelpersonen, Firmen, Lokalen. Das Tierheim konnte in dieser Zeit einen Zuwachs von 61 Mitgliedern verbuchen. "Das ist weit mehr, als wir normal in zwei Jahren bekommen", sagt Gruber, fast schon irritiert. "Das sind Einnahmen, mit denen wir fest kalkulieren können."

Das Netzwerk der Helfer hat inzwischen so stark an Eigendynamik gewonnen, dass Gründerin Nadine Endrejat kaum noch delegieren muss. Die 1278 Gruppenmitglieder entwickeln täglich und mit imponierender Kreativität neue Ideen, wie dem Tierheim unter die Arme gegriffen werden kann. So fand im September in der Dachauer Diskothek Nachtschicht eine große Charity-Party statt, bei der 1635 Euro zusammengekommen sind. Bei einem einschlägig bekannten Internet-Händler steht eine Wunschliste des Tierheims online, damit Freiwillige schnell und schnörkellos Sachspenden leisten können. "Das funktioniert wahnsinnig gut", sagt Gruber. Zahlreiche Geschäftsinhaber aus dem Landkreis haben Spendendosen bei sich aufgestellt. Und wann immer das Tierheim etwas benötigt, wird auf Facebook ein Aufruf gestartet. Gruber spricht von einer "irrsinnigen" Hilfswelle, die sie in 22 Jahren so noch nicht erlebt habe. Schon jetzt sei sicher: "Wir müssen in diesem Jahr keine Futtermittel mehr kaufen." Gruber beziffert den Wert der gestifteten Futter- und Sachspenden auf weit mehr als 10 000 Euro.

Der große Tag der Offenen Tür mit Flohmarkt am Samstag und Sonntag, 3. und 4. Oktober, in der Dachauer Roßwachtstraße 33 könnte zu keinem besseren Zeitpunkt stattfinden. Tierschutzverein-Leiterin Gruber hofft auf viele Besucher und darauf, dass sich so mancher zu einer Mitgliedschaft oder ehrenamtlichen Tätigkeit bewegen lässt. Nadine Endrejat kann einen Besuch nur empfehlen. Ihr seien schon viele Gerüchte über das Tierheim zu Ohren gekommen. "Aber die stimmen alle nicht. Bei den Mitarbeitern fließt ganz viel Schweiß und Herzblut." Endrejat und die anderen Helfer werden unzählige Kuchen für das Event backen.

An diesem Freitagabend gibt die 8-Ball-Band im Ludwig-Thoma-Haus ein Eric Clapton unplugged Benefizkonzert zugunsten der Einrichtung. Vielleicht verirrt sich dann ja auch der ein oder andere Politiker in den Konzertsaal. Der Dachauer Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) empfing Nadine Endrejat und eine Delegation von Helfern kürzlich in seinem Büro. Begeisterung hinterließ der Oberbürgermeister allerdings nicht. Zwar, so erzählt Endrejat, habe Hartmann abermals betont, dass er hinter dem Tierheim stehe - konkrete Lösungsvorschläge aber wollte er nicht nennen. Immerhin haben einige Kommunen des Landkreises, darunter die Stadt Dachau, nach den einschlägigen Medienberichten ihre Fundtierpauschale auf 1,50 Euro erhöht.

"Das ist ein sehr guter Betrag im deutschlandweiten Vergleich", lobt Gruber, die hofft, dass andere Gemeinden nachziehen. Gesichert wäre die Zukunft des Dachauer Tierheims dadurch noch lange nicht. Die Welle der Hilfsbereitschaft wird schließlich nicht ewig währen und die Höhe der Ausgaben und Spenden sei schwer kalkulierbar, sagt Gruber. Sie hofft auf ein Zeichen von Landrat Stefan Löwl (CSU). "Ein fester Zuschuss, mit dem wir sicher planen können, wäre überlebenswichtig für das Tierheim."

© SZ vom 02.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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