Dachau und die Asylbewerber:Fakten und Gefühle

Auf dem früheren MD-Parkplatz sollen vier Container für hundert Asylbewerber aufgestellt werden. Landrat Stefan Löwl wirbt auf einem Infoabend um Verständnis bei den verunsicherten Bürgern.

Von Viktoria Großmann, Dachau

Der Landrat spricht von Zahlen, die Bürger sprechen von Gefühlen. Rational und emotional, das passt oft nicht gut zusammen. Die Fakten, die Stefan Löwl (CSU) präsentiert, können jedoch auch kaum jemanden kalt lassen: 667 Asylbewerber leben zur Zeit im Landkreis Dachau. Bis zum Jahresende sollen es doppelt so viele sein. So richtig bewusst wird das den meisten Menschen aber wohl erst, wenn die Flüchtlinge nebenan einziehen. Das sollen sie frühestens Anfang September auch auf dem früheren MD-Parkplatz zwischen Lilienstraße und Rosenstraße. Vier Container für insgesamt 100 Menschen sollen aufgestellt werden. Der Landrat hatte daher - wie er es überall im Landkreis tut - auch für die Dachauer Anwohner einen Informationsabend anberaumt.

Zum Termin am Dienstagabend im Gasthaus Drei Rosen haben sich neben Anwohnern auch Stadträte, Caritasmitarbeiter und Ehrenamtliche vom Arbeitskreis Asyl eingefunden. Die Stimmung ist abwartend bis ungeduldig. Einige haben offenbar den Eindruck, dass über ihren Kopf hinweg entschieden wird - während über den Standort Mitterndorf noch diskutiert wird. Dabei liegt das nur daran, dass im Stadtrat dazu keine klaren Beschlüsse gefasst wurden. Daher gibt es dort nun sowohl eine Bürgerbeteiligung zu einer zukünftigen Bebauung des Geländes als auch eine Prüfung des Landratsamtes zur Nutzbarkeit als Container-Standort. Im nächsten Jahr könnten also auch in Mitterndorf - Proteste hin oder her - Flüchtlinge wohnen.

Dachau: Info-Veranstaltung zu Geplanter Asylunterkunft auf dem MD-Parkplatz / Gasthaus Drei Rosen

Die Unterbringung der Flüchtlinge hält auch Landrat Stefan Löwl in Atem.

(Foto: Johannes Simon)

Das ist sogar sehr wahrscheinlich. Denn der Landkreis kommt immer näher an die Grenzen der Kapazität. Jede Woche weist die Regierung von Oberbayern dem Landkreis neue Flüchtlinge zu. Alles, was den Mitarbeitern im Landratsamt übrig bleibt, ist: Anweisungen ausführen und handeln. Das heißt, Flächen und Gebäude suchen. Beides gestaltet sich schwierig. Viele Bestandsgebäude, etwa der Hörhammerbräu oder die Griechische Schule, erfüllen die baulichen Auflagen nicht. Oft wäre eine entsprechende Renovierung der Gebäude für den Landkreis viel teurer als Container anzumieten. Doch auch an geeigneten Flächen mangelt es offenbar. Häufig werden Grundstücke in Gewerbegebieten vorgeschlagen, die sich jedoch aus Lärmschutzgründen nicht eignen. Als Landrat Löwl das ausführt, meldet sich ein Zuhörer zu Wort: "Bei uns gilt das nicht? Wir werden doch auch nicht vor dem Lärm geschützt." Löwl bleibt ganz der sachliche Jurist: "Für die Flüchtlinge gelten die gleichen Lärmschutzregeln wie für Sie auch." Mit anderen Worten: Der Flüchtling ist nicht die Lärmquelle, er ist der Nachbar. Und wenn der mal zu laut ist, fügt Löwl hinzu, könne man die 110 anrufen. Wie bei anderen lärmenden Nachbarn auch.

Löwl steht vor dem "Zwang des Faktischen", wie er sagt, und zugleich vor ziemlich ratlosen und verunsicherten Bürgern, die ihre Skepsis, die sie bitte keinesfalls als Feindseligkeit verstanden wissen wollen, in teils kruden Argumenten zum Ausdruck bringen. Löwl versucht es dann jeweils mit der Rettung in die Normalität. Zweimal schafft er es im Verlauf des Abends, einen Vergleich zu den Abiturienten zu ziehen, die während ihrer ausgelassenen Abiturfeiern in der vergangenen Woche etwas zu viel tranken, etwas zu viel lärmten und etwas zu viel schmutzten. Tenor: Wir sind alle Menschen, jeder macht mal Quatsch.

Dachau: Info-Veranstaltung zu Geplanter Asylunterkunft auf dem MD-Parkplatz / Gasthaus Drei Rosen

Unter den Zuhörern in Drei Rosen sind auch Stadträte wie Christa Keimerl (SPD) (links, Mitte).

(Foto: Johannes Simon)

Quatsch finden es einige Anwohner, ausgerechnet den MD-Parkplatz auszuwählen. Was ist mit den Giftstoffen im Boden? Was mit dem geplanten Landschaftsschutzgebiet? Ein und derselbe Frager stößt sich an dem Stacheldraht um das Gelände, der wenig einladend sei, andererseits aber an der Optik der Container, die nicht zum Gesamtbild der Siedlung passt.

Löwl kann teilweise beruhigen. Welche Giftstoffe konkret unter dem Parkplatz lagern, wisse er nicht. Jedoch wird der Platz nur minimal aufgegraben und sofort wieder versiegelt. Weder während noch nach den Bauarbeiten soll so potenziell kontaminierter Boden ausgeschwemmt werden. Der Stacheldraht um das Grundstück werde entfernt, "um Verletzungen zu verhindern", gleichzeitig sei der Bewuchs darum herum so dicht, dass die Container kaum zu sehen sein dürften, sagte Löwl. Einen Einwand vieler Bürger kann auch Löwl nicht abwenden, obwohl er es gern möchte: die Unterbringung von 100 Menschen an einem Ort. Der Landrat würde gern die Menschen in kleineren Gruppen unterbringen, allein, es fehlen die Plätze. Da ist er wieder, der Zwang des Faktischen. Dem können die Mitarbeiter von Caritas und Asyl-Helferkreis noch ein paar Zahlen hinzufügen: 60 Ehrenamtliche engagieren sich derzeit in Dachau mit seinen drei Unterkünften in der Jahnstraße, der Gemeinschaftsunterkunft Kufsteiner Straße und Günding. Etwa 30 bis 40 würden für den MD-Parkplatz gebraucht. Wer helfen möchte, kann sich unter www.arbeitskreis-asyl-dachau.de informieren.

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