Behindertengerechter Landkreis:Überall Barrieren

Behindertenparkplätze

Vorbildlich: Behindertengerechte Parkplätze vor dem Tengelmann in der Münchner Straße.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Sozialverband VdK startet eine Kampagne für einen behindertengerechten Ausbau von öffentlichen Gebäuden und Privatwohnungen und fordert eine vorausschauende Planung in Dachau und den Gemeinden.

Von Sebastian Jannasch

Holpriges Pflaster, kaum zu erreichende Bustüren, Autos, die auf dem Gehweg parken - für körperlich Behinderte sind die Wege durch die Stadt Dachau häufig versperrt. Der Sozialverband VdK startet deshalb die Kampagne "Weg mit den Barrieren", um auf die zahlreichen Hindernisse aufmerksam zu machen, die blinden und bewegungseingeschränkten Menschen den Alltag erschweren. "Wohnungen und öffentliche Gebäude, Verkehrsmittel sowie alle privaten Güter und Dienstleistungen müssen endlich so gestaltet werden, dass sie für alle zugänglich sind", sagt VdK-Geschäftsführerin Stefanie Otterbein. Im Zentrum der Aktion steht eine "Landkarte der Barrieren": Im Internet können Dachauer und Landkreisbürger besonders ärgerliche Barrieren in der Stadt und den Gemeinden öffentlich machen.

Dazu fallen Stefanie Otterbein gleich mehrere Beispiele ein. Der Bürgertreff Dachau-Ost: Zwar seien seine Räume weitgehend barrierefrei gestaltet, sagt Stefanie Otterbein. Doch was es hilft das, wenn behindertengerechte Toiletten in dem Treffpunkt fehlten. Auch das Rathaus in Odelzhausen sei nicht für die Bedürfnisse von Behinderten ausgebaut. Die Rampe zum Eingang sei zu steil für Rollstuhlfahrer, in den ersten Stock gelange man nur über Treppen. Die Kreuzung von Münchner und Bahnhofsstraße in Dachau ist eine weitere Gefahrenzone für Menschen mit körperlichen Einschränkungen. Die relativ hohen Bordsteine machen es schwer, die Straße zu überqueren. "Es hapert jedoch insbesondere in der Privatwirtschaft", sagt Stefanie Otterbein. Vor allem Arztpraxen, Friseursalons und Hotels seien oft nicht auf die Bedürfnisse von Seh- und Gehbehinderten ausgerichtet.

Der Dachauer Behindertenbeauftragte fordert einen Aktionsplan

Mit der Aktion des Sozialverbands soll der Druck auf Kommunalpolitiker und Geschäftsleute steigen, Barrieren zu beseitigen. Um den Forderungen Nachdruck zu verleihen, will der VdK den persönlichen Kontakt zu Entscheidungsträgern suchen. In Bergkirchen, Hilgertshausen-Tandern und Sulzemoos gab es bereits erste Gespräche mit Gemeindevertretern. Weitere Orte werden folgen, auch Ortsbegehungen sind geplant. Falls die Hindernisse nicht beseitigt werden können, soll zumindest über Ersatzangebote aufgeklärt werden, etwa mithilfe einer Broschüre, die Ärzte und Apothekerdienste auflistet, die Hausbesuche machen.

Auch der Dachauer Behindertenbeauftragte Talip Yüksel beklagt, dass es beim Umbau zur behindertengerechten Stadt viel zu langsam vorangehe. "Es tut sich in vielen Angelegenheiten einfach nichts. Zu einer modernen Stadt gehört es, dass sie für Behinderte und Ältere nutzbar ist. Wir brauchen verbindliche Zusagen." Er fordert einen Aktionsplan, der Ziele festlegt, damit der Fortschritt klar messbar ist. Vor allem die Dachauer Altstadt mit ihren Pflastersteinen, steilen Gassen und glatten Belägen empfindet der Behindertenbeauftragte als eine Zumutung für körperlich Eingeschränkte.

Bei barrierefreien Bushaltestellen sei Dachau eine Vorzeigestadt, sagt der Bürgermeister

Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) - dessen Büro übrigens nicht per Rollstuhl erreichbar ist - räumt ein, dass die barrierefreie Stadt sicherlich noch nicht Realität ist. Er weist aber auf Erfolge hin. Was barrierefreie Bushaltestellen angehe, "sind wir eine Vorzeigestadt in Bayern". Der Sockel der meisten Haltestellen der Stadt sei erhöht worden, damit Gehbehinderte leichter aus dem Bus steigen könnten. Auch für Sehbehinderte gibt es genoppte Markierungen zur Orientierung. Jedes Jahr würden etwa zehn weitere Haltepunkte umgebaut. Auch in der Münchner Straße wurden vor kurzem drei Behindertenparkplätze fertiggestellt. Von Mai an werden beispielsweise die Bus-Stopps vor der KZ-Gedenkstätte behindertengerecht umgestaltet. Die Gedenkstätte selbst schafft Schritt für Schritt die Bedingungen für den Besuch behinderter Menschen. Neben Elektrogefährten stehen vier Rollstühle im Museum bereit. Die Toiletten sind behindertengerecht ausgebaut worden.

Der Behindertenbeauftragte des Landkreises, Wolfgang Rettinger, fordert ein stärkeres Bewusstsein für die Belange von Behinderten und wünscht sich, dass die Barrierefreiheit bei öffentlichen Bauprojekten immer von Anfang an mit geplant wird. "Da darf man nicht erst zum Schluss dran denken, wenn schon alles fertig ist und man den Stempel des Behindertenbeauftragten braucht, um Zuschüsse zu bekommen." So ähnlich sei es bei der Sanierung des Schneiderturms in Markt Indersdorf im Jahr 2014 gelaufen. Dort habe es Mängel bei Toilette und Aufzug sowie Geländern gegeben, auch Behindertenparkplätze und gut lesbare Aushänge fehlten. Rettinger verweigerte zunächst seine Unterschrift und verlangte Nachbesserungen. Ein positives Beispiel sei dagegen der Umbau des Wirtshauses in Erdweg. Durch eine breite Toilette, einen behindertengerechten Aufzug und Speisekarten mit großer und kontrastreicher Schrift sei das Kulturhaus für Behinderte sehr gut geeignet.

Gerade bei neuen Wohngebieten soll die Barrierefreiheit mitgedacht werden

Eine vorausschauende Planung sei gerade bei der Erschließung von Wohngebieten erforderlich, sagt Rettinger. Bei der Neugestaltung des Dachauer MD-Geländes und des neuen Ortsteils Augustenfeld müssten die Belange von körperlich Eingeschränkten von Beginn an berücksichtigt werden. Als Vorbild sieht Rettinger ein neues Wohngebiet in Pfaffenhofen. Der Gemeinderat beschloss, dass möglichst alle Häuser barrierefrei errichtet werden sollen.

In einer älter werdenden Gesellschaft würden seine Anliegen zunehmend ernst genommen, sagt Rettinger. "Langsam kommt es in den Köpfen an. Beim Landratsamt und in einigen Rathäusern ist man für das Thema Barrierefreiheit sehr sensibilisiert." Auch Stefanie Otterbein betont die übergreifende Bedeutung der Barrierefreiheit. "Nicht nur Menschen mit Behinderung profitieren, sondern auch Ältere, Kinder, Eltern und alle, die zeitweise in ihrer Mobilität eingeschränkt sind."

Dass ein selbstverständlicher Umgang mit der Barrierefreiheit noch nicht überall üblich ist, zeigt eine Anekdote, die Hildegard Baumgartner, stellvertretende Behindertenbeauftragte des Kreises, aus einem Gespräch mit einem Architekten berichtet: Der Bauplaner wollte wissen, auf welcher Höhe Lichtschalter angebracht werden müssten, damit sie für Blinde geeignet sind.

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