Dachau:Tanz der Kulturen

Die Verbindung von Tanz und Literatur in der Reihe Poetischer Herbst hat eine ganz eigene Dynamik entwickelt. Plötzlich war dieser Blick auf fremde Länder und die eigene Heimat überraschend aktuell

Von Tamara Wenger, Dachau

"Kruzitürken" - diesen Kraftausdruck verwendet der Bayer im Allgemeinen gern. Doch woher kommt dieser Fluch? Die meisten mögen vermuten, dass es etwas mit dem Kruzifix zu tun haben muss. Autor Su Turhan, dessen Roman unter ebendiesem Titel erschienen ist, lehrt die Besucher im Adolf-Hölzel-Haus eines Besseren. Der etymologische Ursprung reicht bis in die Zeit der Kreuzzüge und auf das Volk der Kuruzen zurück. Aus der Verbindung mit dem Stamm der Türken habe sich wohl das "Kruzitürken" entwickelt.

Der deutsch-türkische Krimiautor nahm an der Veranstaltungsreihe Poetischer Herbst teil, die in diesem Jahr das Thema Tanz aufgreift. In seinem dritten "Großstadtkrimi" - er schreibe "keine Heimatkrimis", betont Turhan ganz eindringlich mit einem Schmunzeln auf den Lippen - ermittelt Kommissar Zeki Demirbilek alias Kommissar Pascha wegen des Mordes an zwei Bauchtänzerinnen in München. Turhan trug Passagen seines neuen Buches vor, zur Umrahmung und teils auch zur Illustration mancher Szenen, dienten die furiosen Bauchtanzeinlagen von Eva Stehli-Attia, der wohl bekanntesten Botschafterin für orientalischen Tanz .

Dachau: Die Botschafterin für orientalischen Tanz im Landkreis Dachau, Eva Stehli-Attia, verlieh der Lesung mit ihren Tanzeinlagen einen Hauch von 1001 Nacht.

Die Botschafterin für orientalischen Tanz im Landkreis Dachau, Eva Stehli-Attia, verlieh der Lesung mit ihren Tanzeinlagen einen Hauch von 1001 Nacht.

(Foto: Toni Heigl)

Su Turhan ist 1968 in Istanbul geboren. Im Alter von zwei Jahren verschlägt es ihn mit seiner Familie im Zuge des Gastarbeiter-Anwerbeabkommens von der Bosporusmetropole ins niederbayerische Straubing. Diesen Mix der deutschen und der türkischen Kultur, den der Autor selbst verkörpert, zeichnet auch seine Hauptfigur, einen Münchner Kommissar mit türkischen Wurzeln, aus. Zeki Demirbilek ermittelt als Leiter des Sonderdezernats Migra in München, wo Opfer und Täter mit Migrationshintergrund eine Rolle spielen. Dieses Team ist bayerisch, türkisch, münchnerisch, istanbulerisch, "so wie du und ich und doch ganz anders", erzählt Turhan. In seinem Roman dreht sich alles um eine internationale Bauchtanz-Show - ein genuin türkisches Milieu: "Bauchtanz ist nichts für eine Münchnerin, die mit bayerischer Gstanzelmusik aufwächst."

Dass dieser Stilmix wunderbar funktionieren kann, stellt Eva Stehli-Attia unter Beweis: Mit einer Dirndlschürze tanzt sie an diesem Abend zu orientalischen Rhythmen. Während der Bauchtanz-Revue im Buch ereignen sich hinter den Kulissen mehrere Morde: Eine der Tänzerinnen wird im Bad, mit einem Duschschlauch erwürgt, aufgefunden. Wie viele Roman-Figuren am Ende ihr Leben lassen müssen, verrät Su Turhan dem Publikum nicht, nur so viel: "Ich mag es komplex in meinen Romanen." An einer Verfilmung der Kommissar Pascha-Reihe werde gerade gearbeitet, er selbst dürfe sogar in einer Nebenrolle mitwirken, so Turhan stolz.

Dachau: Der deutsch-türkische Autor Su Turhan unterhielt das Publikum mit Textpassagen aus seinem dritten Roman "Kruzitürken".

Der deutsch-türkische Autor Su Turhan unterhielt das Publikum mit Textpassagen aus seinem dritten Roman "Kruzitürken".

(Foto: Toni Heigl)

"Kruzitürken" war die letzte literarische Veranstaltung des diesjährigen Poetischen Herbst. Von Textpassagen beispielsweise aus Ludwig Thomas "Kirta", vorgetragen durch die Ludwig-Thoma-Gemeinde in Erdweg, ist der gedankliche Sprung zu dieser ganz und gar unbayerischen Form des Tanzes ebenso gewagt wie gut umgesetzt. Den Zuhörern wurde ein Einblick in andere Kulturen gewährt. Der Poetische Herbst war ein Tanz der Kulturen und damit aktueller denn je.

Die weitere Veranstaltung näherte sich dem Thema Tanz aus einer anderen Richtung. Auf eine kunsthistorische Zeitreise begaben sich die Anwesenden in der Hohenzeller Pfarrkirche. Der Tanz mit dem Tod wird hier auf einem Gemälde aus dem 18. Jahrhundert illustriert. Hier lag der Fokus auf dem letzten Tanz des Menschen, der Poetische Herbst aber tanzt noch weiter. Bei der Popular Dancenight an diesem Freitag, 16. Oktober, in der Dachauer Roxibar spielt von 20 Uhr an die Liveband Mamas Lieblinge.

Am Samstag, 17. Oktober, spielt die Aichacher Bauernmusi, 20 Uhr, im Gasthof Brummer in Großinzemoos auf. Zum Abschluss gastiert das Tölzer Marionettentheater am Freitag, 23. Oktober, von 19.30 Uhr an im Barocksaal des Klosters Indersdorf.

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