Musik:Symphonische Einheit

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Honggi Kim hat schon jetzt alles, was ein junger, erfolgreicher Pianist haben muss. Vor allem uneingeschränkte Virtuosität. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Dirigent Victor Bolarinwa, die Sinfonietta und Klaviersolist Honggi Kim wirken beim Herbstkonzert gekonnt zusammen

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Ein Orchester ist immer so gut wie sein Dirigent. Dieser Satz gilt vor allem für Laienorchester; Philharmoniker spielen auch gut, wenn man ihnen einen Stümper vor die Nase setzt. Die Sinfonietta Dachau, ein Laienorchester, spielte bei ihrem Herbstkonzert im Dachauer Schloss ausgezeichnet; denn ihr Dirigent, Victor Bolarinwa, hatte einen besonders guten Tag und dirigierte sein Orchester bei Ouvertüre, Sinfonie und nicht zuletzt bei der Aufführung des Klavierkonzerts erstklassig. Das Herbstkonzert 2015 der Sinfonietta Dachau hatte nämlich, wie alle ihre Konzerte, den klassischen Aufbau Ouvertüre, Instrumentalkonzert mit jungen Solisten und Sinfonie. Höhepunkt dieses Abends im leider nur schwach besetzten Festsaal des Dachauer Schlosses war die Aufführung des 4. Klavierkonzerts G-Dur op. 58 von Beethoven.

Bolarinwa hatte als Solisten den jungen Südkoreaner Honggi Kim engagiert, der zur Zeit sein Klavierstudium an der Münchner Hochschule für Musik und Theater fortsetzt. Honggi Kim hat aber schon jetzt alles, was ein junger Pianist haben muss, um in die Elite der letztlich erfolgreichen Pianisten aufzusteigen. Das ist heutzutage vor allem uneingeschränkte Virtuosität. Ein junger asiatischer Pianist wird heute immer an Lang Lang gemessen, der außer der Virtuosität auch noch die Show beherrscht. Show aber wäre bei einer Aufführung des 4. Klavierkonzerts von Beethoven nicht angebracht.

Dieses Konzert beginnt mit einem piano und dolce zu spielenden Klaviersolo von fünf Takten, worauf das Orchester zunächst pianissimo antwortet, um dann erst in eine groß angelegte Orchestereinleitung überzugehen. Aber auch darauf reagiert der Pianist nur mit einigen ganz schlichten Pianotakten, bevor er in virtuose Passagen übergeht. In seinem 4. Klavierkonzert gelang es Beethoven, eine symphonische Einheit zwischen Solopart und Orchester zu erreichen, ohne aber des Solisten Drang zu virtuoser Entfaltung zu beschneiden. Das Erreichen dieser symphonischen Einheit war das Entscheidende bei dieser Aufführung im Dachauer Schloss. Das Zusammenwirken von Solist und Dirigent war außerordentlich gut. Man hat für dieses poetischste aller Beethoven-Klavierkonzerte viele poetische Bilder gesucht und gefunden, etwa für den zweiten Satz an Orpheus, der mit seinem Gesang die dunklen Mächte der Unterwelt besänftigt und besiegt. Für solche poetischen Bilder aber war das Musizieren des Pianisten und auch des Orchesters zu nüchtern. Der Zuhörer war von der Virtuosität des Pianisten und dem perfekten Zusammenspiel von Pianist und Orchester begeistert, von Beethovens Musik aber nicht bezaubert. Vom Geschmack des Pariser Publikums seiner Zeit spricht der 22-jährige Mozart recht abfällig. Ihm selbst hat man den Vorwurf gemacht, in seiner "Pariser Sinfonie" KV 297 durch allerlei musikalische Effekte zu sehr auf die Erwartungen des Pariser Publikums eingegangen zu sein. Victor Bolarinwa war bei seiner Aufführung sehr auf die Wirkung von Mozarts äußerem Glanz und Orchestereffekten bedacht und erzielte damit wohl die gleiche Wirkung wie Mozart einst in Paris.

Das ist nicht als Kritik zu verstehen. Eine Mozart-Sinfonie bleibt immer Mozart-Musik und gehört damit zum Vollendetsten, was die Musik zu bieten hat. Diesen Glanz hat Bolarinwa erreicht, wobei man sich etwas mehr dynamische Differenzierungen gewünscht hätte. Die Ouvertüre zur Oper "Sappho" des Oberpfälzers Johann Paul Martin ist ein Effektstück nach französischem Geschmack, freilich nicht von Mozarts Qualität. Bolarinwa begann sein Dachauer Herbstkonzert mit der nur äußerlich effektvollen großen Ouvertüre Martins und führte am Ende des Konzerts als Zugabe die "Titus"-Ouvertüre von Mozart auf. Das sind freilich zwei verschiedene Welten. Bolarinwa aber dirigierte beide "artgerecht". Seine Mozart-Zugabe wurde sogar wiederholt und gelang vor allem bei der zweiten Aufführung wahrhaft glänzend.

© SZ vom 26.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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