Zukunft MD:Stehenbleiben!

Zukunft MD: Das Architekturforum sieht die Schlote des ehemaligen MD-Heizkraftwerks als Dachauer Wahrzeichen.

Das Architekturforum sieht die Schlote des ehemaligen MD-Heizkraftwerks als Dachauer Wahrzeichen.

(Foto: Toni Heigl)

Das Architekturforum erachtet das Heizkraftwerk als so prägend für Dachau, dass es erhalten werden sollte. Gegenüber dem Stadtrat begründet es den Vorschlag mit der industriegeschichtlichen Bedeutung des Bauwerks.

Von Viktoria Großmann, Dachau

Kletterhalle, Konzertsaal, Möbelhaus: Es ließe sich vermutlich so einiges machen aus dem alten Heizkraftwerk auf dem MD-Gelände. Die Umnutzung von Industriegebäuden gilt seit ein paar Jahren als schick, es gibt einige Beispiele dafür. In München etwa hat ein Möbelhaus ein Kraftwerk an der Drygalskiallee in Forstenried bezogen. Im Gärtnerplatzviertel wurden Wohnungen für 15 Millionen Euro im ehemaligen Kraftwerk an der Müllerstraße 7, heute "Seven", verkauft.

In Dachau setzt sich das Architekturforum für den Erhalt des Kraftwerks auf dem MD-Gelände mitsamt seinen drei Schloten ein. In einem offenen Brief an den Oberbürgermeister und den Stadtrat erklären sie, warum das Bauwerk aus ihrer Sicht für die Stadt wichtig ist. Das Gelände, so ihre Ansicht, braucht kein neues Wahrzeichen, es hat schon eines: das 65 Meter hohe Kraftwerk. "Wenn man das sieht, weiß man, worum es geht", fasst die junge Architektin Veronika Pöllmann knapp zusammen, was ihr das Gebäude bedeutet.

Sie möchte den industriellen Charakter des Areals erhalten. Sogar ihre Diplomarbeit hat Pöllmann vor einigen Jahren über die Gestaltung des MD-Geländes geschrieben. Damals waren noch ein Museum für Zeitgeschichte und Hochschuleinrichtungen im Gespräch. Diese hätten im Kraftwerk und in den denkmalgeschützten Hallen einen idealen Standort, findet sie. Denn es ist nicht so, als ob im neuen Viertel die Geschichte vergessen würde: Papierhalle, Kalanderhalle, Wasserturm und Papiermuseum bleiben als Zeugen der Industriegeschichte erhalten. Nun sind zwar einige Nutzungspläne bereits vom Tisch, doch Pöllmann ist sich sicher, dass für das Kraftwerk ein Investor gefunden werden könnte. Notfalls eben für eine Freizeitnutzung wie Klettern oder Bouldern, also Klettern ohne Seil.

Für das Architekturforum ist das Kraftwerk ein Symbol für das, wie sie schreiben, "normale" Dachau. Darunter verstehen sie: "Einen Ort mit Industrie und Gewerbe, an dem Menschen arbeiten und leben, seit vielen hundert Jahren. Nicht der Wittelsbacher-Sitz, nicht die Künstlerkolonie, nicht der Ort des NS-Terrors. Somit ist das Kraftwerk ein wahrhaft identitätsstiftendes Gebäude: ein weithin sichtbares Symbol Dachauer Industriegeschichte, ein wichtige Landmarke und ein fester Bestandteil der Dachauer Stadtsilhouette", so heißt es im offenen Brief.

Auch die Architektin Verena Trojan findet das Gebäude interessant. Allerdings ging man zur Zeit des städtebaulichen Wettbewerbs 2008 davon aus, dass das Gebäude abgerissen werden soll. Der Hochpunkt in ihrem Gewinnerentwurf ist ein neues Gebäude, weiter im Norden, deutlich näher am Stadtbahnhof. Würde das Kraftwerk erhalten bleiben, müsste der städtebauliche Entwurf von Trojan, Trojan und Partner vollständig umgearbeitet werden. Die Bahnrandstraße, wie sie jetzt geplant ist, hätte keinen Platz. Zugleich ist das Kraftwerk, weil darin viel Asbest verbaut wurde, eines der am meisten belasteten Gebäude auf dem Areal.

Es kann nicht gesprengt werden, wie der Agfa-Turm in München, sondern muss von Hand Stück für Stück abgebaut werden. Allein das soll etwa zwei Jahre dauern. Das heißt allerdings auch, dass das Gebäude saniert werden kann. "Technisch ist das sicher machbar, wenn auch nicht leicht", schätzt Josef Baur ein. Der ehemalige MD-Angestellte für Elektroplanung ist als Verwalter auf dem Gelände tätig. Die Frage sei, was am vom Bau übrig bleibt, wenn alle Maschinen, Öfen und teils meterdicken Betonschächte sowie die schadstoffbelasteten Flächen entfernt sind: nicht viel mehr als eine recht dünne Hülle in Backsteinbauweise. Im Jahre 1955 ging das Kraftwerk in Betrieb. Lange nur mit einem Schlot. Später kamen zwei weitere. Mitte der Neunzigerjahre wurde sogar geprüft, die Schlote auf etwa 80 Meter zu erhöhen. Gebaut wurde dann nie.

Geht es nach dem Architekturforum, lässt die Stadt prüfen, ob und wie das Heizkraftwerk erhalten werden kann und erteilt Trojan, Trojan und Partner den Auftrag, das Areal überplanen zu lassen. Allerdings stehen die Architekten, auch wenn sie während der Planungswerkstatt zur Bürgerbeteiligung teils Zuspruch fanden, im Widerspruch zur Meinung vieler anderer Bürger, denen bereits 15 Geschosse zu hoch sind. Geeinigt hatten sich die Bürger auf eine Maximalhöhe für die Neubebauung von etwa 40 Metern, das entspricht der Rumpfhöhe des Heizkraftwerks.

Ein anderer Vorschlag des Dachauer Architekturforums wäre wohl einfacher durchzusetzen: Statt "Mühlbachviertel", wie es die Dachau Entwicklungsgesellschaft (DEG) als Eigentümer nach dem kleinen Gewässer benennt, solle das Quartier "Papierviertel" heißen. Wenigstens im Namen bliebe so die Erinnerung an die MD-Geschichte erhalten.

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