Dachau:So gut wie früher

Otto Göttler, Josef Brustmann und Petra Amasreiter hauchen dem Bairisch Diatonischen Jodelwahnsinn neues Leben ein. Das Publikum freut sich über die Mischung aus Satire und Crossover

Von Angelika Aichner

Dachau - An ein Comeback des Bairisch Diatonischen Jodelwahnsinns hatte niemand geglaubt - auch nicht Otto Göttler und Josef Brustmann, die jahrelang mit der Teufelsgeigerin Monika Drasch musiziert hatten. Gegründet 1986, befreiten die drei die Volksmusik von ihrem Mief und amüsierten das Publikum mit Liedern wie der McDonald's-Parodie "Hunger kriag i glei". Dass sich das Trio 2002 schließlich trennte, fanden ihre Anhänger schade. Aber die Fans sind geblieben. Immerhin spielte die Gruppe - sie tourt momentan mit ihrem neuen Programm "Die Zeit ist reif" - am Sonntag vor einem beinahe vollen Saal im Ludwig-Thoma-Haus. Nur Drasch fehlte; sie wurde durch die Geigerin Petra Amasreiter ersetzt.

Sonst hat sich allerdings wenig geändert. Die Texte sind nach wie vor kurios und komisch. Und vor allem politisch. So singt Brustmann ohne eine Miene zu verziehen: "Ein genialer Schauspieler ist Sigmar Gabriel schon; er ist Dick und Doof in einer Person." Den Zuschauern gefällt es. Sie trampeln mit den Beinen, als seien es Maschinenhämmer. Sie trampeln so laut, dass der Fußboden vibriert. Das tut er auch, als Brustmann Franz Josef Strauß nachträglich zu seinem einhundertjährigen Geburtstag gratuliert, obwohl er ihn ja nicht gemocht habe. Und dann legt er noch einen drauf und bemerkt, wieder in seiner wunderbar emotionslosen Art und Weise, dass die Beerdigung von Strauß gar nicht mal so einfach gewesen sei, weil der CSU-Politiker "für vier Sargträger zu schwer, für sechs zu kurz" gewesen sei.

Dachau: Petra Amasreiter und Otto Göttler singen und spielen den Jodelwahnsinn.

Petra Amasreiter und Otto Göttler singen und spielen den Jodelwahnsinn.

(Foto: Toni Heigl)

Es sind vor allem diese Pointen, die beweisen, dass es richtig war, einen Neubeginn zu wagen. Weil das Publikum gerade in den Momenten "toll!" und "wunderbar!" ruft, brüllt. Und weil dadurch klar wird, dass die Neue Volksmusik nicht eindimensional ist, dass sie klug sein kann und spannend. Das Genre entstand, weil viele Vertreter der Volksmusik traditionelle und moderne Formen verbinden wollten. Dementsprechend kombiniert der Bairisch Diatonische Jodelwahnsinn auch Elemente der volkstümlichen Musik mit solchen aus Blues, Rap oder Rock. So spielen sie neben der Ziehharmonika und der Zither etwa auch Geige, Gitarre und Ukulele. Damit entsprechen sie auch dem weltweiten Trend zum Crossover der Stilarten.

Es wäre nicht richtig, die drei Musiker lediglich auf ihre politischen Ansichten zu reduzieren, weil ihr Spektrum breiter ist. Sie können gleichermaßen tiefgründig, seicht und frivol sein. Sie besingen eine Plastiktüte; sie belustigen sich an den sozialen Netzwerken ("Der Knut ist online, aber immer allein."); für ein Lied über Sigmund Freud funktionierte Göttler kurzerhand ein Hemd in eine Zwangsjacke um und entblößte anschließend seinen nackten Oberkörper. Aber da gibt es eben auch noch die melancholischen Momente. Wenn das Trio etwa die eigene Sterblichkeit thematisiert. Oder wenn Amasreiter - die im übrigen eine wunderbare Musikerin ist - auf ihrer Geige "Csárdás" von Vittortio Monti spielt. Famos ist dabei, dass die zweieinhalb Stunden, in denen sie auf der Bühne stehen, sehr oft improvisiert, aber gerade deswegen so sympathisch wirken. Wenn etwa Göttler seinen Einsatz verpasst, erinnert Brustmann ihn daran, dass im Saal nebenan eine Veranstaltung zum Thema Demenz stattfindet.

Dachau: Petra Amasreiter.

Petra Amasreiter.

(Foto: Toni Heigl)

Gerade das Improvisierte, das herrlich Unperfekte finden die Zuschauer gut. Viele von ihnen haben den Bairisch Diatonischen Jodelwahnsinn schon vor Jahren live gesehen und freuen sich, dass die Band wieder auftritt. Vielleicht auch deshalb, weil es beweist, dass die volkstümliche Musik nicht tot ist, dass da immer noch was geht. Josef Brustmann gastiert Solo am Samstag, 10. Oktober in der Kulturkreiskneipe Haimhausen.

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