Dachau:Schrille Scheidung

Nach 120 Jahren kündigt das Forstamt der Stadt Dachau die Zusammenarbeit auf. Förster Franz Knierer wirft der Verwaltung vor, die Bewahrung des Stadtwalds zu erschweren.

Von Julian Erbersdobler, Dachau

Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Fürstenfeldbruck hat den mehr als 120 Jahre bestehenden Betreuungsvertrag mit der städtischen Forstverwaltung für den Dachauer Stadtwald gekündigt. Die Große Kreisstadt muss sich jetzt einen neuen Förster suchen, denn Franz Knierer wird sich zum Jahresende aus dem Stadtwald zurückziehen. Der Kreisvorsitzende des Bund Naturschutz Dachau, Roderich Zauscher, nennt die Entscheidung ein "dick unterstrichenes Alarmzeichen".

"Für mich ist es ein bisschen wie das Ende einer Beziehung", sagt Förster Franz Knierer im Gespräch mit der SZ. "Man merkt irgendwann, dass es keinen Sinn mehr macht." Daran habe auch eine Aussprache mit der Stadtverwaltung nichts ändern können, so Knierer weiter, der sich die Kündigung nach 28 Jahren "harter Arbeit für den Stadtwald" nicht leicht gemacht hat.

Er begründet die Kündigung vor allem mit "der mangelnden Wertschätzung des Waldes" von Seiten der Stadt. Die Signale der Dachauer Verwaltung seien "besonders in den vergangenen beiden Jahren" sehr negativ gewesen, sagt er. Einzelne Personen möchte er nicht nennen, "das wäre unfair". Beispiele, was er mit seiner Kritik meine, habe er indes genügend. Ein Thema beschäftigte ihn besonders: die mögliche Erweiterung des Sportvereins ASV Dachau. Dessen Areal liegt unmittelbar am Stadtwald. "Mir wurde von der städtischen Verwaltung deutlich signalisiert, dass der Ausbau des Sportvereins wichtiger ist, als der Schutz des Waldes". Und das, obwohl noch gar nichts entschieden sei. In diesem Zusammenhang sei auch das Wort "alternativlos" gefallen, so Knierer weiter. Wegen der Ausbaupläne sieht der Förster Funktion und Qualität des Stadtwalds durch die Kommunalpolitik als gefährdet an: "Jetzt interessiert sich anscheinend niemand mehr dafür, dass es sich um einen Bannwald handelt." Also um eine besonders geschützte Fläche, die ihrerseits wichtig für die klimatischen Bedingungen im Stadtgebiet ist. Knierer wirft dem Dachauer Rathaus "fehlende Kommunikation" und "mangelndes Verständnis" vor. In letzter Zeit sei es auch immer wieder zu einzelnen Streitfällen gekommen, erzählt er. "Die Stadt hat sich einfach immer mehr eingemischt."

Dachau: Rückzug nach 28 Jahren: Förster Franz Knierer wird von 2016 an nicht mehr für die Betreuung des Dachauer Stadtwaldes zuständig sein.

Rückzug nach 28 Jahren: Förster Franz Knierer wird von 2016 an nicht mehr für die Betreuung des Dachauer Stadtwaldes zuständig sein.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Nun kann Knierer allerdings niemandem kündigen, sondern seine Vorbehalte nur bei der Behörde und dessen Führung vortragen. Hans-Jürgen Gulder bestätigt, dass es in letzter Zeit "Stress" wegen des Dachauer Stadtwalds gegeben habe. Er betont allerdings, dass die Entscheidung, das Gebiet abzugeben, auch mit dem allgemeinen Stellenabbau zu tun" habe. Die Forstreform von 2005 zwinge auch ihn, "drastisch" Stellen im öffentlichen Dienst zu streichen. "Das ist der Hauptgrund für den Rückzug in Dachau", sagt er.

Von der Stadt war keine Stellungnahme zu erhalten. Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) will sich erst dazu äußern, wenn ihm die Unterlagen einschließlich der Kündigung schriftlich vorliegen. Der Kreisvorsitzende des Bundes Naturschutz, Roderich Zauscher, kann Knierers Entscheidung nachvollziehen. "Hier ist auf jeden Fall massiv gegen den Stadtwald gearbeitet worden." Er zieht einen Bogen zur Wachstumspolitik im Landkreis. Ständig gehe es den Mandatsträgern nur um neues Gewerbe anstatt um den Schutz der Wälder - "koste es, was es wolle". Seiner Meinung nach müssten sich die Politiker genau für das Gegenteil einsetzen: "Der Bannwald muss gestärkt werden und damit die Lebensqualität der Bürger." Den kommunalen Umgang mit dem Stadtwald bezeichnet er als "externe Fehlplanung und Entwicklung". Dadurch sieht er auch die "jahrzentelangen Verdienste" von Beratungsförster Franz Knierer in Gefahr. Zauscher fordert deshalb: "Die Stadt muss endlich erkennen, dass auch sie ihre natürlichen Grenzen hat."

Dachau: Oberbürgermeister Florian Hartmann (links) mit AELF-Behördenleiter Hans-Jürgen Gulder.

Oberbürgermeister Florian Hartmann (links) mit AELF-Behördenleiter Hans-Jürgen Gulder.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Bis zum Ende des Jahres muss sich die Verwaltung jedenfalls Gedanken über eine neue Forstbetreuung machen. Franz Knierer empfiehlt dafür die Waldbesitzervereinigung. Er selbst hat auch nach Jahresende noch ausreichend zu tun. "Der Stadtwald hat gerade einmal fünf Prozent meiner Tätigkeit ausgemacht", sagt er. Er wird seine Aufgaben als staatlicher Beratungsförster des westlichen Landkreises auch weiterhin ausüben. Aber die Bewahrung des Stadtwalds war Knierers großes inneres Anliegen: "Es tut mir schon ein bisschen im Herzen weh, wenn ich den Stadtwald nicht mehr habe."

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