Sport:Schnell, schneller, am schnellsten

Lesezeit: 2 min

3000 Zuschauer sehen das temporeichste Bergkriterium des vergangenen Jahrzehnts. Johannes Weber vom Team Stuttgart gewinnt das Eliterennen mit einem Punkt Vorsprung vor Lorenz Knauer

Von Benjamin Emonts, Dachau

Es beginnt gerade zu regnen, als Lorenz Knauer schweren Schrittes zur Siegerehrung schreitet. Dem 26-Jährigen steht die Enttäuschung deutlich ins Gesicht geschrieben. Sein Traum, das prestigeträchtige Dachauer Bergkriterium zum dritten Mal zu gewinnen, ist soeben geplatzt - er wurde hauchdünn geschlagen. Anstatt selbst die 1000 Euro Siegprämie entgegenzunehmen, muss er nun zusehen, wie Johannes Weber den Siegerpokal in die Höhe hält. Florenz Knauer macht die schmerzliche Erfahrung, um eine Radlänge geschlagen worden zu sein.

Und dennoch ist Johannes Weber, 21, vom Team Stuttgart ein verdienter Sieger. Fast 20 der 44 Runden führte der Halb-Profi, der hauptberuflich Elektriker ist, das hochkarätig besetzte Teilnehmerfeld mit 100 Startern an. Schließlich überquerte er als erster die Ziellinie. "Junge, du hast gerade das Dachauer Bergkriterium gewonnen. Das ist ein Monument in Bayern", sagt ein Freund danach und fällt ihm euphorisch um den Hals. Weber grinst über das ganze Gesicht - und verrät: "Insgeheim habe ich schon mit dem Sieg gerechnet."

Husch und vorbei: Im Eliterennen brachten es die Besten auf eine Durchschnittgeschwindigkeit von fast 40 Kilometern pro Stunde. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Webers Freund indes liegt richtig, wenn er das Dachauer Bergkriterium als Monument des Bayerischen Radsports bezeichnet. Auch die 64. Ausgabe des Bergkriteriums am vergangenen Samstag überzeugt durch ihr hohes sportliches Niveau und eine tolle Atmosphäre im Zielraum vor dem Rathaus. Dort versammeln sich wieder 3000 Zuschauer, wie Wolfgang Moll vom veranstaltenden Radsportverein Soli Dachau schätzt. Begleitet von der Dachauer Knabenkapelle feuern die Zuschauer an und lindern dadurch die Strapazen, welche die kräftezehrenden Anstiege und spektakulären Abfahrten über das Kopfsteinpflaster den Radfahrern abverlangen. Das Dachauer Streckenprofil, das Ambiente suchen immer noch seines gleichen, wie Sieger Weber resümiert: "Es ist eines der schwierigsten Kriterien in ganz Deutschland. 44 Mal diesen Berg hochfahren - das geht voll auf die Ausdauer."

Im Gegensatz zu einem Rundstreckenrennen sammeln die Radfahrer bei einem Kriterium Wertungspunkte. In Dachau müssen sie insgesamt 44 Runden zu je 1,375 Kilometern abspulen. Nach jeder vierten Runde steht eine Wertung an. So erhält der Erste fünf Punkte, der Zweite drei, der Dritte zwei und der Vierte einen Punkt. Vor der letzen Wertung, bei der es die doppelte Punktzahl gibt, liegt Weber sieben Punkte hinter Knauer. Somit ist klar, dass er als Erster die Ziellinie überqueren musste, um die Gesamtwertung zu gewinnen - vorausgesetzt Knauer kommt bei der letzten Wertung nicht über Platz vier hinaus. Schließlich trifft exakt diese Konstellation ein: Weber gewinnt mit 24 Punkten vor Knauer mit 23.

Völkerverständigung im Sattel: Zum U17-Rennen startete ein Nationalteam aus Israel (li,) und ein Regionalteam aus der französischen Region Limoges. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Grund, sich zu grämen, hatte allerdings keiner der Teilnehmer. Die Gesamtstrecke von 60,5 Kilometern legten sie mit der beeindruckenden Durchschnittgeschwindigkeit von fast 40 Kilometern pro Stunde zurück. Der Moderator staunte: "Das war das schnellste Rennen der vergangenen Jahrzehnte." Ob dabei alles mit rechten Dingen zugegangen ist, kontrollierte nach Aussage von Oberbürgermeister Florian Hartmann die Nationale Anti-Dopingagentur (Nada). "Ich musste dazu einige Toiletten im Rathaus aufsperren", verriet der OB während des Rennens.

Dem völkerverbindenden Charakter des diesjährigen Bergkriteriums konnte dies keinen Abbruch tun. Erstmalig waren zum Rennen der unter 17-Jährigen ein Nationalteam aus Israel und ein Regionalteam aus der französischen Region Limoges angetreten. Der 15-jährige Etan Levy aus Israel verpasste als Vierter denkbar knapp einen Platz auf dem Podium. Dennoch sagte er: "Es war eine Ehre für mich, hier mitfahren zu dürfen. In Dachau das israelische Trikot zu tragen, war eine große Motivation."

© SZ vom 17.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: