Dachau:Reformmüde

Dachau: "Das G9 wird kommen, früher oder später", sagt der SPD-Landtagsabgeordnete Martin Güll.

"Das G9 wird kommen, früher oder später", sagt der SPD-Landtagsabgeordnete Martin Güll.

(Foto: Niels P.Jørgensen)

Der Dachauer SPD-Landtagsabgeordnete feiert bereits die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium. Den Lehrern im Landkreis ist dies gar nicht so wichtig. Skeptisch allerdings sehen sie die freie Wahl

Von Maximilian Böttcher, Dachau

Der Dachauer SPD-Landtagsabgeordnete Martin Güll sieht das neunjährige Gymnasium (G9) kurz vor seiner Wiedereinführung. Er und die SPD im Landtag hätten damit ihr Ziel erreicht. Im Landkreis würde das zumindest teilweise auf Zustimmung stoßen. Am meisten aber wünschen sich Lehrer, Eltern und Schüler, dass endlich die Diskussionen aufhören und ein verlässliches System eingeführt wird.

Einheitlichkeit brauche das bayerische Schulsystem, sagt Erwin Lenz, Schulleiter des Ignaz-Taschner-Gymnasiums in Dachau. Ob sich das Kultusministerium nun für ein acht- oder neunjähriges Gymnasium entscheidet, ist ihm relativ gleichgültig. Hauptsache, eine Form statt verschiedener Wahlmöglichkeiten, wie Flexijahr oder Mittelstufe plus. "Es wird zum totalen Chaos in der bayerischen Schullandschaft kommen, wenn wir es nicht schaffen, uns auf ein einheitliches Gymnasium zu einigen." Dabei fürchtet Lenz vor allem große Schülerwanderungen, sollte es in den nächsten Jahren die Möglichkeit geben, sich nicht nur zwischen verschiedenen Schulen sondern auch noch zwischen zwei verschiedenen Schulsystemen zu entscheiden.

Lenz und sein Kollegium wünschen sich von der geplanten Schulreform besonders eine im Lehrplan vorgesehene Intensivierung des Stoffes. Außerdem ist man am Ignaz-Taschner-Gymnasium der Meinung, dass in das "Kurieren der Nebenwirkungen des G8" zu viel Zeit und Kraft investiert werde. Zeit und Kraft die dringend nötig ist, um das Lernpensum zu bewältigen, welches den Schülern auferlegt wird. Die Vorsitzende des Elternbeirats des Ignaz-Taschner-Gymnasiums Birgit Fink findet, dass sich die Schulen stärker aufs Abitur konzentrieren sollten. Das neunjährige Gymnasium findet sie dafür zielführender. "Durch die zeitliche Entzerrung der Stoffvermittlung", so sagt sie, könnte es mehr Schülern ermöglicht werden "das Gymnasium mit einem guten Abitur in der Tasche zu verlassen".

Fast 14 Jahre ist es her, dass das G8, also das achtjährige Gymnasium bayernweit eingeführt wurde. Die Schüler des G8 erhalten, wenn alles nach Plan läuft, schon nach zwölf Jahren Schule ihr Abitur und nicht erst wie früher nach 13 Jahren. Kaum hatte man also mit viel Aufwand alle Gymnasien auf die verkürzte Schulzeit umgestellt, wurden schon die ersten kritischen Stimmen laut. Besonders in den vergangenen Jahren plädierten immer mehr Leute für eine Rückkehr zum G9. Und um den Wahnsinn perfekt zu machen, forderten einige auch noch ein zehnjähriges Gymnasium. Manch andere Bundesländer zeigten sich offen für die Kritik und haben bereits eine erneute Reform auf den Weg gebracht. Jetzt sieht sich auch der Freistaat unter Zugzwang. Jahrelang habe die CSU alle Vorschläge der SPD abgeschmettert, klagt Martin Güll. Der bildungspolitische Sprecher deutet es als ein gutes Zeichen, dass nun Ministerpräsident Horst Seehofer selbst verkündet habe, dass 70 Prozent aller Schüler mit dem G9 besser zurecht kämen. "Die Erfahrung zeigt, wenn Seehofer eine klare Ansage macht, dann dreht sich der Wind in Bayern."

Eltern und Lehrer im Landkreis bleiben noch vorsichtig in ihrer Einschätzung. Der Elternbeirat des Josef-Effner-Gymnasiums, wünscht sich, dass in Zukunft die menschliche Entwicklung der Kinder mehr im Mittelpunkt stehe. Das Mittel zum Zweck ist für sie "eine eventuell flexiblere Schulform". Also mehr Möglichkeiten für die Gymnasiasten, ihren Bildungsweg nach eigenen Vorstellungen, Interessen und Begabungen anzupassen.

Die Lösung zur Behebung der Missstände ist in den Augen der meisten Lehrer und Eltern eine bessere Finanzierung des bayerischen Schulwesens. "Besonders nötig sind natürlich genügend finanzielle Mittel, viel Engagement und kluge Köpfe" wie es in einer Stellungnahme von Seiten des Elternbeirats des Josef-Effner-Gymnasiums heißt. So weit so gut. Aber woher die finanziellen Mittel und die klugen Köpfe kommen sollen und wie der Freistaat die Wünsche von Eltern, Lehrern und Schülern nun unter einen Hut bringen will, bleibt weiterhin ungeklärt. "Besonders weil Land und Kommunen immer noch versuchen, sich gegenseitig den schwarzen Peter zuzuschieben", erklärt Martin Güll. Mit anderen Worten: Wenn der Freistaat eine Gesetzesänderung beschließt, muss er auch für die Durchführung aufkommen, wenn er aber den Kommunen die Wahl lässt und diese sich für das G9 entscheiden, müssen diese auch für die Reform aufkommen. So lautet das Konnexitätsprinzip in der Politik. Die Wiedereinführung des G9 bedeutet auch, dass die im Landkreis ohnehin schon sehr vollen Gymnasien noch mehr Platz brauchen - für eine ganze Klassenstufe zusätzlich.

Für die Dachauer wäre das aber kein so großes Problem, erklärt der bildungspolitische Sprecher der Landtags-SPD. Denn ein viertes Gymnasium wurde bereits bewilligt und somit stehen genügend Kapazitäten für das neunjährige Gymnasium zu Verfügung. Aller Voraussicht nach wird es dennoch einige Zeit dauern, bis sich Regierung und Opposition auf ein praktikables Vorgehen geeinigt haben. Martin Güll aber ist sich sicher: "Das G9 wird kommen, früher oder später."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: