Szenario:Mit viel Gefühl

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Der Festakt zum 50. Jubiläum der Zeitschrift "Amperland" für die drei Landkreise Dachau, Freising und Fürstenfeldbruck

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Weil die Festvorträge zum 50. Jubiläum der Zeitschrift Amperland in die Höhen wissenschaftlicher Weihen geführt haben und sich alle Redner im großen Sitzungssaal des Dachauer Landratsamts so ultimativ einig gewesen sind, wie nötig diese historische Publikation ist, muss nochmals an die Krise vor ungefähr zehn Jahren erinnert werden. Damals waren die beiden Landkreise Fürstenfeldbruck und Freising knapp davor, die Zeitschrift endgültig zu kippen. Nur die Dachauer wollten sie erhalten. Den kommunalpolitischen Vertretern ging es nicht nur ums Geld. Außerdem kann sich jeder der Kreisstädte und der Landkreise einen gemeinsamen Zuschuss von jährlich 50 000 Euro abzüglich der Einnahmen von 800 Abonnements leisten. Vielmehr stellten sie die Sinnfrage.

Nun hat das Redaktionsteam um den Historiker Wilhelm Liebhart aus Altomünster rechtzeitig zum Festakt das neueste Heft herausgebracht. Darin beleuchtete Paul Hoser die Zeit des Nationalsozialismus in Stadt und Landkreis Freising. Erstmals befasst sich ein ausgewiesener Historiker mit den kommunalpolitischen Vorgängen dieser Region auf der Grundlage des Quellenstudiums. Eigentlich wollte Hoser für das Amperland nur einen kleinen Beitrag schreiben. Daraus wurde ein Manuskript von 280 Seiten, das nun in mehreren Teilen veröffentlicht wird. Das Amperland bietet sich dafür ein, weil es vierteljährlich erscheint.

Der erste Beitrag befasst sich mit der so genannten Machtergreifung, welche der SA in Freising tatsächlich machtvoll gelang. Von überregionalem Interesse dürfte der Aufsatz von Bernd Schoßig sein, dem früheren Leiter der Dachauer Jugendgästehauses und Dozenten an der historischen Fakultät in Ludwig-Maximilians-Universität. Er plädiert für einen neuen Blick auf die Alltagsgeschichte im Nationalsozialismus, auch mit dem Ziel, die Lebensumstände vieler Künstler zu beschreiben. In diesem Sinne gibt Schoßig die Idee der Zeitschrift wieder, die sich auf die Schnittstellen zwischen der allgemeinen Geschichte, der bayerischen Landesgeschichte und den Ereignissen in der jeweiligen Region konzentriert.

Am Freitag wurden die Krisenzeiten der Zeitschrift in den Festreden nur angedeutet und dabei der Eindruck erweckt, dass wohl niemand mehr Sinn und historischen Auftrag in Zweifel ziehen will. Der Freisinger Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher hob im kurzen Gespräch mit der SZ "die interregionale Verknüpfung" der drei Landkreise als besondere Leistung der Zeitschrift hervor. Damit reihte er sich in die offiziellen Lobreden ein, beispielsweise seines Dachauer Kollegen Florian Hartmann, des Dachauer Landrats Stefan Löwl und der stellvertretenden Fürstenfeldbrucker Landrätin Martina Drechsler.

Amperland-Chefredakteur Wilhelm Liebhart und seine Riege an Redakteuren beim Festempfang zum 50-jährigen Bestehen der Zeitschrift (Foto: Toni Heigl)

Während die drei Kommunalpolitiker eher nüchtern von regionaler Kooperation sprachen, gönnte sich Amperland-Chefredakteur Wilhelm Liebhart etwas Pathos: "Das Amperland ist das historische Gewissen unserer Heimat." Festredner Alois Schmid, den Liebhart als "Doyen der bayerischen Landesgeschichte" vorstellte und der Lehrstuhlinhaber in München ist, verdeutlichte den Forschungsgegenstand des Amperlands mit den Worten: "Die drei Landkreise sind das Herz Altbaierns." Mehr Bedeutung geht wohl nicht, als eben dieser gesamten Region "eine literarische Stimme und ein kulturelles Profil verschafft" zu haben.

Der Kreis aus Autoren des Amperlands, Vertreter der historischen Forschung und der landkreisweiten Dachauer Geschichtswerkstatt, der Museumsvereine und den Spitzen der Kommunalpolitik aller drei Landkreises durften sich bestätigt fühlen. Denn Alois Schmid sieht die Regionalgeschichte, das Quellenstudium vor Ort und auch die Dokumentation mündlicher Überlieferung als entscheidend für Zukunft der gesamten Landesgeschichte an. Die Auszeichnung verstand er nicht als eine der üblichen Komplimente, die man halt zu einem feierlichen Anlass verteilt. Er band sie in eine Analyse der Geschichtswissenschaften ein, die ihren Auftrag neu bestimmen und auch aktualisieren muss. Er bewertete "die Regionalgeschichte als einen gewichtigen Faktor im entstehenden Europa der Regionen".

Anscheinend liegt diese Botschaft im Trend. Denn wie der oberbayerische Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler, der im Landkreis Dachau lebt, ausführte, entsteht gerade "ein Hype um die Heimatgeschichte". Einerseits müsse man sich freuen, dass der Begriff "Heimat" auf so großes Interesse stoße, sagte er. Andererseits müssten solche boomartigen Entwicklungen mit einem gewissen Argwohn beobachtet werden. Deshalb findet er die Zeitschrift Amperland, der er sich selbst als Autor familiär verbunden fühlt, so wichtig. Denn: "Wir brauchen eine gelassene Kontinuität."

© SZ vom 31.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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