Dachau:Mit Falschgeld bezahlt

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Jugendgericht erteilt einem 20-jährigen Mann Arbeitsstunden

Von Gregor Schiegl, Dachau

Geldfälschung in Tateinheit mit Betrug, so lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Erst im Verlauf des Verfahrens realisierte der 20-jährige Angeklagte, was er sich da eingebrockt hat. Dass ihm Knast droht, ein Jahr Minimum, im schlimmsten Falle sogar fünf. "Es musste bei ihm erst ein Bewusstsein geschaffen werden, dass das ein Verbrechenstatbestand ist", sagt der Verteidiger über seinen Mandanten, der am Mittwoch auf der Anklagebank des Dachauer Amtsgerichts sitzt, blass und sichtlich eingeschüchtert.

Im März hatte der damals 19-Jährige in einer Dachauer Tankstelle eine Schachtel Zigaretten und ein Heft Zigarettenpapier gekauft. Er bezahlte mit einem Fünfzig-Euro-Schein. Einen weiteren Fünfzig-Euro-Schein ließ er sich in kleinere Scheine wechseln. Erst als der Angeklagte schon wieder draußen war, fiel dem Tankstellenverkäufer auf, dass sich die Scheine "komisch" anfühlten. Die Kontrolle mit dem Geldscheinprüfer bestätigte den Verdacht: Der Kunde, den er noch aus der gemeinsamen Zeit in der Grundschule kannte, hatte ihm soeben Blüten angedreht.

Der Angeklagte wohnt noch bei seinen Eltern, eine richtige Ausbildung hat er nicht, immer wieder begann er eine Lehre, brach sie wieder ab oder flog raus. Zuverlässigkeit ist nicht gerade seine Stärke. Beinahe hätte er sogar seine Verhandlung verschlafen. Dabei ist er jetzt wieder einigermaßen im Gleis, hat einen Job als Arbeiter im Schichtdienst, will seine Ausbildung nachholen, die Kurve kriegen.

Zur Tatzeit im März war der Dachauer erst 19, in seinem Leben herrschte damals großes Durcheinander, gerade erst hatte man ihn aus seiner Lehrstelle geworfen. In dieser "Zeit des Umbruchs", wie der Oberstaatsanwalt diese Lebensphase charakterisierte, war der Angeklagte mit Freunden auf einem Spielplatz in Dachau Süd. "Wir haben ganz normal gechillt", erzählt er. Ein Mann habe ihm angeboten, ihm 100 Euro zu geben - im Tausch gegen 60 Euro vom Angeklagten. Den Mann habe er nicht gekannt, offenbar war der Name, den er verwendete so falsch wie sein Geld. Auch in der Sammlung von Verdächtigen-Fotos, die ihm Jugendrichter Daniel Dorner vorlegt, kann er den Blüten-Lieferanten nicht identifizieren. Auf Dorners Vorhaltung, ihm müsse doch klar gewesen sein, "dass das zum Himmel stinkt", gibt sich der 20-Jährige unbedarft. "Mir ist erst später aufgefallen, dass das Geld nicht echt sein kann." Der Oberstaatsanwalt nimmt ihm das nicht ab. "Für so blöd halte ich Sie nicht", poltert er. "Aber Sie offenbar uns!"

Der Angeklagte wusste, dass er Falschgeld in Umlauf bringt: Ein bis zwei Monate habe es in seinem Zimmer gelegen, ehe er es ausgab. Seine Mutter soll ihn sogar noch beschworen haben, das Geld wegzuwerfen oder gleich zu verbrennen. Er hörte nicht auf sie. Jetzt sind die Eltern "sehr verstört und enttäuscht", heißt es von Seiten der Jugendgerichtshilfe. Der Angeklagte bemüht sich um Wiedergutmachung; den Schaden von 100 Euro hat er bereits beglichen.

Dass der Angeklagte den Gerichtssaal als freier Mann verlässt, der lediglich ein Arbeitswochenende absolvieren muss, ist allein dem Umstand zu verdanken, dass er nicht nach Erwachsenstrafrecht verurteilt wird, sondern nach Jugendstrafrecht, bei dem der erzieherische Ansatz im Vordergrund steht. Dem Angeklagten sei das Ausmaß seiner Tat nicht bewusst gewesen, hält Dorner dem 20-Jährigen in seiner Urteilsbegründung zugute. Im übrigen mache er einen "einsichtigen und reumütigen Eindruck". Allerdings bläut er dem jungen Mann auch ein, warum Geldfälschung als Verbrechen geahndet wird: "Das Vertrauen der Gesellschaft in die Echtheit der Zahlungsmittel ist die Grundlage unserer Wirtschaft", erklärte der Richter. Und sei Falschgeld erst mal im Umlauf, ziehe es Kreise.

Im Landkreis werden immer wieder Blüten sichergestellt, erklärt Polizeisprecher Roland Itzstein der SZ, allerdings komme dies nur sehr vereinzelt vor. Meistens entdeckten Einzelhändler die falschen Scheine in ihren Kassen. Häufig seien sie so gut gefälscht, dass dies für den Laien kaum erkennbar sei. Im Zweifelsfalls können Banken und die Polizei feststellen, ob ein Schein echt ist. Handelt es sich um Falschgeld, wird es allerdings eingezogen und nicht ersetzt.

© SZ vom 21.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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