Dachau:Michl Müller erklärt die Welt

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Begeistert sein Publikum in der ASV-Halle: Michl Müller. (Foto: Toni Heigl)

Von Renate Zauscher, Dachau

700 Menschen in der ASV-Halle und ein einziger, eher schmächtiger Mensch auf der Bühne: Was soll das werden? Der hier am Samstagabend vorne steht, ist Michl Müller. Mit ausgebreiteten Armen und dem Satz "Dachau - ich bin wieder da!" springt er aus den Kulissen, und es dauert keine drei Minuten, da hat er sein Publikum bereits fest im Griff.

Michl Müller ist Profi. Profi mit schneller Schnauze, frechem Witz und sicherem Gespür für das, was ankommt bei den vielen Menschen vor ihm. Eine Rampensau mit ausgeprägtem Entertainer-Gen, begabt mit großem parodistischem Talent und einer eher mittelmäßigen Stimme, die er, unterstützt von viel Technik, in seinen "Protestsongs" bestmöglich zum Einsatz bringt.

"Ausfahrt freihalten" nennt Michl Müller sein aktuelles Programm. Als Vorspann gibt es Bonmots zu tagesaktuellen Themen. Dazu etwa, dass wir "wieder beliebt sind", zum Wind aber auch, "der der Märkl ins Gesicht weht", und zum Wind, den Seehofer, "das größte Windrad, das wir in Bayern haben", macht. Natürlich fehlt auch Söder nicht ("a ang'schossener Hund bellt halt gern") oder der VW-Skandal: "Des muss da Pumuckl g'wen san".

Dann aber ist der Mann aus der Rhön, der seinen fränkischen Dialekt charmant einzusetzen weiß, auch schon mitten drin in seinem Thema: dem ganz gewöhnlichen Alltag mit seinen irrwitzigen Auswüchsen. Die Ausfahrt, die es frei zu halten gilt, ist nämlich zugeparkt mit "so am Drecks tiefer gelegten BMW". Nach halbstündigem Warten kommt dessen Fahrer herangeschlurft: ein "Halbmastindianer" mit dem "Hosenbund unterm Arsch" und dem "Schritt im Knie", der den Einfahrtsbesitzer in unnachahmlicher Hip-Hop-Pose wissen lässt: "He Alter, mach mal locker."

Es gibt viele Zeitgenossen, die Michl Müller nerven. Die militanten Rentner etwa mit Gehhilfe und Handy, die schnell mal einen Falschparker bei der Polizei denunzieren, oder die Latte-to-go-Mütter auf dem Spielplatz, die jede Bewegung ihrer Sprösslinge argwöhnisch beäugen. Ein wunderbares Thema sind für den Mann aus Franken natürlich auch die heutigen Ernährungsbedenkenträger. Veganern und Vegetariern, "gegen die ich nix hab", stellt er "Flexitarier" zur Seite, die "nur Fleisch von angefahrenen Tieren essen". Und dann gibt es noch die, die auf Bio, möglichst aus dem eigenen Garten, schwören - "aber da brauchst halt sehr viel Blaukorn".

Das Publikum in der ASV-Halle lässt sich am Samstagabend begeistern von Michl Müller, seinem ironischen Blick auf alle und jeden, seinen mal griffigeren, mal müderen Witzen und von seinem Talent, sich mit schnellen mimischen Wechseln und ein paar einfachen Gesten in die verschiedensten Zeitgenossen zu verwandeln. Den meisten Beifall aber bekommt Müller immer wieder für seine Songs. Der von der kultigen "Ingwerreibe" etwa, auf die sich "warum ich bei dir bleibe" reimt, oder vom tröstlichen Licht spät in der Nacht - das beim Öffnen der Kühlschranktür angeht. Müllers Texte sind einfach gestrickt, der Rhythmus aber meist mitreißend, und mit viel Lautsprechertechnik und Disko-Licht wird für große Showeffekte gesorgt. Am Schluss, nach einer fetzigen Rocknummer und ein paar weiteren Zugaben, stehen 700 Menschen im Saal, schwenken ihre Arme, singen, swingen, klatschen mit. Ein großer Erfolg für Michl Müller - und für sein begeisterungsfähiges Publikum.

© SZ vom 05.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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