Dachau:Meisterhaft

Blumes Klassische Harmoniemusik gelingt mit Beethoven das bislang beste Klassikkonzert des Jahres in Dachau.

Von Adolf Karl Gottwald

"Der Prophet gilt nichts im eigenen Lande" ist ein aus dem Evangelium Matthäus abgeleitetes Sprichwort. Bei den Dachauer Musikern gilt das vor allem für Hans Blume. Wenn man das Programm der Dachauer Schlosskonzerte der vergangenen und der laufenden Saison ansieht, findet man kaum wirklich erstklassige Ensembles. 2013 war das Streichquintett um Florian Sonnleitner die Ausnahme, heuer warten wir noch auf ein echtes Konzertereignis, das in der großartigen Tradition dieser städtischen Reihe bestehen kann.

Wäre aber Blumes Klassische Harmoniemusik im Programm, so wäre deren Auftritt der unbestrittene Höhepunkt dieser Saison geworden. Doch dieses Ensemble war nicht im Schloss zu hören, wegen des schlechten Wetters am Sonntag nicht einmal im Biergarten der Kulturschranne, sondern im Ludwig-Thoma-Haus - und das vor nur 30 Zuhörern. Das war angesichts der hier gespielten großartigen Werke und der unerhörten musikalischen und spieltechnischen Leistungen ein himmelschreiendes Missverhältnis zwischen musikalischem Event auf der einen Seite und Aufführungsort sowie Publikumsbeteiligung auf der anderen.

Was bescheiden angekündigt war, nämlich mit "Beethovens 7. Sinfonie in einem zeitgenössischen Arrangement für neun Bläser von 1816 und Werke von Beethovens Zeitgenossen Hummel und Krommer" erwies sich als spektakuläres musikalisches Ereignis. Wenn man von den Wiener Klassikern spricht, meint man Haydn, Mozart und Beethoven, wozu oft noch Franz Schubert als der klassische Liederkomponist an der Schwelle zur Romantik genannt wird. Alle anderen komponierenden Zeitgenossen dieser musikalischen Riesen werden als "Kleinmeister der Wiener Klassik" eher abgetan als gewürdigt.

Wie groß solche "Kleinmeister" sein konnten, zeigte Hans Blume mit einer Partita Es-Dur von Johann Nepomuk Hummel sowie einer Sinfonie für klassische Harmoniemusik des tschechischen Komponisten Franz Krommer, der eigentlich Frantischek Kramarsch hieß, was aber im Deutschen nicht gut klingt. Von Hummel kennt man nur Klaviermusik in der Nachfolge von Haydn und Mozart mit sehr virtuosem Passagenwerk, von Krommer eigentlich nichts - höchstens eine schroff ablehnende Äußerung Beethovens, der in Krommer einen Rivalen sah. Franz Schubert hat als Schüler den tschechischen Komponisten Kozeluch gegen Krommer, dessen Sinfonien in Wien beliebter waren, verteidigt.

Blumes Klassische Harmoniemusik brachte eine Sinfonie in C-Dur von Krommer zur Aufführung. Man hörte und staunte, welcher Reichtum an musikalischen Ideen und Farben sich hier auftat. Für die besondere Helligkeit in diesem Werk sind vor allem die hier erforderlichen C-Klarinetten verantwortlich, die Hans Blume und Hans Ernst wie vorher auch die B-Klarinetten exzellent bliesen. Doch die beiden Oboisten Hubert Schmid und Joachim Wilberg, die beiden Hornisten Peter Ternay und Manfred Giosele und die beiden Fagottistinnen Yoriko Ijiri und Monica Behnke sowie Christoph Wandinger am Kontrafagott musizierten auf Augenhöhe. Das Zusammenspiel dieses neunköpfigen Holzbläserensembles, eben einer "Klassischen Harmoniemusik", war in seiner Perfektion nahezu beispiellos.

Ein Zeitgenosse Krommers meinte, dessen Werke hätten "an Reichtum ungeborgter Ideen, Witz, Feuer, neuen harmonischen Wendungen und frappanten Modulationen innern Gehalt genug, um die Aufmerksamkeit der Liebhaber auf sich zu ziehen". Das kam in dieser Aufführung ideal zum Tragen. Dass die tschechischen Musiker mit Holzblasinstrumenten besonders gut umgehen konnten, ist ohnehin bekannt. Aber auch der österreichische Komponist Hummel verstand sich vorzüglich auf diese Art von Musik. Seine Partita in der für Bläser angenehmen Tonart Es-Dur hat, hier von bisweilen oberflächlichem Passagenwerk seiner Klaviermusik unbeeinflusst, das Format eines Haydn-Divertimentos. Dieses Werk in der inspirierten Interpretation von Hans Blume und seinem Ensemble zu hören, war ein wahrhaft klassischer Genuss.

Doch der Höhe- und Glanzpunkt der Matinee war die Aufführung von Beethovens 7. Sinfonie in einer Bearbeitung für Klassische Harmoniemusik. Dieses Werk kennt man von den besten Sinfonieorchestern unter berühmten Dirigenten gespielt, doch was Hans Blume mit seiner Harmoniemusik bot, wurde kaum etwa wegen des fehlenden Streichorchesters, als eine klangliche Verkürzung des Werks wahrgenommen, eher mit einer neuen, anders gearteten und unerwarteten Farbigkeit. Hier waren drei Komponenten gleichzeitig zu bewundern. Erstens natürlich Beethovens Komposition, dann die außerordentliche Geschicklichkeit des Arrangeurs von 1816 und die schier atemberaubende Spieltechnik des Ensembles - ein absolute Meisterleistung.

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