Dachau:Matt konturiert

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Wer Jazz spielen will, muss sich auf seine Partner einlassen und sehr genau zuhören können, wie Jonas Westergaard und Ronny Graupe von Field. (Foto: Toni Heigl)

Die Band Field und ein zwiespältiges Konzert beim Dachauer Jazzherbst in der Kulturschranne

Von Andreas Pernpeintner, Dachau

Ganz generell ist die zweite Hälfte des Konzerts der Berliner Gruppe Field beim Jazz e.V. in der Kulturschranne subtiler und geräuschhafter als das mitunter furiose erste Set. Aber wie die vier Musiker (Uli Kempendorff am Saxofon und an der Klarinette, Ronny Graupe an der Gitarre, Jonas Westergaard am Bass und Oliver Steidle am Schlagzeug) plötzlich eine leuchtende Klangkollage in den Raum modellieren, leise, versonnen, mit singenden Becken und hellen Glockentönen, ist in seiner pastellenen Farbigkeit wirklich zauberhaft. Eine Musik wie von einem Windspiel, flüchtig, schwebend.

Was war das demgegenüber vor der Pause doch für ein Klanggewitter gewesen, als Gitarrist Graupe nach mehreren geschmackvoll virtuosen, skalenbasierten Soli sein Instrument unvermittelt in akkordischer Wucht brachial durch den Verstärker tönen ließ, mit Effekten verfremdet zu heftiger, obertonreicher Eruption! Ein Jimi-Hendrix-Moment geradezu. Zwischen diesen beiden Polen der Ausdrucksintensität, zwischen Windspiel und Jimi Hendrix, bewegt sich dieses Konzert und bietet damit eine Fülle von atmosphärischen Eindrücken und musikalischen Gestaltungsweisen: filigranes, geschwindes und dabei absolut präzises Zusammenspiel von Saxofon und Gitarre, friedliche und zugleich geheimnisvoll fragile Kantilenen der Klarinette, skurril stolpernde, ausgefuchste Rhythmen, mit großer Spielfreude zelebrierte Begleitbeats von Schlagzeug und Bass.

Kempendorff führt seine Musikerkollegen durch die Arrangements (und das Publikum mit vollendet unlustigen Moderationen durchs Programm); seine Einsätze und die von ihm initiierten Stimmungswechsel sind die Marksteine der Kompositionen. Und doch sind es seine Mitmusiker, die sich letztlich einprägen. Weniger Westergaard am Bass, der ein hinreißend akkurates Fundament erschafft - aber ohne weiter aufzufallen, was eine durchaus anerkannte Qualität guten Bassspiels ist. Sehr wohl aber treten Steidle und Graupe hervor: Sie sind die Virtuosen dieses Konzerts, agieren in jedem Augenblick markant, inspiriert, gewitzt, beherrschen die mitunter kantigen, effektreichen Ausdrucksmittel der frei improvisierten Musik ebenso wie die klassischen Spieltechniken des Jazz, die das Konzert ganz zu Beginn und ganz am Ende dominieren.

Auf diese Weise sind die ausgedehnten Musikstücke, insbesondere eine vierteilige Suite in der ersten Konzerthälfte, vielseitig und interessant zu hören - um nicht zu sagen: sehr hübsch. Und darin liegt ein wenig die Crux. Alles, was diese Musiker in der Schranne anpacken, gelingt - abgesehen davon, dass kurz vor Ende des Konzerts der geliehene Gitarrenverstärker mit lautem Brummen und Schmorgeruch seinen Dienst quittiert. Dadurch aber, dass musikalisch bei den Darbietungen meistens etwas recht Gefälliges herauskommt, wirkt dieses Konzert im Vergleich zu manch anderen Jazz e.V.-Erlebnissen der jüngeren und jüngsten Vergangenheit eher matt konturiert. Die beiden eingangs geschilderten Pole des Ausdrucksspektrums bleiben selten angesteuerte Einzelmomente.

Für das letzte Konzert des Dachauer Jazzherbsts am 28. November wird anstatt des Jemeel Moondoc Quartet die Formation Sabir Mateen & Dell/Ramond/Kugel in die Kulturschranne kommen.

© SZ vom 16.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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