Dachau:Machtpoker

Jahrelang hat die Sparkasse Dachau das Werben der Fürstenfeldbrucker zurückgewiesen. In einer Position der Stärke greift Bankchef Hermann Krenn jetzt zu und bestimmt die Fusion als Verhandlungsführer

Von Helmut Zeller, Dachau

Damals, der Höhepunkt der weltweiten Bankenkrise 2008 lag gerade mal drei Jahre zurück, wies der Dachauer Sparkassenchef Hermann Krenn eine Fusion seines Bankhauses mit anderen weit von sich. Die Kreissparkassen München, Starnberg und Ebersberg 2011 hatten sich gerade zu einer Super-Sparkasse zusammengeschlossen. Aber Dachau doch nicht. Das Bankhaus nehme eine Spitzenstellung unter den bayerischen Sparkassen ein, hieß es. Die Bilanzsumme betrug 2,35 Milliarden Euro. Auch der Verwaltungsratsvorsitzende, der damalige Landrat Hansjörg Christmann (CSU), erklärte kategorisch, dass eine Fusion nicht in Frage komme. Heute beträgt die Bilanzsumme 2, 7 Milliarden Euro - und Dachau will mit Fürstenfeldbruck und Landsberg-Dießen fusionieren, wenn alles gut läuft, bereits zum 1. Januar 2018.

Eine überraschende Wende, die in Dachau Staunen hervorgerufen hat und Fragen aufwirft. Vor allem die nach dem künftigen Chef der fusionierten Banken, dem viertgrößten Institut Bayerns, mit insgesamt 1732 Mitarbeitern und 79 Filialen. "Diese Fragen können heute nicht beantwortet werden. Die Antworten sind Ergebnis der kommenden Verhandlungen und Beschlüsse", erklärt Vorstandsvorsitzender Hermann Krenn. Wie bei jeder Unternehmensfusion spielt sich hinter den Kulissen aber bereits ein Machtkampf ab, aus dem vermutlich der Vorstandsvorsitzende Hermann Krenn als Sieger hervorgehen wird. Seit fünf Jahren warb die Brucker Sparkasse immer wieder für eine Hochzeit mit der begehrten Dachauer Braut, die nach Informationen der SZ auch schon mal der Kreissparkasse München gut gefallen hat. Krenn, 53, zeigte allen Werbern die kalte Schulter - und stellte klug die Weichen. Er brachte sein Bankhaus in eine hervorragende Ausgangsposition für Fusionsverhandlungen.

Entgegen der allgemeinen Annahme muss die Dachauer Sparkasse - jetzt - nicht fusionieren. Natürlich herrscht Katerstimmung in der Bankenbranche. Geringe Profite in der Niedrigzinsphase und hohe Kosten belasten auch das Dachauer Institut. Auch wenn Bruck fast eine Milliarde mehr Bilanzsumme ausweist, entscheidend ist die Rentabilität. Die Dachauer zählt seit drei Jahren zu den ertragsstärksten Sparkassen in ganz Bayern. Zwar erwartet Krenn für das laufende Geschäftsjahr einen Rückgang des Betriebsergebnisses. "Den Prognosen für 2016 entsprechend werden wir aber im Ranking der bayerischen Sparkassen wieder sehr weit oben sein", sagt Krenn. Konkrete Zahlen nennt er nicht. Der Brucker Vorstand rechnet mit einem Überschussrückgang von 13 Millionen im Jahr 2015 auf sechs Millionen Euro. Dachau kann die unvermeidbaren Rückgänge noch mit den Erträgen aus früheren Kreditvergaben mit einer Zinsbindung von drei oder vier Prozent abfedern. Davon können die Banken heute bei Zinssätzen von 0,5 Prozent nur noch träumen.

Sparkasse

Wie ein Flaggschiff wirkt die Filiale am Bürgermeister- Zauner-Ring. Die Sparkasse Dachau wird bei der Fusion auch vorne dran sein.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Zum 50. Geburtstag Hermann Krenns im Juni 2013 rühmte der damalige Verwaltungsratsvorsitzende Christmann den "unternehmerischen Weitblick" des Jubilars, dem die Sparkasse ihre "überaus erfolgreiche Entwicklung" verdanke. Der gebürtige Niederbayer begann seine Karriere in der Sparkasse Plattling-Osterhofen. In seiner Weiterbildung und im Studium erzielte Krenn stets Bestnoten und belegte den ersten Platz in Bayern. Er bekam ein Auslandsstipendium und wurde Hauptabteilungsleiter der fusionierten Sparkasse Deggendorf. 1992 studierte er an der Tulane University New Orleans in den USA und absolvierte ein Bankpraktikum in London. 1996 kam Krenn nach Dachau: Fünf Jahre später wurde er vom Verwaltungsrat zum Mitglied des Vorstandes berufen, 2012 übernahm er als Nachfolger von Anton Osterauer den Vorsitz.

So einer wird sich bei der anstehenden Fusion nicht ins zweite Glied schieben lassen. Insider der Bankenbranche wollen schon seit längerem Indizien wahrgenommen haben, die dafür sprechen, dass Hermann Krenn sich auf einen Coup vorbereitet. Die Ertragslage der Sparkasse Dachau stärkte er durch einen sukzessiven Personalabbau. Die Organisationsabteilung arbeitet ohne Leiter, die Personalleitung ist eine Halbtagsstelle und der Vorstand besteht nicht wie üblich aus drei, sondern nur zwei Mitgliedern.

Krenn sagt: "Es wird zu keinen betriebsbedingten Kündigungen kommen. Es wird neue Spezialistenstellen geben, die neue Karrieremöglichkeiten für die Mitarbeiter darstellen. Unabhängig von Fusionsüberlegungen ist die Verbesserung der Produktivität in der Sparkasse Dachau seit Jahren eine Daueraufgabe. In den vergangenen Jahren haben wir dort, wo Arbeiten entfallen sind, die natürliche Fluktuation genutzt, um den Personalbestand entsprechend anzupassen. Diese Aufgabenstellung gilt mit und ohne Fusion." Dabei geht doch jede Fusion in der Wirtschaft mit einem massiven Personalabbau einher.

Dachau: Hermann Krenn wies 2008 als Chef der Sparkasse Dachau eine Fusion mit anderen Banken von sich.

Hermann Krenn wies 2008 als Chef der Sparkasse Dachau eine Fusion mit anderen Banken von sich.

(Foto: Toni Heigl)

Die acht Vorstandsposten der drei Banken jedenfalls werden nicht bleiben, wie der 63 Jahre alte Brucker Vorstandssprecher Klaus Knörr schon sagte. Ihm persönlich kann es egal sein. Er scheidet in zwei Jahren ohnehin aus und wird sich Krenn nicht in den Weg stellen. Die Stadtsparkasse Landsberg-Dießen ist zwar ein gesundes Institut mit einer Bilanzsumme von 1,9 Milliarden Euro, aber der kleinste Partner. Die Brucker sind im Moment überglücklich. Sie hatten aber keine Alternative zum Zusammenschluss mit Dachau, handelten nach der Devise "Rette sich, wer kann", und das wird sich in den Verhandlungen niederschlagen. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen geht Dachau, wie Krenn bestätigt, die Fusion nicht ein. Aber auch für sein Bankhaus wäre einmal der Zeitpunkt gekommen. "Nachdem wir aufgrund der aktuellen Geldpolitik davon ausgehen müssen, dass die Niedrigzinsphase noch lange andauern wird, bedeutet das für alle bayerischen Sparkassen, und damit auch für uns, in den nächsten fünf bis zehn Jahren einen deutlichen Rückgang der Rentabilität. Eine Fusion kann durch die Erschließung neuer Geschäftsfelder, etwa im Kreditgeschäft oder im Wertpapiergeschäft, den Rückgang der Rentabilität nicht aufhalten, aber abmildern", sagt Krenn. Und jetzt kann die Sparkasse Dachau noch aus einer Position der Stärke agieren.

Noch ist die Fusion nicht da: Die Verwaltungsräte jeder einzelnen Sparkasse, die den Auftrag zu einer Prüfung eines Zusammenschlusses gaben, müssen einen entsprechenden Beschluss fassen. Gleichzeitig muss der Sparkassenzweckverband zustimmen, in dem Vertreter der Landkreise sowie der beteiligten Städte und Gemeinden sitzen. Die Dachauer Kommunalpolitik steht hinter Hermann Krenn und wird sich ihren Einfluss nicht durch die Brucker nehmen lassen - etwa in der Frage, in welchem Landkreis dann die Zentrale des neuen Bankhauses stehen wird. Wer wird der Vorsitzende des neuen Verwaltungsrates? In Dachau ist es zurzeit Landrat Stefan Löwl (CSU), in Fürstenfeldbruck Landrat Thomas Karmasin. Denkbar wäre ein rotierendes System, denn alle Trägerkommunen wollen weiter mitreden und bestimmen.

Die Sparkasse Dachau führt keine Gewinne an Landkreis und Stadt ab. Dafür aber fördert sie durch fünf Stiftungen mit einem Stiftungskapital von sechs Millionen Euro Kunst und Kultur, Bildung und Wissenschaft, Sport und Vereinswesen, Soziales und Umwelt. Krenn weiß schon heute: "Dieses Engagement wird auch bei einer möglichen Fusion beibehalten." Er hat sich eben schon alles genau überlegt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: