Widersprüchlicher Literat: Bezirksheimatpfleger schreibt Stück über Ludwig Thoma

Widersprüchlicher Literat: Norbert Göttler hat sich vier Wochen frei genommen, um das Stück über Ludwig Thoma zu schreiben.

Norbert Göttler hat sich vier Wochen frei genommen, um das Stück über Ludwig Thoma zu schreiben.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Theatergruppe erstellt bereits das Festprogramm für das Jubiläumsjahr 2017.

Von Viktoria Großmann, Dachau

Heute vor 150 Jahren wussten ja noch nicht einmal Ludwig Thomas Eltern, dass der Bub irgendwann einmal in Oberammergau zur Welt kommen wird. Nun aber weiß man, was kommt - und die Ludwig-Thoma-Gemeinde Dachau bereitet sich auf ein großes Festprogramm im übernächsten Jahr vor. Denn am 21. Januar 2017 wäre der berühmte Schriftsteller und ehemalige Dachauer Bürger Ludwig Thoma 150 Jahre alt geworden.

Natürlich ist dieser Ludwig Thoma keine nur einfache und heitere Figur, die man einseitig behandeln kann. Typisch Dachau eigentlich. Ausgerechnet dieser Mensch lebt hier zwischen 1894 und 1897 im Raufferhaus. Mit seinen launigen Erzählungen hielt er Zeitgeschichte fest, lieferte spitzfedrige Gesellschaftsporträts ab und erschrieb sich Ruhm und Reichtum. Ausgerechnet er, der sich am Ende seines Lebens zum überzeugten Antisemiten und Aufhetzer wandelte. Die Figur Thoma ist somit prädestiniert dafür, die zwei Seiten der Deutschen auszuleuchten und offenzulegen. Heute sehen die Dachauer Ludwig Thoma als größten Sohn der Stadt. Eine nicht ganz unproblematische Würdigung, wenn man alle Facetten des Schriftstellers betrachtet, der ja nur drei Jahre in Dachau verbrachte.

Auftakt zum Jubiläumsjahr 2017

2017 ist jedenfalls sein Jubiläumsjahr und es wird gefeiert werden. Eine Ehrung zum Geburtstag im Januar als Auftakt des folgenden Festjahres ist geplant. Es sollen Filmabende, eine Lesung aus Briefwechseln Thomas mit seinem Freund, dem Bildhauer und Maler Ignaz Taschner folgen. Nicht nur in Dachau, auch in Kleinberghofen, wo Ludwig Thoma eine Jagd hatte und dessen Einwohnern er sich sehr verbunden fühlte, soll es Veranstaltungen geben. Zentraler Glanz- und Höhepunkt aber soll das Theaterstück sein, dass die Thoma-Gemeinde einstudieren will. Es wird im neuen Jahr geschrieben werden, vom Dachauer Historiker, Theologen und Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler. "Ich habe mir extra vier Wochen frei genommen, um das Stück zu schreiben", sagt er.

Mit dem Vorsitzenden der Thoma-Gemeinde Eduard Hörl entwickelt Göttler den Plot: Das Stück soll Thomas Leben in allen Ausprägungen beschreiben. Thoma soll über seine Werke selbst zu Wort kommen und als Person verstehbar werden. "Es wird wohl eher eine literarische Collage als ein klassisches Rollenspiel", sagt Göttler über seine Absichten. Abendfüllend muss es sein und Rollen für acht bis zwölf Darsteller haben.

Das sollte kein Problem sein, denn der Mensch Ludwig Thoma hat ja allein in seinem Leben schon so viele Rollen in sich getragen: die vaterlose Halbwaise, der Lausbub, der Jurist, der Jäger mit Liebe zum Bauernleben, der sozialliberale Großstadt-Satiriker, der unter dem Pseudonym Peter Schlemihl schrieb - eine Figur der jüdischen Kultur -, der demokratieverliebte Kritiker von Kirche und Staat, der unglücklich Liebende, der Weltkriegssanitäter. Für Göttler steht dabei fest: Ohne Thomas meist anonyme, antisemitische Schriften, mit denen er am Ende seines Lebens die Auflage des Miesbacher Anzeigers in unerhörte Höhen trieb, ist eine Betrachtung des Volksschriftstellers nicht denkbar.

Göttler spielte schon mal in einem Thoma-Film mit

Göttler ist mit Thoma aufgewachsen, er hat ihn nicht nur gelesen und die Verfilmungen seiner Romane gesehen, er hat als Jugendlicher sogar als Komparse in einem Film mitgewirkt. Hörl entwickelt bereits Ideen für Umsetzung und Inszenierung, doch bisher stehen noch nicht einmal alle Aufführungsorte fest. Ideen, wen er noch alles einbeziehen und wie Thoma noch gewürdigt werden könnte, hat er einige. Es wird ihn 2016 beschäftigen, im Herbst sollen schon die Proben für das brandneue Thoma-Stück beginnen.

Nach Ludwig Thomas Tod 1921 würdigte ihn der Herausgeber der Weltbühne, Carl von Ossietzky in Berlin, wo man die merkwürdige politische Wandlung Thomas mit Sorge und Spott gesehen hatte, mit den Worten: "Es bleibt sein Ruhmestitel, als erster den bayerischen Bauern künstlerisch so gefasst zu haben, wie er leibt und lebt." Thoma vermachte den größten Teil seines Vermögens seiner Geliebten Maidi Liebermann - einer Jüdin.

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