Dachau:Lieber mehr Lehrer als längere Schulzeit

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Im Landkreis rechnen die Freien Wähler mit einer breiten Unterstützung eines Volksbegehrens für das G 9. Aber die drängenden Probleme nicht nur den an Gymnasien, wie zu große Klassen, sind damit nicht gelöst.

Von Gregor Schiegl

Wenn die Klassen zu groß sind, ist das Arbeiten für Schüler und Lehrer erschwert. (Foto: DAH)

In den Elternbeiräten der drei Landkreisgymnasien gab es vor zwei Monaten eine Abstimmung: Acht waren für das achtstufige Gymnasium, 18 für die Rückkehr zum alten neunjährigen. Das Votum mag nicht repräsentativ sein. Die Freien Wähler (FW) empfinden es dennoch als ermutigendes Zeichen für ein Volksbegehren. Sie wollen es den Gymnasien freistellen, den Stoff statt in acht wieder wie früher in neun Jahren zu vermitteln. Noch muss das Innenministerium prüfen, ob das Volksbegehren zugelassen wird. Die notwendige Zahl der Unterschriften haben die Freien Wähler in Bayern offenbar zusammen.

"Wir hoffen, dass die Staatsregierung einlenkt", sagte der Dachauer Kreisvorsitzende der Freien Wähler (FW), Josef Baumgartner, "das wäre für alle Beteiligten am einfachsten." Einen Präzedenzfall gibt es ja schon: Beim Thema Studiengebühren hatte die CSU auch eine ihrer lange Jahre zentralen Positionen geräumt, als sich eine breite Mehrheit für die Abschaffung der Gebühren abzeichnete. Die Landkreis-FW will versuchen, auch andere politische Kräfte mit ins Boot zu holen, wenn das Begehren durchkommt. "Wir stehen mit allen in Kontakt", sagt Josef Baumgartner.

Doch diesmal ist die Lage anders als beim Volksbegehren 2012. Es gibt keine breite Allianz für die Wiedereinführung des G 9. Die Bildungsverbände äußern sich gegensätzlich, auch in den Parteien gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Es gebe noch internen Gesprächsbedarf, erklärt der Dachauer Landtagsabgeordnete und bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Martin Güll. "Deswegen sind wir bei diesem Thema auch noch so zaghaft." Selbst Güll, der um klare Worte sonst nie verlegen ist, äußert sich diesmal sehr zurückhaltend. "Wir werden in der Opposition Verbesserungen für das bayerische Schulsystem entwickeln", sagt er. - Wäre das G9 eine Verbesserung? "Tja, das ist die Frage." Die Materie ist komplex.

Güll ist nicht per se gegen das achtstufige Gymnasium. In Rheinland-Pfalz funktioniere das Modell, weil das G8 in Ganztagsschulen eingebettet sei - mit rhythmisiertem Unterricht und umfassender Betreuung. Im Landkreis gebe es aber kein einziges Ganztagsgymnasium, sondern nur einen Ganztagszweig der dem Dachauer Josef-Effner-Gymnasium angeschlossen ist. Der Landkreis als Schulaufwandsträger erwägt zurzeit, ein weiteres Gymnasium nur als Ganztagsschule aufzubauen. Was Güll nicht will, ist das G9 wieder einzuführen, ohne etwas an den Rahmenbedingungen zu ändern: "Man muss gute pädagogische Konzepte auch mit Ressourcen unterfüttern", sagt er. Echte Verbesserung in der Bildung gebe es nun mal nicht "zum Nulltarif". Birgit Fink, Elternbeiratsvorsitzende des Ignaz-Taschner-Gymnasiums Dachau, sieht das im Grunde ganz genauso: "Die Klassen sind zu groß, wir bräuchten mehr Lehrer." Auch an technischer Ausstattung fehle es. Man kann es drehen und wenden: "Sie landen immer beim Geld."

Das Vertrackte ist nur: Ein Volksbegehren darf keine Auswirkungen auf den Landeshaushalt haben. Für das zusätzliche Schuljahr gäbe es also keine zusätzlichen Lehrer. "Ich will auf keinen Fall ein G9 im Sparmodell. Wir brauchen kleinere Klassen und mehr Betreuung." Das geht aber nicht ohne mehr Lehrer - und erst recht nicht mit wenigeren. Zusätzliche Kapazitäten ließen sich nur schaffen, wenn man die Lehrer von den Intensivierungsstunden im G8 abzieht. Aber gerade diese Intensivierungsstunden hält Bildungsexperte Güll für besonders sinnvoll und wichtig.

Auf den Landkreis würde mit dem G9 zudem ein "kommunalpolitischer Hammer" niedergehen: Die drei Gymnasien seien jetzt schon randvoll belegt, sagt Güll. Ein weiterer Jahrgang würde kostspielige Erweiterungen notwendig machen. Das G9 könnte auch Realschüler anlocken, die sich dem G8-Modell nicht gewachsen fühlten. Auf die Gestaltung der Dachauer Schullandschaft hätte das weitreichende Konsequenzen. "Was wir brauchen, ist ein schulisches Gesamtkonzept."

Der Handlungsbedarf ist unstrittig: "Alle Eltern merken, dass ihre Kinder wahnsinnig in den Seilen hängen", sagt Christine Haumer - vor allem in der Unterstufe. Die Kinder hätten kaum mehr Zeit für Freunde oder für den Besuch in Vereinen. Dabei gehört die Elternbeiratsvorsitzende zu jenen Eltern, die das G8 verteidigen. "Ich bin dagegen, das Rad wieder zurückzudrehen."

Auch Kinder, deren Intelligenz nicht himmelweit über dem Durchschnitt liege, würden das G8 schaffen, Fleiß vorausgesetzt. Reformbedarf sieht sie dennoch: Die Lehrpläne müssten entschlackt werden, der Schwerpunkt vom Lernen - vor allem dem Auswendiglernen - zugunsten des Verstehens verschoben werden. Damit Freizeit und Vereinsaktivitäten nicht zu kurz kommen, würde sie sich eine Einbettung in einen Ganztagsunterricht wünschen. Es ist eines der Modelle, die sich auch Martin Güll vorstellen könnte.

Dennoch, sagt er am Ende, gehe er davon aus, dass es "aufs G9 hinausläuft" und sich die SPD dem Volksbegehren anschließen werde. Eine Entscheidung werde frühestens in einigen Monaten fallen. "Wir haben jetzt keinen Druck."

© SZ vom 29.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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