Flüchtlinge:Landrat warnt vor Sozialneid

Im Landkreis kursieren bizarre Geschichten über angebliche Vergünstigungen für Asylbewerber. Stefan Löwl hat viel zu dementieren.

Von Gregor Schiegl, Dachau

Das Landratsamt Dachau hat zunehmend Schwierigkeiten, für die Unterbringung von Flüchtlingen Flächen von Privateigentümern zu bekommen. "Es haben uns schon einige abgesagt, mit denen wir bereits in Verhandlungen standen", berichtete Landrat Stefan Löwl (CSU) bei einem Pressegespräch am Dienstag. Oft habe der Rückzug der Eigentümer gar nichts mit ihrer persönlichen Einstellung zu Schutzsuchenden zu tun, vielmehr übe die Nachbarschaft sozialen Druck aus. "Die Eigentümer haben Angst vor der Dorfgemeinschaft." Dieses Phänomen sei im Landkreis "noch nicht flächendeckend" festzustellen, aber es mache sich in der Arbeit schon deutlich bemerkbar. Einmal hieß es, das Landratsamt zahle den Flüchtlingen Bordellbesuche, dann, Flüchtlinge müssten keine Fahrkarten kaufen. Beides ist falsch. "Allein durch Wiederholung bekommt es irgendwann den Anschein der Wahrheit", sagte der Landrat. "Hier wird nur Sozialneid geschürt."

"Es gibt Leute, die Gerüchte am köcheln halten. Gerade dann, wenn irgendwo eine neue Unterkunft kommen soll, ist dieses Tendenz ganz stark", sagte Löwl. Zum Teil findet auch gezielte Stimmungsmache statt. Gerüchte über angebliche Übergriffe verbreiten sich rasend schnell. Viele Bürger sind durch die Nachrichten aus Köln tief verunsichert: In der Silvesternacht bedrängten und begrapschten Migranten dort reihenweise Frauen. Aktenkundig ist im Landkreis aber bisher nur eine sexuelle Belästigung durch einen Flüchtling - bei fast 1900. Ein betrunkener Asylbewerber hatte am Bahnhof fünf Frauen nachgestellt. Der Fall wurde an die Staatsanwaltschaft weitergereicht. Polizei, Bundespolizei und Sicherheitsdienste überwachten den Bahnhof danach stärker. Seitdem ist nichts mehr passiert. Behauptungen, dass in Karlsfeld reihenweise Frauen vergewaltigt worden seien - mutmaßlich durch Asylbewerber - haben sich als bloße Erfindung herausgestellt. Auch die angebliche Frauenärztin, die als Quelle angeführt wurde, konnte nie ausfindig gemacht werden.

Im großen und ganzen läuft das Zusammenleben mit den Flüchtlingen im Landkreis bislang offenbar ohne größere Probleme. Nach der Statistik der Polizei begehen die Flüchtlinge nicht mehr und auch nicht weniger Straftaten als die Einheimischen. Werner Kretz von der Polizeiinspektion Dachau verwahrte sich ausdrücklich gegen Behauptungen, es gebe einen Maulkorb-Erlass für die Polizei, Straftaten von Ausländern totzuschweigen. Richtig sei, dass nicht jedes Bagatelldelikt, das Flüchtlinge begehen, der Öffentlichkeit auch mitgeteilt werde. Eine Vorzugsbehandlung sei das aber nicht. "Bei Deutschen wird auch nicht jeder Schmarrn gemeldet", sagte Kretz.

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