Dachau:KZ-Gedenkstätten und Migration

Das 17. Symposium zur Zeitgeschichte widmet sich der Frage, ob historisch-politisches Lernen für Einwanderer relevant ist und welche Auswirkungen es auf die interkulturelle Verständigung und Integration hat

Von Walter Gierlich, Dachau

"Geschichte von gestern für Deutsche von morgen?" lautet der Titel des diesjährigen Dachauer Symposiums zur Zeitgeschichte, das im Oktober zum 17. Mal stattfindet. Wie im vergangenen Jahr, als es um rechte Gewalt in Deutschland und den Umgang von Gesellschaft, Politik und Justiz damit ging, will Projektleiterin Sybille Steinbacher von der Universität Wien auch diesmal eine Brücke schlagen von der Zeit des Nationalsozialismus 1933 bis 1945 in die Gegenwart. So trägt das Symposium denn auch den etwas sperrigen Untertitel "Die Erfahrung des Nationalsozialismus und historisch-politisches Lernen in der (Post-) Migrationsgesellschaft".

Das Fragezeichen im Titel ist in den Au-gen von Historikerin Steinbacher und dem wissenschaftlichen Leiter des Symposiums 2016, Volkhard Knigge, überaus berechtigt. Denn nicht erst seit im vergangenen Jahr mehr als eine Million Geflüchtete nach Deutschland kamen, stelle sich die Frage: "Wie kann die zunächst zwingend nationalgeschichtlich orientierte selbstkritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus über den nationalgeschichtlichen Referenzrahmen hinaus für Menschen anderer Herkunft geöffnet und relevant werden". Und das, so fragen die Autoren im Einladungstext weiter, ohne den Zuwanderern eine historische Identität aufzunötigen und ohne dabei den Nationalsozialismus von seinem deutschen Ursprung abzukoppeln.

Volkhard Knigge

Der Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, Volkhard Knigge.

(Foto: dpa)

Volkhard Knigge, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora sowie Professor für Geschichte in Medien und Öffentlichkeit an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, wird zu Beginn in die Problematik einführen, ehe es im ersten Teil des Symposiums darum gehen soll, eine Standortbestimmung vorzunehmen und zu bilanzieren, welche erziehungswissenschaftlichen und gedenkstättenpädagogischen Konzepte für die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in der Einwanderergesellschaft seit den neunziger Jahren entwickelt wurden. Referieren werden zu dem Themenkomplex Gottfried Kößler vom Fritz-Bauer-Institut in Frankfurt am Main über "die Entdeckung der Anderen im historisch-politischen Lernen seit 1990" sowie Pädagogin Viola B. Georgi von der Universität Hildesheim, deren Vortrag den Titel trägt: "Historisch-politische Bildung reloaded".

Der zweite Teil widmet sich der Frage, wie diese Konzepte für die Arbeit mit Migranten in der Praxis, also im gedenkstättenpädagogischen Alltag, funktionieren. Elke Gryglewski (Berlin) wird über die Erfahrungen mit Vielfalt in der pädagogischen Arbeit an Gedenkstätten berichten. Aycan Demirel, ebenfalls aus Berlin, wird über die historisch-politische Bildungsarbeit mit Jugendlichen aus Einwandererfamilien referieren. Berichte über die konkreten praktischen Erfahrungen runden diesen zweiten Teil des Symposiums ab. Abgeben werden sie Gabriele Hammermann, Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, Britta Heinrichs von der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Christoph Triebfürst, Lehrer am Josef-Effner-Gymnasium Dachau und Jörg Skriebeleit, Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg.

Symposium für Zeitgeschichte

Die Historikerin Sybille Steinbacher will eine Brücke schlagen von der Zeit des Nationalsozialismus in die Gegenwart.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Der dritte Teil erörtert, ob und inwiefern historisch-politische Bildung als Medium interkultureller Verständigung und Integration dienen kann. "Wie ist es in der deutschen Gesellschaft beispielsweise um die Bereitschaft zur interkulturellen Öffnung bestellt? In welcher Weise kann die Geschichte der Deutschen von gestern zur historisch-politischen Orientierung deutscher Staatsbürger von morgen beitragen, deren historische und kulturelle Hinter-gründe divers sind?", heißt es dazu in der Einladung. In diesem Teil wird zunächst der Politikwissenschaftler Omar Kamil von der Universität Leipzig über "Junge Migranten und Antisemitismus" sprechen. "Deine Geschichte - meine Geschichte - unsere Geschichte" lautet der Titel des Vortrags der baden- württembergischen Landtagspräsidentin Muhterem Aras, ehe die Berliner Journalistin und Schriftstellerin Hatice Akyün den Themenkomplex abschließt. "Geschichte hat keinen Migrationshintergrund", behauptet sie.

Die Veranstaltung endet traditionell mit einer Podiumsdiskussion. Unter Leitung der Historikerin Sybille Steinbacher werden dabei Volkhard Knigge, Muhterem Aras, Jörg Skriebeleit, Omar Kamil und die Erziehungswissenschaftlerin Astrid Messerschmidt von der Bergischen Universität Wuppertal noch einmal zusammenfassend über den Umgang mit dem Nationalsozialismus in der (Post-) Migrationsgesellschaft debattieren. Das Symposium findet am Freitag/Samstag, 7./8. Oktober, im Max-Mannheimer-Studienzentrum/ Internationales Jugendgästehaus an der Roßwachtstraße 15 in Dachau statt. Es beginnt am Freitag um 13 Uhr und endet am Samstag um 12.30 Uhr. Anmeldungen sind bis 25. September beim Max-Mannheimer- Studienzentrum möglich. Besucher mit Wohnsitz in Dachau bezahlen keine Teilnahmegebühr. Weitere Informationen unter www.dachauer-symposium.de.

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