Mieten:Dachau wird für Normalverdiener unbezahlbar

Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) spricht beim Mieterverein über die "Boomregion" und die hohen Wohnkosten in der Stadt.

Von Petra Schafflik, Dachau

Wer in der Stadt Dachau eine Mietwohnung sucht, hat die Wahl: Lieber die ruhige Zwei-Zimmer-Wohnung für 15 Euro pro Quadratmeter oder doch das gepflegte Ein-Zimmer-Appartement, wo der Mietzins dann aber bei 25 Euro liegt? Wer Familie hat, entscheidet sich vielleicht für die kleine, aber laut Anzeigentext immerhin außergewöhnliche Doppelhaushälfte, die 2300 Euro monatlich kostet. Kalt versteht sich. "Preise von 14 Euro pro Quadratmeter sind eher die Regel als die Ausnahme", weiß Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD), der die genannten Beispiele auf Immobilienportalen im Internet recherchiert hat.

"Für immer mehr Menschen ist es nicht mehr möglich, in Dachau zu leben", beklagte der Rathauschef am Samstag bei der Jahresversammlung des Mietervereins. Der OB hat deshalb "nicht die geringste Lust einzustimmen in das Loblied von den tollen Chancen und Möglichkeiten der Boom-Region." Toll die Option, sagt Hartmann, wenn es zu einem Privileg der Besserverdienenden zu werden droht, "Dachauer zu sein." Sein Fazit: "Der Wohnungsmarkt darf nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden." Auch die stellvertretende Landrätin Marianne Klaffki (SPD) sieht dringenden Handlungsbedarf. Damit auch Bürger im Ruhestand nicht wegen teurer Mieten aus dem Landkreis abwandern müssen, "sondern sich ihre Heimat erhalten können."

Mieten: Die Stadt Dachau baut vergleichsweise viele Sozialwohnungen, wie am Rennplatz in Dachau Süd.

Die Stadt Dachau baut vergleichsweise viele Sozialwohnungen, wie am Rennplatz in Dachau Süd.

(Foto: Toni Heigl)

Wohnen in Dachau wird für viele Berufsgruppen unbezahlbar

Ein Ende der Preisspirale ist derzeit nicht absehbar. Florian Hartmann sieht deshalb die sehr reale Gefahr, dass es sich Menschen mit weniger gut bezahlten Berufen wie Altenpfleger, Krankenschwestern oder Erzieherinnen bald nicht mehr leisten können, in der Stadt zu wohnen. "Aber all diese Männer und Frauen zählen dazu - zu uns."

Dabei ist Dachau vergleichsweise noch recht gut aufgestellt: Die städtische Tochtergesellschaft Stadtbau verwaltet 1300 soziale Mietwohnungen, der Mietzins liegt dort im Durchschnitt bei 5,50 Euro pro Quadratmeter. "Leider ist das längst nicht genug", sagt Hartmann. Der Stadtrat hat deshalb ein soziales Wohnungsbauprogramm beschlossen. Und auch in den übrigen Kreiskommunen wächst anscheinend die Überzeugung, dass Eigenheimmodelle nicht ausreichen, sondern sozialer Wohnungsbau nötig ist. Hartmann betonte aber auch die Bedeutung der neuen Grundsätze der Baulandentwicklung, die private Bauträger in die soziale Verantwortung nehmen. "Keine Kommune ist mächtiger als der Markt."

In dem von Wohnungsnot und steigenden Mieten geprägten Umfeld engagiert sich der Mieterverein als Interessensvertretung seiner 5000 Mitglieder. Die Organisation erweise sich als kompetenter Partner für den Erhalt des sozialen Friedens, lobte der Oberbürgermeister. Und als "Mahner für die Anliegen der Mieter", ergänzte Klaffki. Konkret arbeitet der Mieterverein dafür, Mieter über ihre Rechte zu informieren und fachkompetent zu unterstützen.

Viele Gerichtsverfahren konnten vermieden werden

An den Themen, mit denen Landkreisbürger sich Hilfe suchend an die Beratungsstelle wenden, habe sich über die Jahre "so gut wie nichts geändert", sagte Vorsitzender Wolfgang Winter. Oft gehe es um Heiz-und Betriebskostenabrechnungen, um Mieterhöhungen oder um Mängel an der Wohnung, wenn Bürger Rat suchten. Die Fachanwälte des Mietervereins versuchen aber Gerichtsverfahren zu vermeiden. "Darin waren wir heuer sehr erfolgreich", sagte Anwältin und zweite Vorsitzende Frauke Odenthal. So liefen aktuell nur 15 Prozesse. Weniger erfolgreich, das räumt Vorsitzender Winter unumwunden ein, sei die Beratung bei Streitigkeiten von Bewohnern mit ihren Nachbarn, dem Hausmeister oder der Hausverwaltung. "Diese Konflikte sind sehr emotionsbesetzt, da stoßen wir regelmäßig an Grenzen."

Weil Menschen, die beim Mieterverein Rat suchen, oft mehr als nur Probleme mit ihrer Wohnung drücken, arbeitet die Mieterschutz-Organisation seit 2015 eng mit dem Sozialverband VdK zusammen und stimmt sich ab. Im Beratungsalltag ergäben sich "sehr viele Überschneidungen", sagte VdK-Kreisgeschäftsführerin Stefanie Otterbein, die das Angebot des Sozialverbands auf der Jahresversammlung präsentierte.

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