Dachau:Jüdische Komponisten

Dachau: Paul Ben-Haim, 1897 als Paul Frankenberger in München geboren, wurde in Isreal berühmt.

Paul Ben-Haim, 1897 als Paul Frankenberger in München geboren, wurde in Isreal berühmt.

(Foto: National Libary of Israel, oh)

Das ARC-Ensemble hat sich auf Künstler spezialisiert, die Opfer politischer Umbrüche wurden. Konzert im Schloss Dachau

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Das 70. Jahr der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau durch amerikanische Truppen ist Anlass für ein Dachauer Schlosskonzert mit Werken vorwiegend jüdischer Komponisten, welche die Haft in einem der Konzentrationslager überlebten oder rechtzeitig fliehen konnten. Am Samstag, 10. Oktober, 20 Uhr, gastiert das kanadische ARC im Renaissancesaal in der Reihe der städtischen Schlosskonzerte. Es widmet seine Aufmerksamkeit vor allem Künstlern, die politischen Umbrüchen oder dem Wandel des musikalischen Geschmacks zum Opfer gefallen sind. Die Mitglieder des Ensembles sind Pädagogen der Glenn-Gould-Schule des Royal Conservatory in Toronto, als Gäste holen sie sich deren begabteste Studenten und Absolventen. Die neueste und von der Kritik gefeierte Aufnahme des Ensembles befasst sich mit dem israelischen Komponisten Paul Ben-Haim (geborener Frankenburger), der 1933 aus Deutschland emigrieren musste und enthält unter anderem dessen unveröffentlichtes Klavierquartett, das zuletzt 1932 aufgeführt worden ist.

Er ist der bekannteste Komponist dieses Dachauer Schlosskonzerts. Er wurde 1897 als Paul Frankenburger in München geboren, studierte an der Münchner Akademie der Tonkunst , war in München Assistent der berühmten Dirigenten Bruno Walter und Hans Knappertsbusch, dann Kapellmeister in Augsburg. 1933 wanderte er nach Palästina (heute Israel) aus, nannte sich Paul Ben-Haim und lebte in Tel Aviv noch 50 Jahre als hochgeehrter Komponist (Präsident, später Ehrenpräsident der Israel Composers Assciation). Das Klavierquartett op. 4, mit dem das kanadische ARC Ensemble sein Konzert im Dachauer Schloss beendet, schrieb er bereits 1920 noch als Paul Frankenberger und Student der Akademie der Tonkunst in München.

Der 1919 in Warschau geborene Mieczyslaw Weinberg studierte am dortigen Konservartorium bis zum Einmarsch der deutschen Truppen. 1939 floh er nach Minsk und setzte dort sein Kompositionsstudium fort. Ab 1943 lebte er als freischaffender russisch-sowjetischer Komponist in Moskau. Er schrieb Opern, elf Symphonien, Konzerte, zwölf Streichquartette und weitere Kammermusik. Am Anfang seiner regen Kompositionstätigkeit in Moskau steht die Violinsonate Nr. 1 op. 12 aus dem Jahr 1943, mit der das Dachauer Schlosskonzert beginnt.

Ebenfalls in Warschau geboren ist Szymon Laks, der am Warschauer Konservatorium von 1921 bis 1924 Komposition und Dirigieren studierte und ab 1926 in Paris lebte. Als die deutschen Truppen Paris besetzten, wurde er 1942 nach Auschwitz deportiert, 1944 aber in das KZ Dachau verlagert. Dort überlebte er und konnte 1945 nach der Befreiung nach Paris zurückkehren, wo er bald darauf sein 3. Streichquartett "auf polnische Themen" komponierte. In diesem Werk konnten die Vorbilder für sieben Themen identifiziert werden, wobei festgestellt wurde, dass sie aus allen wichtigen Regionen Polens stammen, sodass in diesem Werk ganz Polen musikalisch vertreten ist. 1967 hat Laks sein 3. Streichquartett "auf polnische Themen" als Klavierquartett bearbeitet. In dieser Fassung erklingt das Werk beim jetzigen Dachauer Schlosskonzert. Szymon Laks schrieb 1948 außerdem ein Buch mit dem Titel "La musique d'un autre monde" (Die Musik einer anderen Welt), in welchem er seine Erlebnisse in den Konzentrationslagern Auschwitz und Dachau beschreibt.

Hanning Schröder, geboren 1896 in Rostock, ist Deutscher. Er war Bratscher und studierte in Freiburg im Breisgau auch Komposition und Musikwissenschaft. Weil er mit den "proletarischen" Komponisten Paul Dessau und Hanns Eisler zusammenarbeitete, machte er sich bei den Nazis unbeliebt. Er wurde 1935 aus der Reichsmusikkammer ausgeschlossen, durfte aber weiterhin als Bratscher am Theater spielen. Im KZ Börgermoor entstand das später bekannt gewordene "Lied der Moorsoldaten". 1957 schrieb Hanning Schröder über dieses Lied seine dreisätzige "Musik für vier Instrumente in Memoriam Lied der Moorsoldaten". Das ARC Ensemble führt das Lied im Dachauer Schloss auf.

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