Dachau:In der Mitte der Gesellschaft

München, Hofbräuhaus, 35 Jahre Grüne,

Katharina Schulze aus München gehört seit zwei Jahren dem bayerischen Landtag an.

(Foto: Angelika Bardehle)

Grünen-Landtagsabgeordnete Katharina Schulze spricht über Rechtsextremismus und Wege, dagegen vorzugehen

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Was Katharina Schulze, Landtagsabgeordnete der Grünen aus München, an den üblichen Sonntagsreden darüber, wie notwendig das Erinnern ist und wie dringend Lehren aus der Zeit des Nationalsozialismus gezogen werden müssten, ärgert, ist deren Folgenlosigkeit. "Angesichts der aktuellen Ergebnisse von Langzeitstudien beispielsweise der Universität Leipzig, wie der Rechtsextremismus sich in die Mitte der Gesellschaft hinein ausgebreitet hat, muss der alarmierenden Entwicklung entgegen getreten werden", sagt sie. Am Donnerstag, 3. Dezember, hält sie einen Vortrag über den "Extremismus in der Mitte" bei den Grünen des Landkreises um 20 Uhr im Zieglerbräu in der Dachauer Altstadt. Der Ort passt zum Thema, weil beispielsweise in der Nähe der Traditionsgaststätte der Dachauer Aufstand im April 1945 von der SS niedergeschlagen worden war.

Die brisanten Ergebnisse der Studie der Universität Leipzig, gerade für Bayern, alarmierten im April kurzzeitig die Öffentlichkeit. Der Rechtsextremismus ist der Studie zufolge im Freistaat ausgeprägter als in allen anderen Bundesländern. Parallel dazu findet eine Abwertung von Bevölkerungsgruppen statt, besonders von Muslimen, Sinti und Roma sowie von Flüchtlingen. In der Studie heißt es: "Die Bereitschaft, Minderheiten zu stigmatisieren, ist weit verbreitet, die Einschränkung ihrer Grundrechte wird nicht als Problem wahrgenommen, sondern von 50 Prozent der Befragten gefordert." Ein Drittel der bayerischen Bevölkerung kann nach den Erhebungen der Langzeitstudie einem "Extremismus der Mitte" zugeordnet werden.

Allerdings vermutet die Grünen-Landtagsabgeordnete Katharina Schulze, dass die Ergebnisse mittlerweile noch bedrückender ausfallen dürften. Denn die Leipziger Untersuchungen beziehen sich nicht mehr auf das Jahr 2015. Außerdem beobachtet Schulze, wie rechte Einstellungen in rechte Gewalt münden, wie also die Grenze oder Hürde vom Reden zum Handeln überschritten wird. Deshalb kommt sie zu dem Vortrag in Dachau nicht nur mit den wichtigsten Erkenntnissen der Studie, die zum größten Teil aus repräsentativen Umfragen besteht, sondern auch mit neuesten Daten der Polizei. Im Jahr 2014 fanden 25 Übergriffe auf Flüchtlingsheime in Bayern statt. Dieses Jahr sind es bereits 52. Die Aufklärungsquote ist dabei ziemlich gering, auch weil die Täter nicht mehr aus dem typischen und polizeibekannten Umfeld von Rechtsradikalen kommen, sondern eben aus der Mitte. Die Polizei spricht von einem "Übergangsfeld". Außerdem erhalten Mitglieder von Asylhelferkreisen Morddrohungen; zynisch in Form postalisch zugestellter Todesanzeigen.

Deshalb will Katharina Schulze nicht mehr nur darüber reden, wie nötig es ist, das historische Vermächtnis der NS-Opfer zu bewahren und wie herausragend das Engagement von der KZ-Gedenkstätte über das Internationale Jugendgästehaus bis hin zum Runden Tisch gegen Rassismus in Dachau ist. Vielmehr will die 30-Jährige nach dem Vortrag mit ihren Zuhörern darüber sprechen, wie gegen den wachsenden Rechtsextremismus vorgegangen werden kann. Dazu zählt sie eine veränderte Sicherheitspolitik, die strikter als bisher, rechte Gewalt oder rechte Übergriffe verfolgt und sanktioniert. "Das Aufmalen von Hakenkreuzen ist kein Klein-Jungen-Streich." Würden solche Delikte bereits massiv verfolgt und geahndet, würden Nachahmungstäter abgeschreckt, vermutet Katharina Schulze.

Vor allem wünscht sie sich eine konzertierte Aktion des Bayerischen Landtags gegen Rechtsextremismus. Eine Antidiskriminierungsstelle ist ihrer Ansicht nach überfällig. Außerdem müssten Opferberatungsstellen geschaffen werden, damit Menschen, die sich für Flüchtlinge und für eine Zivilgesellschaft einsetzen, geschützt und bei Bedrohungen betreut werden: "Leider wurden die Anträge der Grünen von der CSU-Mehrheit im Landtag abgelehnt."

Deshalb zieht Katharina Schulze, die seit zwei Jahren Landtagsabgeordnete ist, nicht nur durch ganz Bayern, um die Leipziger Studie darzustellen und ihre Zuhörer aufzurütteln. Sie sucht vor allem nach Verbündeten für eine wirksame Politik gegen rechte Gewalt.

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