Grünzug:Suche nach Kompromisslinie

Informationsveranstaltung beleuchtet Zielkonflikt, den Grünzug zu erhalten und gleichzeitig Karlsfeld Chance auf neues Gewerbe zu wahren.

Von Johannes Korsche, Dachau

Der Pfarrsaal der Heilig Kreuz Kirche Dachau war am Montagabend bis in die letzte Reihe gefüllt. Etwa 100 Dachauer und Karlsfelder waren der Einladung des Bund Naturschutz Dachau (BN) und weiterer Interessenverbände gefolgt. Das Thema: "Dachau-Ost in der Zange." Die Gemeinde Karlsfeld plant im sogenannten Grünzug zwischen Dachau und Karlsfeld ein in etwa zehn Hektar großes Gewerbegebiet. Bereits 2010 hatte ein Bürgerentscheid ähnliche Pläne des Karlsfelder Gemeinderats mit der Stimmenmehrheit von CSU und SPD verhindert. Das lag vor allem an den Bedenken von Naturschützern, die das umliegende Dachauer Moos bedroht sahen.

Im zweiten Anlauf sucht die Gemeinde den Kompromiss mit den Gegnern des Gewerbegebiets und will Teile der umgebenden Freiflächen als Landschaftsschutzgebiet ausweisen. Das würde diese Grünflächen vor Bebauung schützen. Der Bürgerinitiative Grünzug Dachau und Karlsfeld und dem Bund Naturschutz Dachau geht das allerdings noch nicht weit genug. Sie fordern weitere Freiflächen des Grünzugs zu erhalten, vor allem um das bestehende und die geplanten Landschaftsschutzgebiete miteinander zu verbinden. So soll die ökologische Funktion des Grünzugs gesichert werden. Befürworter des Gewerbegebiets verweisen auf die benötigten Einnahmen aus der Gewerbesteuer. Am Montagabend wurde in vier Referentenbeiträgen, einem Kurzfilm und einer anschließenden Diskussion das geplante Gewerbegebiet thematisiert. Eine Auswahl der wichtigsten Beiträge.

Am Schwarzen Graben

Die Baumreihe steht mitten in dem Gebiet an der Grenze zu Dachau entlang der Schleißheimer Straße, in dem neues Gewerbe angesiedelt werden soll.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Bürgerpark statt Gewerbegebiet

Für Sabine Geißler (Bündnis für Dachau), Dachauer Umweltreferentin, ist ein Gewerbegebiet im Grünzug keine Lösung. Sie verstehe, dass die Stadt Dachau und die Gemeinde Karlsfeld Gewerbesteuereinnahmen bräuchten, aber es gebe einen geeigneteren Ort für das Gewerbegebiet: das MD-Gelände. Für den Grünzug hat sie andere Vorstellungen. Sie wünsche sich dort einen Bürgerpark. Dafür benötige sie allerdings Unterstützung: "Die Stadt braucht Gegenwind von engagierten Bürgern."

Dachauer Moos ist EU-geschützt

Christine Margraf, BN Bayern, betonte, dass 70 bis 80 Prozent des Naturschutzes durch EU-Richtlinien vorgegeben sei. So gelte für Teile des Dachauer Mooses ein "Verschlechterungsverbot", durch die sogenannte EU-Richtlinie "Flora-Fauna-Habitat". Das geplante Gewerbegebiet liege in direkter Nachbarschaft des geschützten Bereichs. Zudem sei die Belastung durch Stickstoffdioxid und Feinstaub in Karlsfeld und Dachau-Ost bereits ohne den zusätzlichen Verkehr eines Gewerbegebiets auf "großstädtischem Niveau". Entlastung biete lediglich der Grünzug: "Sie brauchen das Moos, damit sich Ihre Situation nicht verschlechtert."

Dachau Ost in der Zange

Die rund 100 Besucher im Pfarrsaal der Dachauer Heilig Kreuz Kirche zeigen in einerinteressanten Debatte ihre Zustimmung mit Applaus.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Großstädtischer denken

Landrat Stefan Löwl (CSU) führt die angesprochene Bodenversiegelung im Landkreis besonders auf die für das Wohnen benötigte Fläche zurück: "Man muss eben auch in Dachau Wohnhäuser bauen, die höher als drei Stockwerke sind." Der Landkreis müsse "großstädtischer denken" als bisher, schließlich würden immer mehr Menschen in den Landkreis ziehen. Michael Strixner, Diplom Forstwirt und ehemaliger Vorsitzender des BN Dachau, entgegnete, dass vor allem bei Gewerbebauten "noch Luft nach oben" sei.

Politiker in der Pflicht

Der ehemalige Stadtrat Emmo Frey verwies auf die Satzung des Verein Dachauer Moos, dem Landrat Stefan Löwl (CSU), Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) und Karlsfelds Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) vorsitzen. Durch dieses Amt seien die Politiker verpflichtet, die Mooslandschaft zu erhalten und deren Zustand zu verbessern.

Gewerbe ist notwendig

Wolfgang Offenbeck (CSU), Mitglied des Karlsfelder Gemeinderats und des Kreistags, stellte die Notwendigkeit eines neuen Gewerbegebietes für die Gemeinden heraus: "Firmen wandern aus Karlsfeld ab, weil sie in der Gemeinde nicht wachsen können." Anders als bei dem Bürgerentscheid 2010, als die Mehrheit der Karlsfelder Bürger ein Gewerbegebiet abgelehnt hatte, sei nun ein "Konsensergebnis" auf dem Tisch, das Gewerbegebiet und Landschaftsschutzgebiet verbinde. Deswegen sehe er gute Chancen, dass die Pläne diesmal im Kreistag umgesetzt werden.

An Nachwuchs denken

Eine Bürgerin aus Karlsfeld erinnert an den Bürgerentscheid in Karlsfeld über ein neues Gewerbegebiet und dessen "eindeutigen Ausgang". Sie frage sich, was sich seit 2010 geändert habe, so dass die Ablehnung der Karlsfelder Bürger nun ignoriert werde: "Wir brauchen das Moos und die Freigebiete." Eine Bürgerin, die wegen der umliegenden Landschaft von München aus nach Dachau gezogen ist, gibt zu bedenken, dass man vor allem an die jüngere Generation denken müsse, bevor man die Natur bebaue. Gerhard Haszprunar, Direktor der Zoologischen Sammlung München, betont, dass eine Versiegelung nicht rückgängig gemacht werden kann.

Landrat gefordert

Bruno Schachtner, Bürgerinitiative Grünzug Dachau und Karlsfeld, erinnerte Löwl an sein abgegebenes Bekenntnis für den Grünzug: "Tun Sie alles dafür, das Gewerbegebiet zu verhindern. Damit Sie ihr Versprechen eingelöst haben." Auch Thomas Kreß (Die Grünen), Mitglied im Stadtrat Dachau und im Kreisrat, forderte den Landrat auf sich für das Landschaftsschutzgebiet einzusetzen.

Ökologische Grenze erreicht

Strixner sieht in dem Grünzug den einzig verbliebenen Erholungsraum der Stadt Dachau: "Schon heute riegelt ein Gewerbegebiets-Brei die Stadt nach außen ab." Es gehe bei dem Erhalt des Grünzugs ohnehin nur noch um ökologische Resteverwertung. Der Stadtteil Dachau-Ost bereits heute vollkommen "übernutzt". Ein Kompromiss, wie er von Seiten der Gemeinde Karlsfeld und der Stadt Dachau angestrengt wird, sei daher nicht möglich: "Wenn eine Stadt an ökologische Grenzen stößt, muss ein Schlussstrich gezogen werden."

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