Ausstellung im Wasserturm:Im Lauf der Zeit

Florian Ecker, Nicola von Thurn, Katja Droste-Zingone und Claudia Starkloff beschäftigen sich in der Ausstellung im Wasserturm mit Fragen der Existenz. Und nehmen ihnen die Schwere

Von Bärbel Schäfer, Dachau

Ein feines Rauschen erfüllt den Raum, ein Geräusch wie man es von Schleifbewegungen kennt. Mit regelmäßig wiederkehrender Unregelmäßigkeit wird es lauter und wieder leiser. Auf dem Teller eines Plattenspielers liegt die dünne, polierte Scheibe aus weißem Carrara-Marmor und klingt wie Meeresrauschen, meditativ und sanft. Die Scheibe aus schwarzem Granit hingegen ist viel lauter, kratzt, scheuert unter dem Tonarm und schleudert aggressive und nervende Töne in den Raum. Florian Ecker Soundinstallation "Ohne Titel in Stereo // Edit 2015" im dritten Geschoss des Wasserturms macht polierte Steinoberflächen akustisch erfahrbar. Erst die Politur ermöglicht dieses sinnliche Erleben.

Ausstellung im Wasserturm: Nicola von Thurn hat Keramiken zu einer Installation im Wasserturm komponiert. Claudia Starkloff verändert Holzfiguren mit Rohlingen.

Nicola von Thurn hat Keramiken zu einer Installation im Wasserturm komponiert. Claudia Starkloff verändert Holzfiguren mit Rohlingen.

(Foto: Jørgensen)

Die Akademie-Absolventen Florian Ecker, Nicola von Thurn, Katja Droste-Zingone und Claudia Starkloff zeigen im Wasserturm ihre Ausstellung "Gesang der Zitrone". Die Objekte, Bildhauerarbeiten, Grafiken und Malereien beschäftigen sich mit Zeit und Verwandlung. Sie sind frisch, ideenreich und voller Poesie.

"Glanz entsteht, wenn ich Informationen von der Oberfläche weg nehme", sagt Ecker. In der Frankfurter Schirn erforscht der amerikanische Künstler Doug Aitken zurzeit den Sound des Wassers. Dass sich das Urgestein Granit anders anhört als der feine Marmor liegt an der kristallinen Zusammensetzung. Auch daran, dass der viel härtere Granit mit der Hand nicht so fein geschliffen werden kann. Marmor reflektiert das Licht, lässt es ein wenig eindringen und strahlt aus sich heraus. Mit dieser Installation macht Florian Ecker die Permanenz der Zeit, die Vergänglichkeit und die Flüchtigkeit unserer Realität akustisch erfahrbar. Florian Ecker wurde 1977 in Landshut geboren und studierte an der Akademie der Bildenden Künste München 2012 als Meisterschüler von Olaf Nicolai. Arbeiten von ihm wurden von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen angekauft.

Ausstellung im Wasserturm: Claudia Starkloff verändert Holzfiguren mit Rohlingen.

Claudia Starkloff verändert Holzfiguren mit Rohlingen.

(Foto: Jørgensen)

Mit Zeit und Transformation beschäftigt sich auch Claudia Starkloff. Die Studentin der Bildhauerei verwendet industriell hergestellte Schnitzrohlinge von Heiligenfiguren und verändert sie in einem sehr lange andauernden Vorgang. Claudia Starkloff bohrt in das Lindenholz des heiligen Antonius kleine Rundstäbe aus Birkenholz, eng nebeneinander. Im Lauf der Zeit besteht die Figur ausschließlich aus den Rundstäbchen. Sie durchläuft einen Prozess der Veränderung und verliert ihr ursprüngliches Aussehen. Die Oberfläche ist nicht mehr glatt und klar konturiert sondern kleinteilig und unregelmäßig. Die Form der Heiligenfigur ist noch vorhanden und doch aufgelöst. Claudia Starkloff hält ihre Arbeitszeit minutiös fest, trägt sich bei jeder Pause aus und dokumentiert die Anzahl der gebohrten und ausgefüllten Löcher. Momentan sind es 17 391 in 256 Stunden und 55 Minuten. Der maschinell gefertigte Rohling wird zu einem mit Zeit vollgepumpten Objekt.

Ausstellung im Wasserturm: Nicola von Thurn zeigt Kohlezeichnungen.

Nicola von Thurn zeigt Kohlezeichnungen.

(Foto: Jørgensen)

Die in München lebende Katja Droste-Zingone zeigt Arbeiten zum Thema Verdichtung und Auflösung. Sie sind inspiriert von Aufenthalten in China und Singapur und bestehen aus Naturmaterialien und Fundstücken. Ausgehend von der Kalligrafie sprechen aus den feinen Tuschzeichnungen grafische Klarheit und vibrierende Dynamik. Das schlanke, hohe Wandobjekt "Yarn" ist inspiriert vom Filzen und Knüpfen. Jutegewebe, Haare und weißes Pigment bilden eine aufgebrochene, lebendige Oberfläche. Risse sind mit schwarzem Zwirn verknotet. Trotz der aufgerissenen Bildhaut strahlt das Objekt eine zarte Ästhetik aus. Ebenso die lichten Malereien aus Steinmehl, Asche, Gips, Schnur und Bambusmatten - Materialien aus der Natur und Gebrauchsgegenstände. Sie sind voller Leichtigkeit. In einer vitalen Geste werden die hellen schwebenden Flächen von einer dunklen, schweren Substanz durchdrungen.

Der Ausgangspunkt von Nicola von Thurns Bildern und Installationen im Dachstuhl sind historische Fotos aus den Bergen. Sie zeigen vereinzelte Frauen und Tiere - Vögel und Gemsen -, die Stärke und Unabhängigkeit verbinden. Aus den Fotos entwickelt sich ein raumgreifender Kosmos aus Collagen, Landschaften und Objekten aus Porzellan und Kohle. Berückend sind die zarten Kohlezeichnungen mit Berglandschaften. Nicola von Thurn hat ihnen das geprägte Muster des Fußbodens im Wasserturm wie ein kartografisches Netz einbeschrieben. Auf dem Boden stehen verkohlte Hocker und selbst gegossene, unregelmäßige Schalen aus feinem Porzellan. Sie wirken wie die Bestandteile einer Zeremonie. In den Schalen sammelt sich Kohlestaub, der an den Innenwänden in kleinen Lawinen herabrieselt. Eine zerbrochene Schale erwacht zu neuer Schönheit. Gemäß der japanischen Kintsugi Tradition wurde sie mit Gold geklebt. Das reparierte Gefäß hat nun einen höheren Wert als in unversehrtem Zustand.

Die Ausstellung im Wasserturm ist noch an den Wochenenden 11./12. und 17./18./19. Juli von 14 bis 20 Uhr geöffnet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: