Dachau:Hinreißend

Domorganist

Willibald Guggenmos wohnt mit seiner Familie in Unterbachern und arbeitet als Dozent und Domorganist in St. Gallen.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Wie Willibald Guggenmos durch das Klangfarbenspektrum der Orgel wandert

Von Andreas Pernpeintner, Dachau

Ausführlich ist über die neue Kaps-Orgel in der Dachauer Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt berichtet worden. Über die strenge geometrische Schönheit ihres Prospekts, über ihren wunderbaren Klang, darüber, dass Dachau durch diese Orgel über ein Konzertinstrument erster Güte verfügt. Es ist eine hervorragende Idee des Kirchenmusikers Rainer Dietz, diese Orgel in Konzerten zu präsentieren und dafür namhafte Organisten zu gewinnen. Dazu gehört Willibald Guggenmos, mit seiner Familie in Unterbachern wohnhaft, von Beruf Domorganist in St. Gallen, dortselbst Leiter der "Internationalen Domorgelkonzerte" und Dozent an der Musikakademie. Und, dies vorweg, Guggenmos' "Orgelkonzert bei Kerzenschein" an diesem Sonntagabend war hinreißend.

Der Grund: Guggenmos stellt nicht sich in den Vordergrund, sondern das Instrument. Dieses Konzert ist weniger eine Zurschaustellung augenfälliger Virtuosität auf Tasten und Pedalen - obgleich auch die mehr als nur einmal kräftig aufleuchtet -, sondern Kern dieser Darbietung ist ein liebevolles Ausloten der Register und Klangfarben der Orgel. Das ist eine nicht minder imponierende Form absoluter Instrumentenbeherrschung und ein zum Anlass des Konzerts ideal passender Ansatz. Und wer Guggenmos' Biographie im Programmzettel studiert, weiß sofort, dass er auch das maximal virtuose Schaustück jederzeit parat hätte.

Was Willibald Guggenmos im Sinn hat, wird schon eingangs bei Louis Viernes "Entrée" op. 16/1 deutlich: Nach opulentem Beginn ist dieses Werk sehr sanft, ausgesprochen dicht im Klang. Eine Musik, die einen hinsichtlich kompositorisch struktureller Komplexität nicht von den Socken haut, die aber von ungemein feinsinniger Klangfarbengestaltung, ausgefeilter Dynamik und fließenden Rhythmusübergängen geprägt ist. Das klingt recht verbindlich, doch insbesondere solch bruchlos wirkende Lautstärkenverläufe sind auf einer Orgel, bei der sich die Lautstärke ja nicht durch den Tastenanschlag variieren lässt, alles andere als selbstverständlich.

Guggenmos aber beherrscht - man darf ihn dabei auch auf der vorne im Altarraum aufgestellten Leinwand betrachten - die drei Manuale und vielen Register der Orgel in all ihren Schattierungen. Das zeigt sich auch bei der berühmten, schlicht und elegant gespielten Air aus Bachs Orchestersuite BWV 1068 (die Melodielinie allenfalls leicht verschleppt), ebenso beim filigranen Siciliano aus der Flötensonate BWV 1031 und bei der ätherisch beginnenden "Fantasia on Joy to the World" op. 164 von Edwin H. Lemare.

Für den Zuhörer ist Guggenmos' überzeugender Ansatz durchaus fordernd, denn sein Wandern durchs Klangfarbenspektrum der Orgel geschieht über weite Strecken auf Basis relativ langsamer Musik und schließt - ein Hauptmerkmal des Konzerts - auch moderne Kompositionen wie Gerald Nears "Carillon on a Ukrainian Carol" oder Toon Hagens "Shalom" ein. Monumentale Dissonanzen gehören dazu ebenso wie subtil hintergründige Klangeffekte, beides verlangt konzentriertes Zuhören. Deshalb sind Liszts "Legende für Klavier" und "Die Vogelpredigt des Hl. Franz von Assisi" (Orgelbearbeitung von Camille Saint-Saëns) in ihrem hübsch akzentuierten, stringenten Gestus, Maurice Duruflés brillante Toccata op. 5 und die beiden eingängigen Zugaben (Pietro Yons gewitzte Toccata über "Creator alme siderum" und ein nettes Weihnachtslied von Mieczyslaw Surzynski) eine gut gewählte stilistische Ergänzung. Ein beeindruckendes Konzert.

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