Hasskommentare im Internet:Hetze gegen Flüchtlinge

Die Zahl von Hasskommentaren im Internet nimmt im Landkreis zu. Betroffen sind ebenso Helferkreise und der Runde Tisch gegen Rassismus. Auch Neonazis bedienen sich laut Verfassungsschutz der Online-Plattformen

Von Anna-Sophia Lang, Dachau

Sie werden beschimpft, beleidigt und angefeindet: Flüchtlingshelfer aus dem Landkreis sind im Internet wüsten Pöbeleien ausgesetzt. Auf einzelne Personen beziehen sich die Diffamierungen nur selten, meist stürzen sich die Schreiber auf die Ehrenamtlichen als Gruppe oder die von ihnen betreuten Asylsuchenden. Manche Helferkreise sind gar nicht betroffen, andere umso mehr. Besonders hart hat es den Helferkreis in Erdweg getroffen, wie ein Mitglied berichtet. Ein Mann log auf seiner Facebook-Seite, sein Neffe sei am Bahnhof "von üblen Schwarzen überfallen" worden. Er forderte dazu auf, etwas gegen die "schwarze Masse" zu unternehmen, und erhielt - zum Entsetzen der Helfer - auch noch positive Resonanz. Die Ermittler der Kripo bestätigen, dass die Hetze gegen Flüchtlinge und Helfer im Internet seit vergangenem Jahr zunimmt. Entsprechend ist auch die Zahl der Anzeigen gestiegen. Besonders besorgniserregend: Die Neonazis des "Dritten Wegs" mischen laut Verfassungsschutz im Landkreis Dachau stark mit.

Etwa zwei Monate sind seit dem Erdweger Fall vergangen, passiert ist nichts - zum Glück. Bei den Helfern, die in den Kommentarspalten als dumm und blauäugig beschimpft wurden, löste der Vorfall dennoch Unsicherheit aus. "Allgemeine, dumpfe Parolen gibt es auf Facebook genug", sagt eine Helferin. Aber der Aufruf zur Gewalt machte den Ehrenamtlichen Angst um die Asylsuchenden in der Containerunterkunft. Sie hatten sofort die Polizei informiert, zwei Stunden später war der Post verschwunden.

Ludwig Gasteiger

Grünen-Kreisrat Ludwig Gasteiger engagiert sich beim Runden Tisch der Stadt Dachau gegen Rassismus. Über das Bündnis verbreitete ein Mann Gerüchte.

(Foto: Lukas Barth)

Gerhard Drexl, stellvertretender Leiter des Kommissariats Staatsschutz bei der Kripo Fürstenfeldbruck, sagt: "Seit vergangenem Jahr sind die sogenannten Hass-Postings deutlich angestiegen." Der Großteil davon erscheine bei Facebook. "Es gibt dort eine Vielzahl von Seiten, wo sehr scharfe Texte auftauchen." Sie zielten hauptsächlich auf Flüchtlinge ab oder ließen eine allgemeine fremdenfeindliche Einstellung durchblicken. Drexl bestätigt die Erfahrung der Helferkreise: In der Regel richteten sich die Posts "eher gegen die anonyme Masse, nicht gegen Personen, die man persönlich kennt."

Ludwig Gasteiger hat die gleiche Erfahrung gemacht. Reaktionen haben sich meist gegen die Institutionen gerichtet, die er vertritt. Gasteiger sitzt für die Grünen im Kreisrat, arbeitet beim Kreisjugendring und engagiert sich im Verein "Runder Tisch gegen Rassismus Dachau". Als der im Frühjahr eine Willkommenskundgebung für die neue Flüchtlingsunterkunft am Himmelreichweg in Dachau-Süd organisierte, habe ein Mann auf Facebook Gerüchte und Unwahrheiten über das Bündnis verbreitet, berichtet Gasteiger. "Er hat versucht, uns zu diffamieren." Der Kreisrat meldete die Vorfälle bei der Polizei, der war der Mann schon häufiger wegen seiner Äußerungen im Netz aufgefallen. Er bekam eine Aufforderung, solche in Zukunft zu unterlassen. Gasteiger blockierte ihn auf Facebook und meldete ihn bei dem sozialen Netzwerk. Seitdem hat er nichts mehr von ihm gehört. Persönlicher wurde es bei einer Gegenkundgebung des Runden Tischs zu einer Veranstaltung der AfD im vergangenen Herbst. Von "seltsamen Vorwürfen" und "wirrem Zeug" spricht Gasteiger, das auf Facebook über einzelne Veranstalter der Kundgebung gepostet wurde.

Ehrenbürgerschaft

Dachaus CSU-Landrat Stefan Löwl hat sich schon mehrfach wegen Hasskommentaren an die Polizei gewandt, die auf seiner Facebook-Seite gepostet wurden.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Landrat Stefan Löwl (CSU) hat sich schon mehrfach wegen Kommentaren an die Polizei gewandt, die auf seiner Facebook-Seite gepostet wurden. Dort hatten User angekündigt, an der Flüchtlingsunterkunft am Himmelreichweg zu randalieren oder zu zündeln. Polizeibeamte hätten daraufhin "Gefährdergespräche" geführt, sagt Löwl. Persönlich angegriffen wurde er nicht. Die Masse der Kommentare in sozialen Medien richte sich nicht gegen Politiker, sondern gegen die Flüchtlinge selbst, sagt er. Löwl spricht von "tumben Vorurteilen ohne Wissen". Schwere Beleidigungen oder Aufrufe zur Straftat löscht der Landrat von seiner Facebook-Seite.

Parallel zu den Hetzkommentaren ist auch die Zahl der Anzeigen gestiegen. Am Amtsgericht Dachau wurde Anfang Juli zum ersten Mal ein Mann aus dem Landkreis wegen Volksverhetzung im Internet zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. "Da liegen wir im Trend, der für das gesamte Bundesgebiet gilt", sagt Ulrich Uschold, der das Kommissariat Staatsschutz bei der Kripo leitet. Genaue Zahlen für Anzeigen im Landkreis erheben die Behörden aber nicht. Auch deshalb, weil nicht alle Personen im Landkreis wohnen, die auf landkreisbezogenen Internetseiten posten. Die Beamten durchforsten das Internet nicht auf eigene Faust, sondern ermitteln nur, wenn jemand Anzeige erstattet oder sie auf einen Vorfall aufmerksam macht. Erhärtet sich der Verdacht auf eine Straftat, schalten sie die Staatsanwaltschaft ein, durch richterlichen Beschluss können Wohnungsdurchsuchungen angeordnet werden. Auch im Landkreis hat es bereits welche gegeben.

Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz überprüfen Internetseiten auch ohne konkreten Anlass. Das Ergebnis: Besonders die rechtsextremistische Partei "Dritter Weg" habe auf den Landkreis Dachau "Ausstrahlungswirkung". Neonazis verteilen immer wieder Flugblätter, verübten schon Anschläge auf das autonome Jugendzentrum und organisierten Demos. Doch nicht nur das: Sie verbreiten auch im Internet "fremdenfeindliche und insbesondere gegen Asylbewerber gerichtete Agitation", wie ein Sprecher des Verfassungsschutzes mitteilt.

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