Dachau:Heiterer Spaziergang

Die Lange Nacht der Offenen Türen eröffnet Einblicke in die Vielfalt der Dachauer Kunst und schafft spannende Begegnungen.

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Es ist normal, verschieden zu sein." Der Leitspruch des Behindertenwerks Autark der Dachauer Partnerschaft Klagenfurt ist banal. Wer würde nicht darauf pochen wollen, einmalig zu sein? Er ist auch eine Herausforderung: Jeder verdient nicht nur die Toleranz, sondern Akzeptanz. Schließlich ist der Satz anrührend, womit wir bei der Langen Nacht der Offenen Türen in Dachau am vergangenen Freitagabend wären und nicht nur bei der Vernissage einer Ausstellung der Kreativwerkstätten von Autark und Franziskuswerk im Ludwig-Thoma-Haus. Ein Streifzug entwickelt sich zum heiteren Spaziergang mit spannenden Begegnungen.

Ludwig-Thoma-Haus: Andreas, der begnadete Zeichner von Schönbrunn, fotografiert Tanja aus Klagenfurt vor einem ihrer Bilder. Ihre Augen leuchten vor Stolz. Als Festredner Andreas Jesse Künstler persönlich vorstellt, jauchzen sie. Auffallend an der Ausstellung ist, dass die Schönbrunner Malwerkstatt um Jessica Appler malerisch unterwegs sind, während die Klagenfurter grafische Techniken bevorzugen. Übrigens wurde gut verkauft. Dachaus Bürgermeister Kai Kühnel hob die Bedeutung kreativer Begegnungen hervor. Die Klagenfurter Referentin Ruth Franziska Feistritzer würdigte die Idee dieser Ausstellung als "einen ganz anderen Weg der Partnerschaft". Und Valentin Schmidt aus Schönbrunn hofft, dass diese Kunst den Zugang zur Idee der Inklusion eröffnet.

Galerie der KVD: Vielleicht kann Kunst sogar ein Motor sein. Vor dem Eingang zur KVD-Galerie stehen junge Leute. Es sind Afghanen, die ohne ihre Eltern auf gefährlichen Wegen nach Dachau gelangt sind. Aus der Dunkelheit heraus nähern sie sich der KVD-Galerie, wo das Künstlerpaar Barbara Trompeter und Georg Szabó eine Ausstellung als Raum-Installation mit roten Vorhängen, Katzen und einer Videoprojektion geschaffen hat. Die jungen Leute sind fasziniert. Und Heiner Buthmann hat vielleicht die entscheidende Erklärung dafür. Für ihn spiegelt diese Installation den Totenkult Ägyptens wieder. Das gesamte Arrangement empfindet er als Versuch der Transformation. Die Faszination der jungen Afghanen dürfte sich aus dem Thema ergeben haben. Ihre Begleiterin Sabine von Hoff könnte viel über deren Traumata erzählen, aber auch über eine ungeheure Begeisterung: "Because we are safe now" (wir sind jetzt sicher), wie einer der Jugendlichen sagte.

Neue Galerie: Der Titel der Ausstellung "Webarten" kann als Metapher dafür verstanden werden, wie vernetzt die Welt ist. In diese Richtung geht zumindest der Beitrag von Lars Koepsel, der Texte in Bilder verwandelt. Er schreibt ganze philosophische Texte mit der Hand ab, "wodurch beim Überschreiben des Geschriebenen", wie Kuratorin Jutta Mannes darlegte, "ein unlesbar dichtes Gewebe" entsteht. Dabei setzt Koepsel den Inhalt des Texte in Bezug zu dessen Gestaltung. Das große Wolkenbild besteht aus dem Text "Die Wolke des Nichtwissens". Abseits aller philosophischen und theologischen Deutung passt das Kunstwerk als Symbol der Bescheidenheit in die aktuellen politischen Debatten.

Sparkasse in der Altstadt: Die Ausstellung des KVD-Vorsitzenden Johannes Karl führt mitten in die lokale Kunstgeschichte hinein, die als Künstlerkolonie einmal eine europäisch zentrale zu Beginn es 20. Jahrhunderts war. Denn Karl thematisiert und persifliert die Landschaftsmalerei, zu der die Menschen auf der Langen Nacht der Offenen Türen im Obergeschoss des Gebäudes drängen. Heiter bis erstaunlich sind die Zitate in kleinformatigen Ludwig-Dill-Bildern, in denen er Bildausschnitt, Technik und Idee der Vorlagen vor Augen und auch ad absurdum führt.

Kleine Altstadt-Galerie: "Under pressure - unter Druck" hat Mores alias Johannes Wirthmüller seine erste Einzelausstellung genannt. Ein mehrdeutiges Motto. Denn der junge Künstler gibt sich genau so relaxt wie das junge Publikum und Organisatorin Christina Seeholzer. Sein Thema: "Vom Ornament, zur Sprache, zur Schrift." Eröffnungsredner Moritz Bothe: "Under pressure ist wie ein unter Druck entstandener Diamant, der durch viele Schichten an die Oberfläche unseres Bewusstseins gespült wird."

Dachau: Eine Ausstellung der Behinderten-Malgruppen aus Schönbrunn und Klagenfurt gab es im Thoma Haus zu sehen.

Eine Ausstellung der Behinderten-Malgruppen aus Schönbrunn und Klagenfurt gab es im Thoma Haus zu sehen.

(Foto: Toni Heigl)

Donath bei Ackermann: Gut möglich, dass Wirthmüller demnächst in Dachaus jüngster Galerie vertreten sein wird. Denn Frank Donath, Motor der ehrenamtlich geführten Kleinen Altstadtgalerie, gibt jetzt bei Donath und Ackermann in der Konrad-Adenauer-Straße der bildenden Kunst ein neues Forum. Voraussetzung: Die Teilnehmer haben schon einmal in der Altstadtgalerie ausgestellt. So erklärt sich die auf den ersten Blick verwirrende, bunte Mischung von 13 Künstlern, die im Hällmayr-Haus derzeit vertreten sind. Er wolle, sagt Donath, auch "ganz normale Menschen" in die Galerie locken. Und ist selbst gespannt, ob sein Konzept aufgeht.

Dachauer Wasserturm: Statt mit einem schnellen Kamera-Klick halten die Mitglieder von Arttextil Reiseerinnerungen gewebt, gestickt, genäht oder gestrickt in der Ausstellung im Wasserturm fest. Kunst und Handwerk verbinden sich aufs Schönste. Beispielsweise, wenn Annemarie Pattis den Pfaden der legendären Tunis-Reise von Paul Klee im Jahr 1914 folgt und seine Bilder auf ihre Art umsetzt.

Fazit: Mehr als 2000 Besucher. Dabei etliche, die fast generalstabsmäßig vorgehen, weder die Lüpertz-Ausstellung im Rübsamen-Untergeschoss noch Sina Weber in der Ruckteschell-Villa auslassen. Und es gibt jene, die es genießen, dass sich zur bildenden Kunst die Musik gesellt hat. Percussionist Christian Benning trieb die Finissage der KVD-Ausstellung "1984" auf Hochstimmung: Heiko Klohn: "Ich hatte Gänsehaut." Kommt nicht oft vor.

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